Jeff Goldblum: „Ob ich cool bin? Ich weiß nicht so recht“

In „Jurassic World 3"“ spielt Jeff Goldblum wieder seine Paraderolle. Im Interview spricht er über sein Image als Mr. Cool, seinen Glauben an das Gute und seine Liebe zum Jazz.

Er bringt einiges mit, das die meisten davon abhalten würde, ein großer Star in Hollywood zu werden: Er ist ein langer Lulatsch (mit 1,94 Metern könnte er auch locker bei den Los Angeles Lakers rebounden), weist durchaus als fischartig zu bezeichnende Augen und einen stets durchdringenden, lasziven Blick auf, und macht generell – in seinem bewusst linkischen Verhalten, scheinbar ständig verwundert über sich selbst – einen komisch-kauzigen Eindruck. Doch jetzt kommt das Beste: Jeff Goldblum hat es trotzdem geschafft. Seine schrägen Eigenheiten machen ihn in einer Traumfabrik aus Schönlingen zum unverwechselbaren Unikat. Nicht nur das: Die Fans lieben ihn.

Als Sohn eines Arztes und einer Radiomoderatorin ging Goldblum mit 17 nach New York, um Schauspieler zu werden. Richtig bekannt wurde er 1986 mit seiner transformativen Darstellung im Horrorfilm „Die Fliege“, feierte später Erfolge im Kassenschlager „Independence Day“ oder „Grand Hotel Budapest“.

Mit einer Rolle blieb er aber besonders in Erinnerung: Als Dr. Malcolm in Steven Spielbergs „Jurassic Park“ ist er ein Wissenschaftler mit Rockstar-Gehabe: mit weit offenem Hemd, schwarzer Lederjacke und cooler Intellektuellen-Brille. An der Story über mittels urzeitlicher DNA zum Leben erweckter Dinosaurier, die alsbald außer Rand und Band agieren, kam 1993 wirklich keiner vorbei. Lange rangierte sie als erfolgreichster Film aller Zeiten und zog ein fünf Milliarden schweres Franchise nach sich.

Jetzt läuft mit „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ (ab 8.6. im Kino) das epische Finale an – und bringt erstmals die zwei Darsteller-Generationen der Reihe zusammen: Chris Pratt und Bryce Dallas Howard treffen auf Sam Neill, Laura Dern und Fan-Liebling Goldblum. Der Film spielt vier Jahre nach der Zerstörung der Isla Nubar. Die Dinos leben – und jagen – nun überall auf der Welt neben den Menschen. Ob das gut geht – und der Mensch auch weiter an der Spitze der Nahrungskette stehen wird?

Eines steht jedenfalls fest: Das Ringen um die Oberhand zeitigt ein enorm rasantes, adrenalingetriebenes Abenteuer, und das rund um den Globus. Aus London begrüßt uns indes Jeff Goldblum zum Interview: im schwarzen, kurzärmeligen Hemd, mal mit dick umrandeter schwarzer Brille, dann ohne, und wie man sich den jugendlich aussehenden 69-Jährigen vorstellt: lässig, augenzwinkernd und mit ganz viel Humor.

Jeff, die allgemeine Meinung ist, dass nie zuvor ein Wissenschaftler so cool war, wie Sie in Ihrer Rolle als Dr. Ian Malcolm. Was bedeutet es Ihnen, Ihre Paraderolle in „Jurassic World“ wieder zu spielen?

Es bedeutet mir die Welt. Diese Filmreihe hat mein Leben verändert. Und auch die Freundschaften, die ich dabei mit Sam Neill und Laura Dern geschlossen habe, sind mir sehr wichtig. Wir sind seit damals ja nicht mehr zusammen vor der Kamera gestanden, es war eine einmalige Gelegenheit. Also haben wir uns eine gute Zeit gemacht!

Wie darf man sich das vorstellen?

Wir konnten gar nicht mehr aufhören über die alten Zeiten zu quatschen und Erinnerungen auszutauschen. Ich hoffe, wir sind damit niemandem auf den Wecker gegangen! (lacht) Wir hätten zu diesem Zweck natürlich auch eine Runde Golf spielen oder uns zum Kuchenessen treffen können. Aber diesen Film zu drehen hat noch viel mehr Spaß gemacht.

©Art Streiber for Universal Pictures and Amblin Entertainment
Ihr Kollege Sam Neill meinte, vor den Dinosauriern davonzurennen fiele ihm eindeutig schwerer als vor 30 Jahren. Ging es Ihnen ähnlich?

Ach, ich glaube, da stellt Sam sein Licht eindeutig unter den Scheffel. Sam birst vor gesundem Vitamin A und trumpft auf mit Brustwarzen, die so scharf sind, dass man damit Glas schneiden könnte. Also, ich bin kein Athletiktrainer, aber das ist mein Eindruck, wenn Sie mich fragen. Ich jedenfalls, ich fühle mich ziemlich gut. Ich treibe täglich Sport, ich versuche, mich maßvoll zu ernähren, ich schlafe ausreichend – und auch wenn dieses kleine Abenteuer namens Leben flüchtig ist und man mal blüht, dann wieder verwelkt wie eine Blume: keine größeren Verletzungen von meiner Seite. Wenn Sie jedoch eine Massage vorschlagen wollen – holen Sie sich Ihre.

