Campari: Was hinter dem ultimativen Aperitivo steckt

Ein Sommer ohne ein Campari-Mixgetränk? Ausgeschlossen. Wie der bittersüße Likör die Trinkkultur revolutionierte.

Mailands flüssige Lebensader ist wohl nicht nur der Po. Ohne Campari geht in der italienischen Metropole nichts. Wenn der Nachmittag zur Neige geht, wird es richtig interessant. Auf den Straßen pulsiert es beim Aperitivo. Zu einer Unmenge an Snacks reicht man Campari-Drinks unterschiedlicher Art. Prosecco, Gin, Soda, Wermut, Orangen, oder Minze wären hier ohne den roten Likör nicht vorstellbar. Und er ist wohl für einige bittersüße Momente verantwortlich. Nicht nur auf dem Gaumen. Denn die Essenz trinkt sich einfach viel zu gut, als dass man nur ein Glas mit ihr genießen könnte. Mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen.

Das wusste bereits der legendäre Federico Fellini, der auf seinen Filmsets stets einen Campari dabeihatte und nicht nur das Dolce Vita auf der Leinwand inszenierte, sondern es auch selbst in vollen Zügen genoss. Auch Orson Welles - bei dem die Zuschreibung "kein Kostverächter" euphemistisch wäre - liebte Cocktails mit Campari. Besonders den Negroni. Nicht ohne Grund. "Die Bitterstoffe sind hervorragend für deine Leber, der Gin ist schlecht für dich. Sie gleichen sich aus."

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Herkunft und Rezept  

Schon Generationen vor diesen Stars tranken den Likör. Den gibt es nämlich schon seit 1860.

Gaspare Campari hatte seit den 1840ern wie einige anderer Zeitgenossen an einer alkoholhaltigen Mischung aus unterschiedlichen Kräutern, Geschmäckern, Wurzeln und Früchten gebastelt. Im Hauptberuf betrieb er das Caffè dell’Amicizia in Novara im Piemont. Doch es sollte dauern, bis er wirklich zufrieden damit war. 60 verschiedenen Zutaten sind darin enthalten - etwa die prägnante Chinotto, eine Bitterorange, die in Süditalien gerne in Limos enthalten ist. Von ihr kommt ein Großteil des prägnanten Geschmacks. Ebenfalls sehr wichtig: Cascarilla, eine Pflanze aus den Westindischen Inseln der Karibik.

Wie das so ist bei weltbekannten Marken - ob Coca Cola, Red Bull oder natürlich die Sachertorte -, das genaue Rezept bleibt geheim. Auch wenn sich findige Geister immer wieder daran machen, das Geheimnis zu lüften. Viele sind sich sicher, dass auch Rhabarber, Ginseng und Chinin enthalten ist, was mitunter auch bestätigt worden ist. Gaspare Campari griff auf Ideen der Alten Römer und Griechen zurück. Schon in diesen Hochkulturen gab man Kräuter in Getränke, damit sie länger genießbar blieben, wie das Luxury Lifestyle Magazine berichtet. 

Was manche Kulinarik-Historiker aber fix zu wissen glauben: Ohne Campari wäre der Aperitif vor dem Essen niemals so populär, wie er heute ist. Bitteres soll den Magen fürs folgende Mahl öffnen. Daher auch der Name - "aperire" heißt auf Latein "öffnen". Vor Campari waren Kräuterliköre stets etwas für den Digestif.

Ein Campari-Cocktail, Chips und Brote jeder Art gehören zum Aperitivo dazu. Wenn auch noch Oliven serviert werden, ist er perfekt.

©Getty Images/Giuliano Benzin/istockphoto

Vom Start weg lief es hervorragend - das Getränk hieß anfangs noch aufgrund seiner Farbe "Rosa Campari". Gaspare eröffnete 1867 in der damals neu gebauten Galleria Vittorio Emanuele II sein "Caffè Campari". Zuvor hatte er schon ein kleines Caffè in der Nähe. Das musste aber wegen des neuen Wahrzeichens weichen. Als Entschädigung bekam er den neuen Standort angeboten. Ein Glücksfall, wie sich zeigen sollte. In der eleganten Umgebung - in unmittelbarer Nähe zum Dom - wurde die rote Flüssigkeit schnell bekannt wie ein bunter Hund. Wie Falstaff einmal berichtete, kam hier auch Gaspares Sohn Davide zur Welt, der später noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Und dort revolutionierte man eben auch die Trinkkultur. Dass man Kräuterliköre nicht erst nach, sondern vor dem Essen servierte, gefiel den Menschen zu gut.

