Wein im Wandel: Die Trends und Herausforderungen
Der neue Jahrgang wird kräftig ausfallen, Herausforderungen sind Produktionskosten und Klimawandel, neuer Trend sind Dosen und Mini-Flaschen
Die Ernte ist eingefahren – der heurige Jahrgang verspricht vollmundige, kräftige Weine. Doch es sind nicht alle Winzerinnen und Winzer zufrieden, denn das Weinjahr wurde von einem wechselhaften Witterungsverlauf bestimmt. Großteils sei die Veränderung zu vorherigen Jahren aber nicht auf Wetterkapriolen, sondern auf Pilzkrankheiten zurückzuführen. Erwartet wird eine leicht unterdurchschnittliche Ernte von rund 2,3 Mio. Hektolitern.
Ein ähnliches Bild zeigt sich übrigens in ganz Europa: Vor allem die großen Erzeugerländer Italien und Spanien gehen von einer schlechteren Ernte aus. Laut dem Österreichischen Weinbauverband spürt man in den heimischen Weinbaubetrieben auch nach wie vor die hohen Produktionskosten. Mit deutlichen Preissteigerungen müssen Konsumentinnen und Konsumenten dennoch nicht rechnen, auch wenn die Preissituation angespannt sei.
Gefahr des Frühjahrsfrosts
Doch Wein hat seinen Preis. Weinkritiker Stephan Reinhardt beobachtet und trinkt sich für den renommierten Weinführer "Robert Parker Wine Advocate" durch den österreichischen Markt. Für ihn liegt es auf der Hand, dass "guter Wein nicht billiger werden wird". Grund sei der Klimawandel, wie der deutsche Experte im Interview mit uns erklärt: "Früh austreibende Jahre bergen die Gefahr von zerstörerischen Frühjahrsfrösten und der zweite Austrieb hat dann Probleme, die optimale Reife zu ermöglichen. Und trotz zunehmender Starkregen-Ereignisse wird Wasser das Thema der Zukunft bleiben. Ohne lässt sich Weinbau nicht betreiben. Doch woher nehmen, wenn es über Wochen hinweg gnadenlos heiß und trocken ist?"
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Generell hält Reinhardt Österreichs Stolz auf seine Weine für gerechtfertigt: "Gott wohnt schon lange nicht mehr in Frankreich, sondern irgendwo zwischen Golling, Wien und Südtirol. Einen schlechten Wein habe ich hier noch nicht getrunken, dafür aber unzählige richtig gute und auch die eine oder andere Ikone, die zu den feinsten Weinen der Welt zählt."
Orientierung bei Lagenweinen
Für Weinliebhaber hat der Experte einen Tipp, wie man sich am besten im Dschungel von Kritiken zurechtfindet: "Sie sollten diese ganzen Weinbewertungen nur als Anregung begreifen, nicht als Diktat. Punkte alleine sagen nicht viel aus. Lesen Sie den Text dazu. Besteht der nur aus der Reihung von Aromen, treten Sie den Führer in die Tonne."
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Was sagt der Weinkritiker dazu, dass hierzulande seit Kurzem eine Klassifizierung der Weinberge auf gesetzlicher Ebene möglich ist? "Am Ende ist jede Klassifizierung nicht nur ein Vermarktungsinstrument, sondern schafft auch Orientierung. Verlässlich ist alleine der persönliche Geschmack. Es ist aber gut, dass die Flut an Lagenweinen strukturiert werden soll. Das hilft, Preise und geschmackliche Dimensionen zu verstehen."
Dosen-Wein für Singles
Immer öfter sieht man Wein in Dosen oder in Mini-Flaschen – passend für die "To go"-Generation bzw. für Single-Haushalte. "Gegen Wein in kleinen Flaschen ist nichts zu sagen. Wer sie kauft, tut das nicht, um sie über Jahrzehnte zu lagern, sondern um sie bei Gelegenheit zu trinken. Nach dem Kino oder Konzert noch ein Glas Wein zu trinken, ist ja auch etwas Schönes. Mit Dosen tue ich mich schwerer, die habe ich noch nie gemocht. Ich jedenfalls kann nicht genießen, wenn ich dabei gehe. Das ist absurd. Die 'To go'-Kultur ist eine Unkultur."
Je mehr wir uns mit Wein beschäftigen, desto feiner wird auch unser Geschmack, zeigt sich Reinhardt überzeugt. Nach extremen, maischevergorenen Orange Wines, die noch immer gerne getrunken werden, sieht der Experte saubere Naturweine im Kommen. Er meint: "Wenig Alkohol bei großer geschmacklicher Komplexität – das ist die wahre Kunst."
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