Simon Schwarz: „Ich führe eine Schwarze Liste“

Welche Debatte der Schauspieler („Guglhupfgeschwader“) als Angriff auf seinen Beruf sieht, über Männerfreundschaften, Demütigungen und MeToo in der österreichischen Filmszene.

Im Dorf Niederkaltenkirchen in Niederbayern ist wieder ordentlich was los: Das Lotto-Geschäft wird mitsamt Inhaberin in Brand gesetzt, die Glücksspiel-Mafia zerschießt der Oma die Guglhupfe, Franz muss zur Paartherapie und Rudi hat eine neue Freundin. Die Fans der Rita-Falk-Krimis kommen auch in „Guglhupfgeschwader“, der achten Verfilmung, in der Dorfpolizist Franz Eberhofer und Rudi Birkenberger ermitteln, auf ihre Kosten. Den Rudi gibt kongenial erneut der Österreicher Simon Schwarz, mit seinem hellwachen Spiel kann er sowohl Komödie wie Tragödie, gehört zu den erfolgreichsten Schauspielern des Landes. Beim Interview ist er entspannt, gut gelaunt, nebenbei hilft er sogar seiner kleinen Tochter beim Anziehen.

Herr Schwarz, als Buddy-Komödie funktioniert auch Ihr achter Auftritt mit Sebastian Bezzel perfekt. Was macht eine echte Männerfreundschaft denn aus?

Man macht sich keine Vorwürfe, auch wenn man länger nicht voneinander gehört hat. Ich habe zwei große Männerfreundschaften in meinem Leben, Sebastian ist zweifellos eine davon. Wir setzen immer an, wo wir zuletzt aufgehört haben, selbst wenn wir uns zwei Monate nicht gesehen haben. Wir haben eine ähnliche Denke, obwohl wir sehr unterschiedlich sind.

Ist unter Männern nicht oft eine Kumpelei zu beobachten, und was einen bewegt, wird eigentlich nicht thematisiert?

Ich rede in meinen Männerfreundschaften schon darüber, was wirklich wichtig ist. Es geht sogar darüber hinaus: Man gönnt sich gegenseitig wirklich alles. Das ist ein großer Schritt. Auch, dass man akzeptiert, wenn der Freund anders über eine Sache denkt. Man wirft sich nichts vor. Die Zeit, die man zusammen verbringt ist wichtiger, die Freundschaft wertvoller. Das unterscheidet sie wohl auch von Freundschaften unter Frauen. Mein Eindruck ist, die Emotionalität der eigenen Bedürfnisse steht da stärker im Vordergrund.

Ein gewisser Starrsinn, eine entschleunigte Lebenseinstellung und wenn’s mal Kummer gibt, hilft Bier: Der porträtierte Bayern-Kosmos im Film ist ein glücklicher. Was ist Ihr Glücksrezept?

Ich habe kein Glücksrezept. Ich bin immer noch auf der Suche. Dazu bin ich viel zu sehr Österreicher und vor allem klassischer Wiener, womit ich von einem Glücksrezept weit entfernt bin.

Würde ein Lottosechser, wie im Film, helfen beim Glücklichsein?

Ich habe drei Kinder. Zwei davon studieren. Wenn man sich ansieht, was WG-Zimmer heutzutage kosten, wäre das tatsächlich ein großes Glück.

Früher träumten Sie von einem Bauernhaus mit Alpakas davor.

Alpakas sind mittlerweile nicht mehr zwingend. Ein Bauernhaus wäre aber schön.

Wie sieht es damit aus?

Schlecht. Sehr schlecht. Ich warte mal, bis die Immobilienpreise wieder nach unten gehen. Wenn das denn je passiert.

Auch Ruhm soll glücklich machen. Etwas, das Sie der Nachwelt hinterlassen.

Es gibt da so etwas Ähnliches: den Franz-Eberhofer-Kreisel in Niederbayern. Ein Kreisverkehr, auf dem eine Art Denkmal von Sebastian und mir steht, ein Ding aus drei Zentimeter dickem Stahl, gut drei Meter hoch. Inzwischen haben sie dort einen Parkplatz dazugebaut, weil so viele Besucher kommen. Ich habe das selbst erlebt, einmal kam ein Reisebus aus dem Allgäu an, eine ganze Musikkapelle. Drei Mal war ich beim Kreisel, jedes Mal kommt es fast zu einem Verkehrschaos, weil die Leute im Kreisverkehr stehen bleiben, um schnell ein Bild zu machen. (lacht) Mir persönlich würde gefallen, wenn man die erste Rad-Autobahn durch Wien nach mir benennen würde. Das fände ich sehr nachhaltig, und meine ungeborenen Enkel wären stolz auf mich.