Neue Bar und Negroni

Gaspare starb mit nur 54 Jahren 1882, sein Sohn konzentrierte sich später nur mehr noch auf das eine Getränk. Alle anderen Erfindungen, die es noch gab, ließ er für eine Weile einstampfen. Was zunächst wie eine Hasard-Aktion wirkte, immerhin brach der Umsatz ein, sollte sich bald als goldrichtig herausstellen. Davide sperrte 1915 die schicke Bar "The Camparino" auf, wo der Aperitivo, wie wir ihn heute kennen und lieben - gute Getränke, gute Snacks, perfektioniert wurde.

Die Camparino-Bar in Mailand, aufgenommen im Juli 2021.

©REUTERS/Stefano Rellandini

Zu weltweitem Ruf verhalfen dem Campari dazu noch Cocktails wie der Negroni oder der Americano, die sich seit 1920 auf den Barkarten finden. Ersteres soll ja ein Graf erfunden und täglich 20 Gläser der Mischung aus Gin, Campari und Wermut getrunken haben. Wir mutmaßen, das Mischverhältnis war nicht so, wie es eigentlich gehört 1-1-1. Da würde bei dieser Menge nämlich ein ausgewachsenes Pferd aus den Latschen kippen. Da lässt sich mitunter der Americano loben, der den Gin weglässt und dafür noch etwas Sodawasser enthält.

Außerdem brachte die Firma 1932 den ersten abgepackten Cocktail der Welt auf den Markt: Campari gemischt mit Soda. Es war ein genialer Marketing-Coup Davide Camparis. Er ließ den Drink, der damals "Monodose", hieß, in Automaten verkaufen. Das passte zum Zeitgeist. Gerade die künstlerische Avantgarde Italiens propagierte Flugzeuge, Geschwindigkeit und Fortschritt. Die ikonischen Flaschen, die passenderweise der Futurist Fortunato Depero designt hat, sind bis heute unverändert. Künstlerisch hatte der Mann schon etwas drauf. Er kreierte in den 1930ern auch eine schwarz-weiße Design-Linie mit geometrischen Formen, von der sich der Konzern auch heute noch - etwa in den Campari-Lokalen - inspirieren lässt. Nur politisch stand er auf der dubiosen Seite. Depero war wie viele seiner Zeit- und Künstlergesellen ein überzeugter Faschist und Mussolini-Anhänger.

Salma Hayek und Mario Testino

Generell ist Campari im Laufe seiner Geschichte immer wieder fruchtbare Kollaborationen mit Künstlern eingegangen und hat es auch so geschafft, sich als schicke Lifestyle-Marke zu etablieren. Fellini hatte das Glas dann nicht nur selbst am Set stehen, sondern drehte auch einen Kurzfilm fürs Getränk. Oder der angesagte Countertenor Klaus Nomi lieferte in den Achtzigern den Soundtrack für eine Werbung. Später warben Stars wie Salma Hayek, die ein Kapazunder wie Mario Testino für einen eigenen Campari-Kalender abgelichtet hat.

Auch wenn die Campari-Flaschen in jeder italienischen Café-Bar und auch sonst beinahe überall in der westlichen Welt zu finden sind, so schafft man einen Hauch von Exklusivität. Quasi nach dem Motto: wenn es Feierabend wird, gibt es Campari - und freie Zeit ist immer Luxus. Und außerdem ist es ja nicht so, dass das Getränk nicht schmecken würden.

Rezepte für Campari-Drinks

Campari Milano:

  • 3 cl Campari
  • 3 cl Cranberrysaft
  • 8-9 cl Prosecco
  • Minzeblätter

In einem Weinglas die Zutaten über Eis gießen. Vorsichtig umrühren und mit den Minzeblättern garnieren.

 

Campari Amalfi:

  • 4 cl Campari
  • 8 cl Bitter Lemon
  • 1 cl Grapefruitsaft
  • 1 Stück Grapefruitspalte 
  • Eiswürfel

Campari, Grapefruitsaft und Eiswürfel in ein Weinglas geben und mit Bitter Lemon auffüllen. Abschließend mit einer Grapefruitspalte garnieren.

 

Boulevardier:

  • 3 cl Campari
  • 3 cl Süßer Wermut (rot)
  • Bourbon Whiskey

Alle Zutaten im mit Eis gefüllten Mixglas verrühren und ein Cocktail-Glas abseihen. Mit einer Zitronenzeste garnieren.

 

Americano:

  • 3 cl Campari
  • 3 cl Süßer Wemut (Rot)
  • 1 Schuss Sodawasser

In einem Tumbler-Glas auf Eis bauen und mit einer Orangenscheibe garnieren.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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