Platin-Preisträgerin Erni Mangold: „Freiheit ist das Schönste“
Erni Mangold (95) erhält den höchsten Preis der KURIER ROMY: das Lebenswerk in Platin. Die Schauspielerin über ihre Rollen, Wegbegleiter, die Zeit nach dem Krieg und die 1950er-Jahre in denen beim Film "mit Geld herumgeschmissen wurde".
Im Grunde genommen geht es darum, dass man von allem die Nase voll hat.“ Erni Mangold rutscht auf dem Sessel näher zur Tischkante, wippt leicht auf und ab. Sie spricht über den Film, den sie gestern gesehen hat: Rocketman, die Verfilmung des Lebens von Elton John. „Eine so tolle Schilderung darüber, was es heißt, wenn man berühmt ist“, murmelt Mangold und senkt den Blick. „Es zeigt, wie mühevoll und unangenehm, wie schrecklich das Leben sein kann.“ Sie sei zwar nicht so weltberühmt wie er, „nur ein bisschen in Europa.“ Doch kennt auch sie die Höhenflüge, aber eben auch die Schattenseiten einer großen Karriere. Eine Karriere, für die sie nun mit dem höchsten Preis der KURIER ROMY ausgezeichnet wird.
Als sie die freizeit empfängt, trägt sie ein weißes T-Shirt mit der großflächigen Aufschrift „wild, happy + free“. Ein Slogan, der zu ihr passt. Erni Mangold kann liebreizend sein, doch auch stur. Es kann hitzig mit ihr werden, sie schlägt gerne resche Töne an, auch bei diesem Treffen. Es langweilt sie, über ihr Leben zu sprechen. Ihr größter Erfolg? „Kann ich nicht mehr sagen.“ Ihre Wegbegleiter? „Niemand.“ Ihre Lieblingsrolle? „Mir wurscht!“ Ihre Mentoren? „Na, das ist ja wohl das Letzte. Was sollte ich mit so jemandem machen?“
Wer sich über Mangold schlau macht, weiß: Schon früh stand sie auf eigenen Beinen, tat stets, was sie für richtig hielt. So reiste sie etwa während des Kriegs einmal nach Budapest, um die Frau des Volksschauspielers Hans Moser von ihm zu grüßen, die in einem Hotel versteckt war. Oder kletterte nach Kriegsende in der Schweiz auf Hausdächer, um sich dort hinzulegen und die Freiheit zu genießen. „Freiheit“, sagt sie heute, „ist das Schönste, das es gibt. Es hat mir das Leben wieder schön gemacht.“ Sie reiste nach München und kann sich noch gut erinnern an das Fahren, das Hinausschauen, an das neu gewonnene Glücksgefühl. In Wien habe sie einige Jahre lang nur vier Stunden pro Nacht geschlafen und sei nachmittags immer in der Sauna gewesen, „damit der Alkohol weggeht“, verriet sie einmal in einem Interview. Sie wäre eben nicht nur nicht ängstlich, sondern auch geschickt gewesen. Deshalb sei sie immer gut durchgekommen. „Das ganze Leben ist eine Schlacht“, sagt Erni Mangold, „das Alter hingegen ein Zustand mit dem man fertig wird, oder eben nicht.“
Geboren im Jänner 1927 in Großweikersdorf (NÖ) wuchs sie mit ihrem bürgerlichen Namen Ernestine Goldmann auf dem Land auf. Dort wollte sie bleiben, sogar Landwirtin werden. Doch ihr Vater hatte andere Pläne, zog mit ihr nach Wien, schickte sie auf die Schauspielschule. Mit ihm hatte Erni Mangold gute Zeiten, im Gegensatz zu jenen mit ihrer Mutter. Maria Goldmann habe sie als eitel in Erinnerung, und als „vom Leben enttäuscht“. Der Familie zuliebe verzichtete sie auf eine Karriere als Pianistin, den Frust darüber konnte sie aber nicht unterdrücken. „Wenn man keine gute Mutter hat, hat man ziemliche Nachteile“, sagt Mangold leise. „Eine schlechte Mutter ist das Letzte.“