Ich fühle mich ziemlich gut. Ich treibe täglich Sport, ich versuche, mich maßvoll zu ernähren und schlafe ausreichend.

Wenn Sie den ersten „Jurassic Park“-Film und diesen neuesten miteinander vergleichen, was kommt Ihnen in den Sinn?

Mal sehen. Der Film von vor 30 Jahren wurde in meiner Erinnerung vor allem vom brillanten Steven Spielberg geprägt. Ich habe mich gefühlt, als würde ich bei ihm in der Klasse sitzen. Dass ich dazu noch mit Sam und Laura da war, war eine große Sache für mich. Und technologisch gesehen hat der erste „Jurassic Park“-Film in Sachen computergenerierte Technik neue Maßstäbe gesetzt. Diese visuellen Spezialeffekte haben die Filmlandschaft für immer verändert. Es ist vergleichbar mit dem Stummfilm, als plötzlich der Ton eingeführt wurde. Seitdem können wir alles, was wir uns vorstellen, auch darstellen.

War Ihnen das damals bewusst?

Im Vergleich zu heute lief es damals ziemlich primitiv ab. Für die CGI-Effekte schwebten oft jede Menge Tennisbälle in der Luft, um sich die Dinosaurier vorstellen zu können. Steven Spielberg röhrte, wenn einer von ihnen auftauchte und brüllen sollte.

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Haben Sie das Gefühl, dass die Geschichte jetzt auserzählt ist oder könnten Sie sich noch einen Teil vorstellen?

Gute Frage. Ich liebe die Art und Weise, wie die neue Geschichte den Erzählbogen der fünf Filme davor abschließt. Für mich ist das eine ungeheuer befriedigende Lösung, sowohl für die Figuren, die wir seit 30 Jahren kennen, als auch für die neuen. Auch für meine Rolle ist es ein guter Abschluss. Aber die Leute reden natürlich darüber: Geht es dennoch weiter? Wir hören das auch. Das Wichtigste ist, dass es den Fans gefällt. Ich für meinen Teil könnte mir weitere Kapitel und neue Charaktere vorstellen.

Sie spielen einen Pessimisten. Sind Sie das auch oder sehen Sie das Leben mehr von seiner positiven Seite?

Es gibt viele Dinge in unserer Welt – ich muss nicht extra darauf hinweisen – die gerade alarmierend sind und dringender Aufmerksamkeit bedürfen, nicht nur die erfundene Welt der Dinosaurier und unser Film. Gefährliche Kreaturen lauern überall. Es gibt da also durchaus Parallelen. Und es scheint dringend notwendig, dass wir sie lösen. Was die Kraft der Synergie und Zusammenarbeit betrifft, sowie unsere tiefe, echte Verbundenheit miteinander auf der ganzen Welt auf diesem kleinen, herrlichen Planeten angeht, bin ich dennoch Romantiker. Und Idealist. 

Wenn man sich die Fähigkeit zu spielen beibehält, hält einen das optimistisch. Man bleibt offenen Herzens.

Inwiefern?

Ich sehe das so wie im Film: Wenn sich hochgebildete und zutiefst fürsorgliche Menschen mit guten Absichten zu einer Gruppe zusammentun, können sie, so scheint es, die Kräfte der Ignoranz und Gier erfolgreich bekämpfen. Also bin ich wohl ein Optimist.

Hatten Sie diese Einstellung immer schon?

Mein Schauspiellehrer Sandy Meisner hat mir mehrere Dinge beigebracht, und ich habe mich stets daran gehalten und mich mein ganzes Leben lang daran erfreut. Dazu zählt: Schauspieler zu sein bedeutet, auch als Erwachsener weiterhin so zu tun, als wäre man ein Kind. Heißt: Wenn man sich die Fähigkeit zu spielen beibehält, hält einen das irgendwie optimistisch. Man bleibt offenen Herzens. Und noch etwas habe ich an der Schauspielschule gelernt.

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Und das wäre?

Es ist ein Ratschlag, den wir bei der Lektion Improvisation gelernt haben. Er lautet: Wo es Kampf gibt, gibt es Leben. Dieser Gedanke ist für ein Leben als Schauspieler ungemein hilfreich. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der es um Leben oder Tod geht; man will unter allen Umständen etwas Bestimmtes erreichen, jedoch ist dieses Unterfangen existenziell riskant. Es zu bewältigen liegt außerhalb unserer Kapazitäten und unserer Macht. Dennoch müssen wir es schaffen, dringend. Also müssen wir dafür kämpfen. Ich finde das, umgelegt auf das Leben, eine schöne Formel für ein Leben in höchster Lebendigkeit. Wenn wir das erreichen können, das ist schon was.

