Bernhard Moshammer

Autor Bernhard Moshammer: "Diese Angst wird oft verteufelt"

Als Musiker und Komponist ist Bernhard Moshammer viel beschäftigt – als Autor liegt er mit seinem packenden neuen Roman "Der Holzapfeladam" beinahe überraschend voll im Trend.

Die Amazon-Serie "Fallout" brachte die dystopische Vision einer Welt nach dem großen "Knall" in die heimischen Wohnzimmer. Der sprachgewaltige St. Pöltener Autor Bernhard Moshammer beschreibt in seinem neuen Buch "Der Holzapfeladam" ebenfalls eine aus den Fugen geratene Welt – die uns im Gegensatz zur amerikanischen Version aber erschreckend nahe ist. 

Mit der freizeit sprach der Künstler, der auch für TV-Serien wie "Schlawiner" und für Theaterproduktionen an der Wiener Burg und dem Münchner Residenztheater die Musik komponiert, über seinen mittlerweile siebten Roman, Ängste, Hoffnungen, Primo Levi – und seinen Ritterschlag durch Patti Smith.

Bernhard Moshammer

Bernhard Moshammer

©Florian Moshammer

Ihr neues Buch spielt wieder in der Zukunft, einer dystopischen Welt, die Sie für den Vorgänger-Roman "Die Holzapfel Schwestern" entworfen haben. Steht die Welt wirklich vor einem Kollaps?

Ich betrachte mich überhaupt nicht als Hellseher oder Visionär. Literatur ist für mich fiktional. Ich erfinde gerne Dinge. Aber im Moment reden ja alle immer von der Zukunft, sind beinahe besessen davon. Sogar Historiker halten Vorträge darüber. Und alle reden vom Untergang, predigen von der Apokalypse. Dagegen versuche ich, "meiner" Zukunft eine "Zukunft" zu geben. Es gibt Hoffnung.

Den zuvor erwähnten Kollaps, der zu dieser Welt führt, erklären Sie nicht. Warum?
Ich bin  bewusst nicht näher darauf eingegangen, weil mich das Politische oder auch Umweltpolitische daran nicht interessiert hat. Also für die Story ist es nicht von Bedeutung. Mir ging es darum, wie sich die Menschen in einer Welt, in der unsere Normen und Werte nichts mehr zählen, die aus den Fugen geraten ist, wie sich die so durchwursteln. Also genau die Menschen, die in anderen Romanen oder Filmen nur Nebenfiguren sind, weil sie halt ganz weit weg von der Ebene existieren, auf der Veränderungen hervorgerufen werden, sie auch nicht durch Heldentaten die Welt retten können.
Der Titelgebende "Holzapfel Adam" ist in gewisser Weise dennoch ein Held, oder?
Mein „Held“, wenn man ihn so nennen will, ist nur eine kleine Fackel in der Finsternis des Chaos. Er glaubt an die Menschlichkeit in einer Welt des Nihilismus, das ist das Heldenhafte an ihm.
Bernhard Moshammer

Buchpräsentationen mit Mehrwert: Bernhard Moshammer liest nicht nur, er singt auch. Hier im Café Korb mit  Rina Kaçinari (Cello) und Jörg Mikula (Tombak)

©Florian Moshammer
Wie gelingt es uns menschlich zu bleiben, in einer Umgebung, in der jeder Einzelne nur mehr ums Überleben kämpft?
Der italienische Schriftsteller und Chemiker Primo Levi, ein Auschwitz-Überlebender, schrieb in diesem Zusammenhang vom „moralischen Gerüst“, das nötig ist, um den Versuchungen des Bösen zu widerstehen.

Haben wir dieses Gerüst bereits verloren?

Ich spreche nicht gerne von einem pauschalen "Wir". Auch in den finstersten Zeiten der Menschheitsgeschichte gab es immer diese kleinen "Fackeln" ... Und heute wird in der Hinsicht ja gar niemand auf eine wirkliche Probe gestellt. Weil wir, zumindest hier, tatsächlich in einer kaum je dagewesenen Zeit des Wohlstands und der individuellen Freiheit leben. Unser Lebensstil ist sicher der beste auf der Welt – den gilt es zu bewahren.