Nach ihrer Ausbildung wurde Erni Mangold am Theater in der Josefstadt engagiert und sorgte als „Sexerl“ für Aufsehen, war zudem stets Zudringlichkeiten und auch Übergriffen ausgesetzt. „Die Männer waren hinter mir her, dass es ein Graus war“, schreibt sie in einem ihrer Erinnerungsbücher, sie stürzte sich zu dieser Zeit auch gerne mit Jugendfreund Helmut Qualtinger ins Wiener Nachtleben. 1956 ging sie nach Deutschland, zuerst ans Schauspielhaus Hamburg, später ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Es folgten Engagements in Deutschland, Österreich und der Schweiz – ehe sie 1981 an das Wiener Schauspielhaus geholt wurde. Sie spielte in Stücken von Goethe bis Jelinek. Neben ihrer Bühnenlaufbahn spielte sie in mehr als 100 Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter in O. W. Fischers „Hanussen“, Peter Patzaks „Kassbach“ oder Richard Linklaters „Before Sunrise“ sowie im Bühnenstück „Harold und Maude“. Als „spezieller rarer Frauentyp“ wurde Erni Mangold bei ihrer Ernennung zur Kammerschauspielerin 1999 gewürdigt, sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Nestroy-Theaterpreis, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien, den Österreichischen Filmpreis oder nun eben die KURIER-ROMY in Platin.
In ihrer Heimatgemeinde wurde die Straße zu ihrem Bauernhaus in „Prof. Erni Mangold-Weg“ umbenannt – eine Ehre, die einem eigentlich erst posthum zuteil wird. Der Bühne sagte sie mit 90 Jahren Adieu, mit den Worten „Mein Gott, so wichtig ist das Theater auch nicht und für alte Weiber gibt es sowieso keine Rollen mehr.“
Höhenflug und Absturz
Gut kann sie sich noch an die 50er-Jahre erinnern. „Da wurde so viel gedreht, da haben sich alle deppert verdient mit den größten Scheiß-Filmen“, sagt sie. „Ok, Peter Alexander ist herumgehüpft und hat gesungen. Die Themen aber waren schrecklich und oberflächlich.“ Noch immer wundert sich Mangold, woher damals das viele Geld kam. „Nach dem Krieg, irre! Es wurde mit Geld herumgeschmissen, doch dann kam das Gießkannenprinzip bei den Theatern, das ganz schlecht war. Mit 200.000 Schilling pro Theater kann man gar nichts machen.“ In Wien waren es zu dieser Zeit rund 80 Theater, jeder dachte, es schaffen zu können, die meisten aber sind pleite gegangen. Übrig blieben wenige, wie das Metropol. Es gibt keine Garantie für erfolgreiche Stücke, ist sich Mangold sicher. „Manchmal gibt es das beim Film, nicht aber beim Theater.“ Stücke wie Hermann Bahrs „Das Konzert“ seien zwar immer ein Renner, aber die große Ausnahme. „Merkwürdige Zufälle“ nennt sie das.
Erni Mangold wippt jetzt nicht mehr, sie lehnt sich leicht im Sessel zurück, eine gekräuselte Haarsträhne fällt in die Stirn. Sie lächelt, schwelgt offenbar in Erinnerungen. „Diese Schauspielerin ist so schön, dass sogar der Neid sterben muss vor ihr, er verwelkt, bis man nicht mehr sieht, was er einmal gewesen ist, ein normaler, farbloser Mensch, nicht eine Märchenfigur“, beschreibt Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. „Eine Schönheit wie die Erni Mangolds ist wie schwerelos, unabsichtlich, etwas, das sie, unbeeindruckt auch von sich selbst, bekommen hat.“ Und weiter: „Sie hat sie erlebt, die Raubtiere, die einst Menschen waren oder Raubtiere wurden, weil sie Menschen waren. (…) Jetzt kann ihr niemand mehr was vormachen. Nur sie selbst musste sich nicht machen, sie wurde geschaffen, wie sie eben ist.“
Buchtipp: "Erni Mangold - Sagen Sie, was Sie denken. Mein Leben in Bildern", Molden Verlag, gebundene Ausgabe, 35 Euro
TV-Tipp: Die Verleihung der KURIER ROMY heute, 23. 4., im Hauptabendprogramm des ORF
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