Darum liegt das Rudern auf der Alten Donau in Wien im Trend

Der Sport lässt den Körper Muskeln aufbauen und viele Kalorien verbrennen. Doch so einfach ist das Rudern nicht. Zu Besuch beim traditionsreichen Ruderclub LIA, dem ältesten Sportverein Österreichs.

und Daniel Voglhuber

Ohne Autorität kein Rudern. Das stellt Thomas Drucker klar, bevor das Boot ins Wasser kommt. „Es braucht immer einen Demokrator“, sagt der Trainer beim Ersten Wiener Ruderclub LIA. "Einen, der den anderen erklärt, was Demokratie ist." Soll heißen, aus der Reihe tanzen geht in mehrsitzigen Booten nicht.

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Aber es ist nicht so, dass es beim Sport am Wasser wie am Hof einer Kaserne zugeht. "Du musst den Griff wie einen Vogel halten", geht er auch lieblicher an die Erklärung heran, wie das Ruder zu halten ist, damit sich Erfolg einstellt. "Niemals so fest, dass man ihn erdrückt. Aber auch nicht so sanft, dass er wegfliegt." Egal, ob freiheitsliebendes Tier oder Holzstecken – so einfach wie es klingt, soll das nicht werden.

Raus aus dem Haus,  rauf aufs Boot. Rudern ist Mannschafts- und Einzelsport 

©Kurier/Martin Winkler

Genug erklärt, das schwere Anfängerboot muss ins Wasser. "Mannschaft ans Boot, hebt auf!", heißt es in so einem Fall. Das graue Holzhaus rückt in den Hintergrund, das grüne Wasser der Alten Donau näher. Nach dem für Anfänger wackeligen Einstieg braucht es "Ausdauer, Kraft, Technik und Gefühl", sagt LIA-Präsident und Instruktor Matthias Schreiner.

LIA-Präsident Matthias Schreiner im Bootshaus: Er rudert seit seiner Jugend     

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Er steht dem ältesten Sportverein Österreichs vor, den es seit 150 Jahren ohne Unterbrechung gibt. Dieser ist einer von acht Ruderklubs an der Alten Donau in Wien. Anders als noch vor einigen Jahrzehnten muss sich Schreiner keine Sorgen um den Nachwuchs machen. Rudern ist in. Das mag daran liegen, das fast jeder Muskel trainiert und der Körper gestählt wird. Dazu ist der Kalorienverbrauch hoch.

Viele aktive Muskeln, viel Hunger

"Ruderer sind legendäre Vielfresser." Da könne es schon einmal passieren, dass bei Regatten zu wenig auf den Tisch kommt. "Wir waren einmal 80 Personen und hatten nie genug. Der Koch sagte verzweifelt, er koche doch ohnehin schon für 150."

Und gut fürs Hirn ist das Rudern außerdem. "Man muss an 100 Sachen gleichzeitig denken und immer konzentriert sein."

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Ist im Boot die richtige Position gefunden, kommt es auf die Handstellung am Ruder an. Linke Hand über der rechten, die Daumen ans Ende der Griffe und die Ruder bis zum Anschlag in die Dolle, die Rudergabel, drücken und aufrecht sitzen. In der Zwischenzeit flitzen die Könner auf dem glatten Wasser beim Gänsehäufel vorbei. Sie gleiten dahin, es sieht alles so einfach aus. "Man muss seine Kraft gekonnt einsetzen", erklärt Schreiner das Um und Auf. Wie lange dauert es, bis „gekonnt“ gekonnt ist? Ohne zu überlegen schleudert der Präsident entgegen: "30 Jahre." Er lacht zumindest. Aber es brauche wirklich eine Weile. "Die wirklich guten Ruderer sind mindestens schon in ihren Zwanzigern."

Hobbymäßig betrieben, gibt es bei diesem Sport auch kein Alterslimit nach oben. Blutige Anfänger beginnen aber schon, sich nach wenigen Schlägen etwas älter zu fühlen. Wenn das Ruderblatt nicht 90 Grad im Wasser steht, die Hände zu nahe aneinanderliegen und man mit dem Rhythmus der vorderen Person nicht mitkann, geht nur ganz wenig weiter. Das Vereinsbootshaus am Ufer ist noch immer in Sichtweite.

Die Klubräume in der Arminenstraße im 22. Bezirk lassen unschwer erkennen, dass hier ein Ruderklub residiert. Selbst der Luster ist ein altes Boot. An den Holzwänden hängen historische Bilder und Ruderleiberl hinter Glas. Die Textilien sind rot-weiß gestreift. "Ein klassisches Ruderleiberl", sagt der Präsident.

