Roy Lichtenstein: Whaam! Pop Art

Roy Lichtenstein: Der König der Pop Art wäre 100 Jahre alt

Er war fast 40 Jahre alt und erfolglos. Dann hatte Roy Lichtenstein die Idee, Comics abzumalen. Doch in den Sechzigern gefiel sein Werk nicht allen.

"Ist er der schlechteste Maler aller Zeiten?“, fragte die US-amerikanische Illustrierte „Life“ 1964.

Was für eine Frage! Vor allem, weil eine Menge New Yorker Galerien kurz darauf seine Bilder, die sich an Comics oder Kaugummi-Packungen orientierten, ausstellen wollten. Und wenig später galt Roy Lichtenstein, der am 23. Oktober 100 Jahre alt geworden wäre, als einer der bekanntesten Künstler der Welt. Dicke Linien, auffällige Farben, Punktierungen und das Fehlen von Tiefe wurden zu seinen Markenzeichen.

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Aber er wusste es ohnehin besser – schon zwei Jahre vor den Banausen des Magazins. 1962 schuf er das Bild mit dem bezeichnenden Namen „Masterpiece“. Die Sprechblase einer schönen blonden Frau verkündet einem ernst schauenden Mann: „Was für ein Meisterwerk, Brad Darling, bald wird ganz New York nach deinen Bildern schreien.“ Wie Recht Lichtenstein doch behalten sollte. Da war er schon fast 40 Jahre alt.

Roy Fox Lichtenstein (1923-1997) war neben Andy Warhol der Pop-Art-Star.

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Er hatte ein Kunststudium absolviert, geometrische, von Kubisten inspirierte Bilder gemalt, eine Assistenzprofessur an der Uni. Aber so recht wollte sich der Erfolg nicht einstellen. Doch dann kam – noch vor Brad und der blonden Frau – Micky Maus. Und Donald Duck oder Bugs Bunny. Er begann, Comic-Figuren zu schaffen. Eher als Verzweiflungstat. Wie er einmal sagte, war neben berühmten abstrakten Malern seiner Zeit „einfach keine Nische mehr frei“.

Micky Maus und Donald beim Angeln

Wirklich revolutionär wurde es, als er industrielle Drucktechniken imitierte und Sprechblasen auf Bilder setzte. Mit der Arbeit „Look Mickey“, auf der ein begeisterter Donald Duck der Maus beim Angeln einen kapitalen Fang ankündigt, schaffte er es 1961 erstmals, wirklich auf sich aufmerksam zu machen. „Zwanzig Jahre zuvor hatte Micky Maus im Disney-Film ,Fantasia’ am Frackzipfel Leopold Stokowskis gezogen und dem Dirigenten mit einem Handschlag gratuliert“, schrieb die FAZ einmal. „Lichtenstein ging mit seinem Bild noch einen Schritt weiter: Das Triviale wurde auf die Ebene der hohen Kunst gehoben.“

Mit „Look Mickey“ sorgte Lichtenstein 1961 – auf den Vierziger zugehend – erstmals für Furore  

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Zur selben Zeit lernte Andy Warhol, ebenfalls ein großer Micky-Verehrer, das Werk Lichtensteins 1961 bei einer Ausstellung in der Leo Castelli Gallery in New York kennen. Der Galeriedirektor holte das Bild eines Mädchens mit Badeanzug aus simplen Stricken und Farbflächen wie aus Comics und Werbung hervor. „Die reine Provokation, finden Sie das nicht auch?“, fragte der Galerist in seiner Unschuld. Warhol hingegen war dann doch etwas konsterniert: „Aber solche Bilder male ich auch.“

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Auch Warhol hatte bereits Motive aus Comics und kleinen Zeitungsanzeigen ausgeschnitten, abgezeichnet und ausgewählte Ausschnitte vergrößert. Die beiden waren nicht die Ersten, die Motive aus der Alltagskultur integrierten, aber dann doch die bekanntesten Vertreter und Könige der Pop Art. Sie sollen, wie es das Kunstmagazin Fahrenheit einmal formulierte, „eine sehr konkurrenzfähige Freundschaft“ gepflegt haben.

Eine Melodie, die in den Träumen wiederkehrt, wird gesungen: Der Künstler liebte das Spiel mit der Ironie 

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Weniger lieblich ging es bei den lautmalerischen Bildern „Whaam!“, „Blam“, „Fastest Gun“, „Takka Takka“, „Torpedo ... Los!“, „Ha! Ha! Ha!“ zu. Lichtenstein, der gerne auf ironische Brechungen setzte, sagte einmal über diese Werke: „Es ist kein vorrangiges Ziel meiner Kriegsbilder, militärische Aggressivität in einem absurden Licht darzustellen. Persönlich finde ich, unsere Außenpolitik ist in vieler Hinsicht barbarisch gewesen, aber das ist es nicht, worum es mir bei meiner Arbeit geht, und ich will diese weitverbreitete Position auch nicht ausschlachten. Das Thema meiner Arbeit betrifft eher unsere amerikanische Definition von Bildern und visueller Kommunikation.“

Rekord mit Picasso

Ironischerweise war es auch ein weniger comichaftes Werk, das als sein teuerstes Bild in die Geschichte eingehen sollte. Das von Picasso inspirierte kubistische „Woman with Flowered Hat“ wurde 2013 um 56,1 Millionen Dollar versteigert.

Das von Picasso inspirierte „Woman with Flowered Hat“ ist sein teuerstes Bild. Es wurde um 56,1 Millionen Dollar versteigert

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Aufsehenerregend war auch sein Art Car, das er für BMW mit markanten Linien und Punkten verzierte. Der Autokonzern ließ ab den Siebzigern einzelne Serien- und Rennfahrzeuge von Künstlern aufpeppen – und auf die Piste los. Rennpilot Hervé Poulain machte damit 1977 den Asphalt von Le Mans unsicher.

Gegen Ende seines Lebens wandte er sich an chinesische Landschaftsmalerei erinnernden Werken und der Plastik zu. Lichtenstein schuf die Skulptur „El Cap de Barcelona“ für die Olympischen Spiele 1992 in der katalanischen Metropole. Den Schalk im Nacken hatte er wohl bei der „House“-Serie. Hier schuf er Skulpturen, die durch optische Täuschungen wie ein dreidimensionales Haus aussehen.

Die Skulptur „House III“: Lichtenstein schaffte es mit einer optischen Täuschung, ein dreidimensionales Gebäude entstehen zu lassen

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Lichtenstein starb am 29. September 1997 an den Folgen einer Lungenentzündung. Der Künstler hinterließ ein beachtliches Oeuvre: Von Lichtensteins Werken sind weltweit etwa 4.500 im Umlauf. Kunst aus der Welt des Kommerzes fand oft wieder zu den Vertretern des Kommerz. Gerade in Filmen aus den Achtzigern, dem Yuppie-Jahrzehnt, haben Menschen aus der Businesswelt einen Lichtenstein an der Wand hängen. Auch die Modewelt griff seine Motive auf. Schauspielerin und Model Claudine Auger posierte schon 1967 in einem Kleid mit Lichtenstein-Print für die Vogue. Supreme, Trasher, Tom Ford, Vivienne Westwood, Moschino, Converse oder Adidas folgten.

Die Modewelt greift Roy Lichtensteins Motive gerne auf – hier Rita Ora in einer Adidas-Mappe.

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Die Albertina widmet Roy Lichtenstein ab 8. März 2024 anlässlich des 100. Geburtstages eine große Retrospektive.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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