Moritz Bleibtreu: „Ich habe kein Problem damit, ein Mann zu sein“

Wie läuft seine Ehe? Was hält er vom Kampfbegriff „Alter weißer Mann“? Was ist in Beziehungen der größte Unfug? Moritz Bleibtreu im Interview.

Er ist einer jener Schauspieler, die das Publikum so ziemlich uneingeschränkt sympathisch findet: Moritz Bleibtreu, immer ein wenig zerknautscht, meistens unangepasst, rotzig und knuddelig zugleich.

Seine Karriere ins Laufen brachte in den Neunzigerjahren sein Auftritt in der Til-Schweiger-Komödie „Knockin’ On Heaven’s Door“, als leicht reizbarer Gangster Abdul: „Soll isch dir dein Hirrn pusten, oder was?“ Über den deutschsprachigen Raum hinaus bekannt machte ihn seine Rolle als Kleinganove im Klassiker „Lola rennt“. Seitdem hat Bleibtreu so ziemlich alles gedreht, Komödien, Thriller, Liebesfilme. Und erntet mit seiner unverkrampften Art stets Beifall.

Jetzt kommt der 51-Jährige mit der Theaterverfilmung „Caveman“ ins Kino. Darin tauscht ein Ehemann in Beziehungsnöten seine Alltagsprobleme mit seinem Alter Ego in Form eines imaginären Höhlenmenschen aus. Von seiner Frau verlassen präsentiert der Comedian seinem Publikum dann die daraus gefolgerten Erkenntnisse über das Zusammenleben zwischen Mann und Frau. Und erklärt, dass der moderne Mann gescheitert sei. Was mitunter witzig ist, aber in seiner Mario-Barth-Thematik auch etwas aus der Zeit gefallen.

Zum Interview erreichen wir Moritz Bleibtreu in Hamburg am Telefon. Und reden mit ihm über Karriere, Liebe, Freundschaft und Ehe.

Jede Frau erwartet, dass ihr Mann ihren Vorstellungen entspricht, jeder Mann stellt diese Anforderung an seine Frau. Ist das der Grund, warum immer alles so kompliziert ist mit der Liebe?

Das würde ich durchaus so sehen. Auf jeden Fall ist es eines der größten Probleme, die in Beziehungen auftreten können, wenn ein Mensch versucht, den anderen seinen Wünschen entsprechend zu verändern und in puncto Charakter und Verhalten dazu zu bringen, ein anderer zu werden, als er bislang war.

Eine der Hauptfragen in „Caveman“ lautet: Machen Frauen Männer fertig mit Gefühlen? Wie ist Ihre Meinung dazu?

Manchmal beobachte ich so ein Verhalten in meinem Umfeld und ahne, dass diese Klischees durchaus zutreffen. Aber ich selbst kann damit nichts anfangen, ich bin da individueller unterwegs. Grundsätzlich bin ich kein Freund dieser klassischen Zuschreibungen, wie Mann und Frau ticken.

„Caveman“ ist einer der größten Bühnenerfolge in der Geschichte des Broadways. Wie erklären Sie sich den lang anhaltenden Erfolg des Stücks?

Männer und Frauen und ihre Probleme miteinander, das wird – etwa in der Stand-up-Comedy – immer behandelt werden. Das Thema ist nicht totzukriegen, wie die Liebe selbst auch nicht totzukriegen ist. Und immer findet jemand eine neue Sicht auf die Zusammenhänge, mit der die Leute sich identifizieren können. Trotzdem gelingt dem Film etwas Besonderes.

Und das wäre?

Auf die Erkenntnis zu verweisen, dass Frauen sich in der Geschichte stets weiterbilden und verbessern mussten, um in einer Gesellschaft zu bestehen. Frauen mussten von Anbeginn an um ihren Platz kämpfen. Es ist wichtig, sich diesen Umstand vor Augen zu führen, wenn wir die Interaktionen zwischen Mann und Frau beurteilen. Und im Moment verändert sich in dieser Hinsicht ja ungemein viel.

Was halten Sie vom Begriff „alter weißer Mann“, der derzeit in aller Munde ist?

Das ist ein Schimpfwort, das sich aus drei Begriffen, die eigentlich wertfrei sind, zusammensetzt. Das allein ist ja schon irgendwie doof, oder? „Alt“ ist für sich genommen nix Schlimmes. „Weiß“ auch nicht, und „Mann“ ebenfalls nicht. Trotzdem ergibt alles zusammen eine Verunglimpfung.

Ist die Bezeichnung nur Beschimpfung, oder macht sie auch Sinn?