Sie sind nicht nur Schauspieler, sondern auch ein anerkannter Jazzpianist. Sich das Talent zum Spielen zu bewahren, fußt darin auch Ihre Liebe zur Musik?

Mein Vater war Arzt, und ich war als Kind sehr neugierig. Er wurde dennoch nie müde, meine Fragen zu beantworten. Die Schule war sehr schwierig und herausfordernd, aber ich hatte trotzdem immer gute Noten. Meine Eltern ließen uns vier Kindern allen Musikunterricht geben. Ich war nicht besonders fleißig – bis mir mein Lehrer ein etwas jazziges Stück zu spielen gab. Da dachte ich mir: Das lerne ich jetzt zu spielen – ich muss dafür einzig ein bisschen Disziplin aufwenden. Also habe ich mich hingesetzt, einige Zeit darin investiert und das Stück wirklich gelernt.

©Universal Music Group
Damit war Ihre Liebe zum Jazz wohl geweckt – und sie hält bis heute an.

Und wissen Sie, was ich dann gemacht habe? Ich habe einige Cocktail-Lounges angerufen, ich hatte deren Nummern aus den Gelben Seiten. Ich war 15 und habe am Telefon zu denen gesagt: „Ich habe gehört, dass Sie da unten im Keller ein Klavier haben und einen Pianisten suchen.“ Die meisten hätten bei so einem Anruf wohl geschwindelt und geantwortet: „Nein, da sind Sie wohl falsch informiert.“ Andere hätten vielleicht gesagt: „Das mag stimmen – aber wer sind Sie eigentlich und wie alt sind Sie überhaupt?“ Ich war 15, und auf diese Weise habe ich mir ein paar Auftritte verschafft. Nur so, zum Spaß.

Seine Musik

Seit Woody Allen es ihm in den 90ern geraten hat, tritt Goldblum wöchentlich in einem Klub auf, dem Rockwell in L.A. 2018 veröffentlicht er mit dem Mildred Snitzer Orchestra das Live-Album „Capitol Studios Sessions“und wird Nr. 1 der Jazz-Charts. 2019  folgt mit „I Shouldn’t Be Telling You This“  sein erstes Studio-Album. 

Trotzdem haben Sie sich später dazu entschieden Schauspieler zu werden. Warum?

Weil ich am leidenschaftlichsten und auf einzigartige Weise von der Schauspielerei begeistert war. Ich ging also mit 17 nach New York und spielte in Filmen und am Theater. Dann, vor etwa 30 Jahren, begann ich regelmäßig in einem Klub zu spielen. Eines führte zum anderen und wir haben mittlerweile zwei Alben aufgenommen, die mir viel bedeuten.

Was gibt Ihnen die Musik heute?

Ich spiele jeden Tag. Jeden Morgen, gleich nachdem ich aufgestanden bin. Es ist eine Art meditative Disziplin. Eine regelmäßige Arbeitsroutine, der ich mich widme, und die meinen Tag erdet. Sobald ich ein paar Tage nicht spiele, vermisse ich es.

Zur Person

Zur Person

Jeff Goldblum wurde 1952 in Pittsburgh, USA, geboren. Seit 2014 zum dritten Mal verheiratet (davor u. a. mit Filmstar Geena Davis). Zwei Kinder: Charlie, 6, River, 5. Ein Kurzfilm von ihm wird 1995 für den Oscar nominiert. Er gibt Unterricht an einer von ihm gegründeten Schauspielschule und ist gefeierter Jazzpianist.

Sie gelten beim Publikum als schrullig und gleichzeitig als ungemein cool. Wie geht es Ihnen damit?

Donnerwetter, vielen Dank für das Kompliment, das ist ausgesprochen nett von Ihnen. Aber ob ich überhaupt so cool bin? Ich weiß nicht so recht. Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern, Charlie und River, die finden mich definitiv nicht cool, das kann ich Ihnen sagen. Aber ich habe gelernt, meine eigene Stimme zu finden.

Wie meinen Sie das?

Mein Schauspiellehrer hat mir schon früh geraten, mich nicht beirren zu lassen und stattdessen weiter an mir zu arbeiten. Man solle sich den Geist des Anfängers bewahren, Haltung zeigen, und nie aufhören mehr lernen zu wollen. Werde besser, ein Leben lang! Und versuche nicht, jemand anderen zu kopieren. Suche und finde etwas Vertrauen in dich selbst. An dieses Motto habe ich stets versucht mich zu halten.

Der Rat Ihres Schauspiellehrers hat also gut funktioniert?

Klar, manchmal habe ich an mir gezweifelt. Dann habe ich mich gefragt, ob das, was ich jetzt mache, wirklich originell ist oder vielleicht doch nur durch und durch konventionell. Aber meistens hat es funktioniert. Ich habe das Gefühl, ich agiere dank dieses Mottos im Moment. Und: Ich genieße es.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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