Apfel-Balsamessig: Wie aus der "Schnapsidee" ein Markenzeichen wurde
Vor 40 Jahren brachte der Steirer Alois Gölles erstmals einen Balsamessig aus Äpfeln anstatt traditionell aus Trauben auf den Markt.
Die mild-süße Säure, die dunkle Farbe – Balsamico, im Idealfall echter "Aceto Balsamico", ist auch in Österreich seit vielen Jahren ein beliebter Gegenspieler zur intensiven Säure klassischer Essige. Anfang der 1980er-Jahre war das noch anders. "Balsamico hat hier fast niemand gekannt und es gab ihn nur beim Meinl am Graben", erinnert sich Alois Gölles. Er selbst lernte Balsamessige 1983, während eines Berufspraktikums in Italien kennen, "und es hat mich irgendwie fasziniert".
So sehr, dass er nach seiner Rückkehr in den elterlichen Obstbaubetrieb nahe der Riegersburg in der Steiermark selbst zu experimentieren begann. Allerdings nicht mit Trauben, wie sich das für einen Balsamico traditionell gehört. Sondern – mit Äpfeln. Das sei in der Welt des traditionellen Balsamico praktisch einem Sündenfall gleichgekommen, erinnert sich Gölles im Gespräch mit uns. Rückblickend wohl eine lässliche Sünde. Denn auf Anhieb gelang ihm 1984, vor genau 40 Jahren, eine Besonderheit unter Essigen im Premium-Segment, und eine österreichische Erfindung sozusagen.
Schlechtes Gewissen
Heute sind dickflüssige Balsamessige aus verschiedenen Obstsorten längst keine Seltenheit mehr. In der mittlerweile gut bekannten Brennerei und Essigmanufaktur produziert Gölles mit seinem Sohn mittlerweile mehr als ein Dutzend verschiedener Essige, darunter auch Balsamessige, neben Äpfeln etwa aus Birnen.
Die Vorstellung, dass Alois Gölles anfangs "fast ein schlechtes Gewissen“ ob seiner Kreation hatte, ist kaum mehr vorstellbar. "Wir haben uns gesagt: Original ist es nicht, aber es schmeckt gut.“ Und: "Weil wir Obstbauern sind, haben wir 'Apfel' groß und 'Balsam' klein auf die Flaschen geschrieben." Wobei er betont: "Das Wort Balsamessig gab es gar nicht, das hat damals keiner in den Mund genommen.“
Den Essig selbst offenbar auch nicht. "Anfangs war unser Produkt unverkäuflich. Wir haben ihn durch unsere zunehmenden Schnapsverkäufe sozusagen subventioniert." Abbringen ließ sich Alois Gölles dennoch nicht von seiner Faszination, jedes Jahr wurden neue Fässer zur mehrjährigen Reife angelegt. Erst eine prominent besetzte Balsamico-Verkostung in den 1990er-Jahren, in die auch der Gölles-Balsamessig eingeschleust wurde, brachte einen Bekanntheitsschub: "Plötzlich wurde darüber geschrieben, auch positiv. Und die Leute kamen drauf, dass er auch gut zum Kochen geeignet ist."
Komplexer Prozess
Dass mehr als die Reifezeit zum vollmundigen Fruchtgeschmack dieser Würzmittel gehört, zeigt sich auch daran, dass erst nach 15 Jahren ein weiterer Apfel Balsamessig auf den Markt kam. Der erste wesentliche Schritt ist, wie auch beim traditionellen italienischen Balsamico, das Einkochen der Früchte.
So wie sonst der Wein wird auch der Apfelsaft – ein Sortenmix aus dem Gölles’schen Anbau – dickflüssig eingekocht. Durch Karamellisierung und Oxidierung verfärbt sich die Flüssigkeit dunkel, den Grad der Malzigkeit regelt die Kochzeit. Dass man die "geballte Ladung Frucht" herausschmeckt, dafür ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren verantwortlich.
Wesentlich ist etwa auch die Länge der Lagerung. "Wenn der Balsamessig noch frisch ist, ist seine Säure sehr nahe am echten Essig, man schmeckt das Nebeneinander von Süße und Säure noch deutlich", erklärt Gölles. Derzeit lagert der Apfel Balsamessig zehn Jahre in den Kellern der Manufaktur. "Nach dieser Zeit ist er eine Harmonie in sich. Man kann Süße und Säure nicht mehr herausschmecken."
Seine Techniken verfeinerte der Essighersteller im Lauf der Jahre. Von den ersten Jahrgängen aus den 1980er-Jahren sind zum Teil noch Restbestände in Originalflaschen vorhanden. "Damals gab es noch Geschmacksunterschiede in den einzelnen Jahrgängen." Nur zwei Jahrgänge, 1986 und 1989, seien gänzlich misslungen. Seit den 1990er-Jahren ist der Geschmack kontinuierlich gleich.
Extra alter Essig
Das Experimentieren kann Alois Gölles aber auch nach 40 Jahren nicht ganz lassen. Sein Hobby ist extraalter Apfel Balsamessig. Dafür lässt er kleinere Mengen seiner Zehnjährigen etwa 15 Jahre weiterreifen. Er füllt sie in spezielle Fassbatterien mit unterschiedlich großen Fässern. Und hier schließt sich der Kreis, denn das erinnert wiederum an die traditionelle Herstellung des Aceto Balsamico. Wie sie Alois Gölles vor mehr als 40 Jahren in Italien kennenlernte.
Rezept: Rinderfiletsteak mit Apfel-Balsam-Butter
Vorbereitung: 10 min
Zubereitung: 50 min
Portionen: 4
Zutaten:
4 Stk. Rinderfilet, á 250 g
Salz
Öl
schwarzer Pfeffer
Für die Balsambutter:
50 ml Apfel Balsamessig
30 g kalte Butter
Thymian
1 / Die Filetstücke auf Zimmertemperatur bringen, salzen und in einer heißen Pfanne mit etwas Öl rundherum scharf anbraten. Anschließend auf einen Gitterrost legen und im Backrohr bei 50 °C Umluft für 40 Min. rasten lassen
Aus dem Rohr nehmen und die Temperatur auf 200 °C hochdrehen. Sobald der Ofen heiß ist, die Steaks erneut für 2 Min. (medium-rare), 4 Min. (medium) oder 6 Min. (medium-well) garen. Wenn die Steaks aus dem Ofen kommen, nochmals in der Pfanne kurz scharf anbraten und auf einen Teller setzen, dann erst pfeffern
Für die Apfel-Balsam-Butter den Bratenrückstand mit Apfel Balsamessig ablöschen, etwas reduzieren lassen, vom Herd nehmen, kalte Butter einrühren, mit etwas Thymian verfeinern.
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