Hier ist man stolz auf die Tradition

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Zunächst waren sie blau. Doch das war einst die Farbe der K.-u.-k.-Marine und somit tabu. Daher mussten die Farben der Stadt Wien ran. Pokale gibt es zuhauf. Man ist stolz auf Tradition und sportliche Leistungen: 233 Österreichische Staatsmeistertitel, 364 Österreichische Meistertitel und 43 Medaillen bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und dergleichen errangen die Mitglieder schon.

Auf einem Flipchart hat jemand das Hebelgesetz, das beim Rudern wirkt, veranschaulicht. "Es ist vernünftig, wenn die Trainer das gut wissen." Physikalisches Verständnis schadet zwar nicht, aber es ist keine Grundvoraussetzung.

Vom Nachdenken über Physik kann am Wasser noch keine Rede sein. Aber schön langsam scheint es gut zu laufen wenige Meter vom Gänsehäufel entfernt. Platsch. Ein Ruder plumpst ins Wasser. Das Boot kommt fast zum Stehen. Von hinten die Stimme des Präsidenten: "Ja, das ist so, wenn man zu viel will und in der Bewegung zu schnell wird.“ Neuer Versuch. „Von Anfang an. Konzentration."

Wieder fühlt es sich schnell an. Ein bisschen wie Gleiten. Ein Blick nach links bringt die Ernüchterung. Ein aufblasbares Kanu mit Familie ist genauso schnell. Oder schneller?

Damit die Ruderer Platz haben, starten sie in aller Herrgottsfrüh in den Tag. Ab halb sechs geht’s los. Ihre Herausforderung: Sie sitzen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Schwimmer können in Gefahr kommen,

E-Boote zur Gefahr werden. "Wenn kleine Kinder lenken und Erwachsene aufs Handy schauen, da gilt kein Vertrauensgrundsatz mehr", sagt Schreiner.

Ruderkommando in Wien

Nach zwei Kilometern Strecke reicht es für heute. Das Boot wird herausgenommen, geschultert und kommt zurück zum Haus. Präsident Schreiner gibt ein letztes Wien-typisches Ruderkommando, das beim Queren der Straße an der Alten Donau gilt: "Achtung, Radfahrerblick." Pro Ruderschlag sind es übrigens bis zu 100 Kilo Zugkraft. Und die machen sich im Nachhinein ganz schön bemerkbar. Der Sport bewegt sich zwischen Ausdauer und Sprint. "Während einer Rennsituation ist er mit einem 3.000-Meter-Lauf oder einem sieben- bis achtminütigen Eisschnelllauf zu vergleichen", erklärt der Präsident. Jedenfalls geschafft.

Daniel Voglhuber und Katharina Salzer beim freizeit-Selbstversuch

©Kurier/Martin Winkler

Oder um es in Ruderer-Sprache nach einem Wettkampf zu sagen: Hipp, hipp, hurra.

Wussten Sie, dass ... ?

..  ein Achter bei einem Rennen  bis zu 25 km/h schnell fährt? Bei einem Einsitzer sind es ca. 12 km/h.

... dass man dabei eine Zugkraft von bis zu 100 Kilogramm zusammenbringt – bzw. bis zu 550 Watt pro Schlag. Nach einem Rennen über 2.000 Meter macht das pro Ruderer 23.000 kg.

... 85 Prozent der Körpermuskulatur beansprucht wird?

... die  Elite-Universitäten Oxford und Cambridge seit 1829 gegeneinander antreten?

... Frauen erst seit 1976 bei den Regatten der Olympischen Spielen starten?

... der britisch-schweizerische Seniorensportler Charles Eugster ( † 2017) der erste 90-Jährige war, der jemals an einer Ruder-WM – 2009 in Wien – teilnahm?

...  Ruderer bei einem 2.000-Meter-Rennen 210 bis 240 Schläge absolvieren?

...  ein Ruderer höchstens 72,5 Kilogramm wiegen darf, wenn er bei der Leichtgewichtsklasse an den Start geht? Bei Frauen sind es 59 Kilogramm.

... bei der Regatta Vogalonga in Venedig heuer 1990 Boote teilnahmen, die alle mit Muskelkraft betrieben werden?   

Katharina Salzer

Über Katharina Salzer

Katharina Salzer begann 1999 im KURIER und war viele Jahre für die Chronik in Niederösterreich unterwegs. Sie war stellvertretende Chronik-Ressortleiterin, bis sie 2019 in das Sonntags-Ressort wechselte.

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