Dazu argumentieren aber heute manche, dass wir das nur GEGEN diffuse "andere" tun können. Sie selbst schreiben in Ihrem Roman: "Ohne gemeinsame Sprache sind wir Feinde." Es ist immer das Fremde, das Unbekannte, das uns Angst macht ...
Natürlich. Und diese Angst wird oft verteufelt! Aber sie ist ein menschlicher Instinkt. Ich habe volles Verständnis dafür. Nur, was kann man dagegen tun? Mein Gegenentwurf dazu ist eben Adam, den gerade seine Menschlichkeit angstfrei macht.
Ist er in gewisser Weise ein moderner Parsifal, also ein reiner Tor?
Er ist naiv, ja, er hat im Wald bei seinen Tanten gelebt, behütet, beschützt. Er sieht das Chaos der Stadt, diesen aus den Fugen geratenen Schmelztiegel, mit anderen Augen. Die Gesetzlosen und Junkies, die nichts zu verlieren haben außer einem Leben, dass ihnen selbst nichts Wert ist. Die Wölfe, die in Rudeln durch die Straßen schleichen. Er hilft, wo er kann – aber er glaubt nicht, dass er jeden Einzelnen retten kann. Oder dass Wölfe "nur spielen" wollen, wie das die militanten Tierschützer in seiner Umgebung tun.

Und doch rettet er einen wildfremden jungen Mann, mit dem er sich nicht einmal verständigen kann, vor dem Erfrieren. Woher kommt sein "moralisches Gerüst" – und  woher sollen wir es heute nehmen?

Wie gesagt, seine Menschlichkeit nimmt ihm in vielen Situationen die Angst. Das moralische Gerüst dafür kommt wohl aus seiner Familie, von seinen Tanten, die ihn aufgezogen und den Menschen, die ihm in seiner Jugend geholfen haben. So war es früher, und so ist es bei uns heute.

Für die Frauen ist die Welt, die Sie entwerfen, noch einmal um ein Stück gefährlicher als für Männer. Wo bleibt die politische Korrektheit?
Wenn das zivilisatorische Niveau so tief fällt, ist dafür kaum mehr Platz. Und wo das Recht des Stärkeren herrscht, kommt auch schnell das Patriarchat wieder nach oben.

"In Wahrheit habe ich keine Ahnung von Veronika, so wie sie keine Ahnung von mir hat, und ich schätze, nichts wird jemals etwas daran ändern können", sagt Ihr Held Adam über seine Freundin. Glauben Sie nicht an die Liebe?

Und ob ich das tue! Ich glaube nur auch, dass die Individualität, mit allen Gefühlen und sogar manchen Geheimnissen, in einer Beziehung nicht aufgelöst wird. Das muss man ertragen können, gerade wenn man jemanden liebt. Und die Vorstellung, jemanden verändern zu können, ist ziemlich absurd ...

Der Holzapfeladam

Der Holzapfeladam

Bernhard Moshammers dystopischer Roman "Der Holzapfeladam"

Milena Verlag, 260 Seiten, ca 25 Euro 

Sie sind auch als Musiker erfolgreich, haben mit Indie-Ikone Mika Vember  CDs herausgebracht, komponieren für Theaterproduktionen an den ganz  großen Häusern. Vor 20 Jahren standen Sie mit Patti Smith auf der Bühne – wie kam’s dazu?

Für das Schlingensief-Projekt "AREA 7" hat sie immer Gastmusiker eingeladen. Zu Mittag kam ein Anruf, ob ich will, am Abend saß ich bei ihr in der Garderobe und wir haben einen Track einstudiert. Es war unglaublich aufregend. Am nächsten Tag schickte sie mir vorweg gleich ein paar Songs, bei denen ich mitsingen sollte.

Das klingt ja beinahe nach Ritterschlag!

(lacht) Der echte Ritterschlag war, dass sie mir nach den Konzerten ihre Gitarre geschenkt hat. Ich spiele heute noch fast täglich damit – für die Wand ist sie zu schade!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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