Es geht um Chancengleichheit, und wenn Beweglichkeit in dieses Thema kommt, sich gesellschaftlich etwas verändert und die Strukturen hinterfragt werden, finde ich das unheimlich gut. Gleichzeitig hüte ich mich vor Ideologien. Wenn Anliegen einen ideologischen Unterbau bekommen und es immer weniger um die eigentliche Idee geht, dann wird’s schwierig. Da bin ich ganz schnell wieder raus.

Aus der Befürchtung heraus, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.

Das bringen Ideologien so mit sich. Ideen werden als richtig oder schlichtweg falsch definiert. Und das animiert natürlich dazu, dem anderen nicht mehr zuzuhören. Das ist gefährlich. Dem stehe ich kritisch gegenüber.

Moritz Bleibtreu

Moritz Bleibtreu

wurde 1971 in München geboren, Eltern: die österreichischen Schauspieler Monica Bleibtreu und Hans Brenner. Bekannt seit 1997 durch „Knockin’ on Heaven’s Door“, Erfolg mit „Lola rennt“, weiters u. a. „Lammbock“, „Elementarteilchen“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Soul Kitchen“, „Blackout“.

Welche Ansprüche sollte man als moderner Mann erfüllen, was kann man richtig machen?

Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Ich habe kein Problem damit, ein Mann zu sein. Ich hatte niemals eins, und ich hab auch in der Zukunft keine Angst davor, ein Mann zu sein. Das Allerwichtigste ist, dass man mit Respekt, Aufrichtigkeit und Liebe durchs Leben geht. Der Rest ergibt sich von allein.

Hatten Sie beim Drehen des Films keine Bedenken, dass die Komik-Klischees von den Unterschieden der Geschlechter schon ziemlich angegraut sind?

Das kann man sicherlich so sehen. Gleichzeitig zählt der Film zu jenen Geschichten, die man immer wieder erzählen kann. Wählt man dann noch eine kreative Art, sich dem Thema anzunähern, läuft man nicht Gefahr, unmodern zu sein. Ich mache mir diesbezüglich keine Sorgen. Und uns hat es wahnsinnig Spaß gemacht, das zu spielen. Wenn man uns auch gern dabei zusieht, dann ist der Abend gerettet.

Was bereitet Ihnen größere Freude zu spielen bzw. was empfinden Sie als größere Herausforderung: komödiantische Filme oder Tragödien?

Schwierig zu beantworten. Beide Fächer sind in der Art zu arbeiten völlig unterschiedlich. Ich hatte in meiner Rollenauswahl stets „lustige“ und weniger lustige Phasen. Momentan ist sicher eine lustige Phase. Seit zwei Jahren macht mir Comedy unheimlich großen Spaß. Ich empfinde es als äußerst angenehm, wenn meine Arbeit vor allem darauf ausgerichtet ist, Leuten ein Lachen ins Gesicht zu zaubern und gute Laune zu verbreiten. Das hat sicher auch mit der Zeit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg zu tun. Es gibt einen Bedarf an guter Laune.

Liebe kann nie Arbeit sein. Liebe ist Liebe. Mit Arbeit hat das nix zu tun.

Das Fach Komödie ist meist weniger angesehen als das Hochdramatische. Dafür wird man vielleicht mehr geliebt.

Ich bin als Theaterkind groß geworden (beide Eltern waren Schauspieler, Anm.). In dieser Zeit waren Popularität, Ruhm oder Geld in den Kreisen angesehener Theaterschauspieler eher hinderlich. Das war nichts, wonach man gestrebt hat. Dennoch war ich in meiner Jugend schon jemand, der instinktiv stets von den großen Komikern inspiriert war.

Zum Beispiel?

Meine großen Helden waren Adriano Celentano, Louis de Funès, Jerry Lewis oder die großen Stummfilmkomiker wie Buster Keaton oder Harold Lloyd. Dazu kamen Leute wie Belmondo, der es geschafft hat, Charme in die Comedy zu bringen. Warum ich mich so in Komödien verliebt habe, war sicher auch eine Reaktion auf die ernste Theaterwelt, die ich durch meine Mutter kannte. Von klein auf wollte ich eigentlich vor allem ein lustiger Schauspieler sein. Erst im Laufe meiner Ausbildung habe ich dann gemerkt, Drama ist schon auch toll.

Haben Sie sich mit Ihrem Beruf eigentlich einen Traum verwirklicht?

Oh, weitaus mehr. Was ich als Schauspieler machen durfte, hat meine Erwartungen und Träume in allem überstiegen. In meiner Kindheit und Jugend hätte ich nie davon zu träumen gewagt, so eine Karriere zu machen. Ich habe bei weitem viel mehr geschenkt bekommen, als ich mir gewünscht habe.