Demütigungen gehören zu diesem Beruf, warum auch immer. Das wird einem schon in der Ausbildung beigebracht: Du wirst gedemütigt, nimm es hin.

Sie sind einer der meistbeschäftigten Schauspieler im deutschsprachigen Raum. Ausgebildet wurden Sie allerdings als Balletttänzer. Was war der Plan?

Es steckte nicht wirklich ein Plan dahinter. Als ich ein Kind war, hat man ständig etwas gesucht, worin ich meinen Bewegungsdrang ausleben könne, so kam man auf den Tanz. Heute würde man sagen, ich litt unter ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Anm.), damals war man einfach ein Fratz, ein Problemkind, das sich nicht benehmen konnte. Dabei hat es ungeahnte Vorteile ADHSler zu sein, sie sind oft extrem kreativ, haben eine starke Vorstellungskraft, können viel schaffen, wenn sie wissen, wie man damit umgeht. Aber sonst habe ich nicht wirklich Bezug zum Tanz.

Als Schauspieler sind Sie im richtigen Beruf angekommen?

Ja, wobei ich die aktuelle Diskussion, ob jemand eine Rolle mit bestimmten Merkmalen nur spielen darf, wenn er ihre Merkmale tatsächlich aufweist, fatal finde.

Sie sprechen von der Identitäts- und Inklusionsdebatte.

Ich sehe das als unfassbare Beschneidung meiner künstlerischen Freiheit und als Angriff auf den eigentlichen Sinn des Berufes. Denn der besteht für mich nicht darin, auf einer Bühne zu stehen oder in der Öffentlichkeit, ganz im Gegenteil. Ich habe überhaupt kein Interesse daran, vor Publikum zu stehen. Der Grund, warum ich Schauspieler bin, ist: Ich möchte nicht ich sein. Sondern jemand anderer. Das ist meine Motivation und mein Beruf. Und das ist auch eine Sucht.

Zur Person

Zur Person

Simon Schwarz wurde 1971 in Wien geboren. Er wurde in Wien und Zürich in Ballett und zeitgenössischem Tanz ausgebildet. Bekannt geworden durch „Die Siebtelbauern“, seit 2000 in den Brenner-Filmen mit Josef Hader, seit 2013 in den Eberhofer-Krimis. Liiert mit Regisseurin Alexandra Makarová (eine Tochter), zwei weitere Kinder.

Derzeit werden Fälle von Missbrauch in der österreichischen Filmszene gesammelt. Sind Sie je Zeuge davon geworden?

Ja. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand so etwas nie mitbekommen hat; es gibt noch viel mehr Vorfälle als jene, die jetzt hochkochen. Die Schauspielerei ist naturgemäß sehr anfällig dafür.

Wie meinen Sie das?

Demütigungen gehören zu diesem Beruf dazu, warum auch immer. Das wird einem schon in der Ausbildung beigebracht: Schauspielerei ist ständige Demütigung; du wirst gedemütigt werden, das gehört so, also nimm das hin. Aber das stellt selbstverständlich keinen Freifahrtsschein für Machtmissbrauch dar. Ich glaube auch, je höher wir in die Hochkultur gehen und je näher wir den angeblich großen Künstlern kommen, desto schlimmer ist die Lage diesbezüglich.

Ich lese Interviews zum Thema MeToo mit Leuten, die dazu lieber schweigen sollten, weil sie selbst nicht ganz sauber sind. Das finde ich schwierig.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie Machtmissbrauch beobachten?

Es gibt Regisseure, mit denen ich aus Gründen des Machtmissbrauchs, der am Set stattgefunden hat, nicht mehr arbeite. Ich führe auch eine Schwarze Liste, die ich vertraulich meiner Agentur übermittle, um Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Möchte einer dieser Regisseure sie engagieren, macht meine Agentur sie auf meine Erfahrungen aufmerksam und sie können mich anrufen und erfahren, was vorgefallen ist.

War es hoch an der Zeit, dass die MeToo-Debatte den heimischen Film erreicht?

Zeit ist es schon seit Jahren, überfällig ist es definitiv, dass das Thema auf den Tisch kommt. Schwierig finde ich unüberlegte, aus der Hüfte geschossene Kommentare dazu in den Sozialen Medien. Und dass ich Interviews zu dem Thema mit Leuten lese, die dazu lieber schweigen sollten, weil sie selbst nicht ganz sauber sind. Und noch etwas: Letztlich sind es die größten Sender in Österreich, die diesen Leuten immer noch die Regie übertragen. Große Institutionen agieren da manchmal sehr verlogen. Alles ist sehr miteinander verflochten. Und dadurch sehr kompliziert.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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