Bleibtreu mit Wotan Wilke Möhring und Jürgen Vogel (Mi.) in "Caveman": "Wenn man mich je nach einem Vorbild fragt, dann war das sicherlich Jürgen Vogel"

©Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk
In „Caveman“ haben Sie einige schöne Szenen mit Jürgen Vogel. Mit ihm haben Sie schon viel gedreht. Verbindet Sie eine besondere Freundschaft mit ihm?

Auf jeden Fall. Unter den Schauspielern gehört er zu meinen engeren Freunden. Er hat auch eine besondere Bedeutung für den Anfang meiner Karriere. Ich war zu jener Zeit in Hamburg am Schauspielhaus und dachte über eine Karriere beim Film nach. Dort traf ich ihn, später sah ich ihn im Film „Kleine Haie“. Seinen Auftritt darin fand ich revolutionär. Wie abgerotzt und authentisch er gespielt hat: Der hat Sätze nicht betont, der hat sie einfach gesagt, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Es war aufrichtig und zugleich lustig. Das war das erste Mal, dass ich jemanden so spielen gesehen habe. Ich dachte, boah, das ist krass. Wenn man so auftreten kann, habe ich ab jetzt ein Ziel. Also wenn man mich je nach einem Vorbild fragt, dann war das sicherlich Jürgen Vogel.

Wenig später haben Sie mit ihm gedreht.

Wir hatten eine kurze Szene zusammen. Danach meinte ich, jetzt habe ich eigentlich alles erreicht und kann aufhören. Seitdem kennen und mögen wir uns.

Verheiratet seit 2022: Bleibtreu und Saskia de Tschaschell. Sohn David, 14, ist aus einer vorigen Beziehung

©Agency People Image/API (c) Michael Tinnefeld
Beim Film geht es um die Szenen einer Ehe. Sie haben dieses Jahr geheiratet. Wie geht es Ihnen mit dem Verheiratetsein?

Es ist auf jeden Fall wunderschön. Ich fühle mich sehr gut damit. Und es ist vor allem deshalb toll, weil man sein Zusammensein vor Zeugen ablegt, die man selber lieb hat. Dadurch entsteht ein besonderes Band. Jene 150 Leute, die an diesem Abend dabei waren, sind jetzt für immer Teil unserer Geschichte. Meine Mutter hatte mir das immer schon prophezeit, ich wollte ja eigentlich nie heiraten. Jetzt bin ich glücklich darüber, dass ich es getan habe. Vor anderen ja zueinander zu sagen, das erzeugt etwas in einem und ich kann es nur schwerstens empfehlen.

Viele Theorien werden filmisch witzig durchgespielt, etwa diese: Wenn ein Mann und eine Frau sich verlieben, gleichen sich ihre Hormonhaushalte zueinander an. Geht das wieder zurück, beginnen auch die Probleme. Vertreibt die Zeit die Liebe?

Ich würde gerne glauben, dass Liebe sich rein wissenschaftlich erklären lässt, es nur um den Hormonhaushalt geht und die Erhaltung der Art. Dass sich alles auf biologische Fakten reduzieren lässt. Aber ich denke, das ist Quatsch. Ich glaube, dass Liebe etwas ist, das man nicht benennen kann. Etwas, das wir nicht greifen können. Gleichzeitig ist sie, wie Goethe gesagt hat, was die Welt im Inneren zusammenhält. Ich glaube auch an keinen Ratgeber oder etwas in der Art – ich glaube einfach nur daran: Man muss Bock aufeinander haben. Man muss sich wollen, wirklich wollen. Einer der schlimmsten Sätze überhaupt ist für mich: Liebe ist Arbeit. Beziehung ist Arbeit. Das halte ich für völligen Unfug.

Warum?

Wenn manche Leute diese Einstellung glücklich macht, und sie aus dieser Arbeit heraus ein tolles Beziehungskonstrukt erwirtschaften, dann ist das natürlich eine gute Sache. Aber für meine Begriffe ist das ein Widerspruch in sich. Liebe kann nie Arbeit sein. Liebe ist Liebe. Mit Arbeit hat das nix zu tun. (lacht) Sie lässt sich nicht erklären, wir müssen sie einfach hinnehmen.

Ein schönes, manchmal auch schreckliches Rätsel sozusagen.

Das Schöne ist, es gibt kein Rezept, keine Antworten, keine Regeln. Wichtig ist nur, glaube ich, dass man es ernst meint, dass man sich zu jemandem bekennt, und dass man aufrichtig liebt. Wenn man das erfüllt, dann … erledigt das Leben den Rest.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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