Wanda-Sänger im Interview: „Ich war mein halbes Leben einsam“
Marco Wanda zum Tourstart über Exzess und Erfolg, Showbiz und Song Contest, Geld und Größenwahn – und Ostbahn-Kurti und Österreich.
Wanda und Wien“, sagt Marco, „wir verstehen uns.“ Jetzt naht am 17. und 18. Juni nach zwei Jahren konzertanter Pandemie-Pause die Rückkehr ins Wohnzimmer: Wanda, live, in der Stadthalle (Restkarten noch erhältlich). „Wir sind heiß drauf“, so Sänger Marco Wanda. 2014 hat die Band mit dem Hit „Bologna“ einen Hype ausgelöst, der Höhenflug wird seit damals ziemlich konstant gehalten. Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore! Wir sprachen Marco vier Stunden vor dem Aufbruch zu ihrer Live-Tournee.
Diese Konzerte werden vielleicht das ärgste Homecoming, das wir in unserer Karriere erlebt haben. Diese zwei Jahre Zwangspause, sowohl für Bands als auch fürs Publikum, das ist nicht spurlos an allen vorübergegangen. So lange auf etwas gewartet habe ich vielleicht das letzte Mal 1994, auf ein Nintendo-Spiel. Wir sind so heiß drauf, ich freu mich einfach nur.
Ich trinke eigentlich nicht mehr wirklich vor den Shows, weil ich die Konzerte jahrelang nur wie durch einen Schleier erlebt habe. Ich schau’ mir das relativ nüchtern an und lass mich eher vom Abend berauschen als von irgendwelchen Hilfsmitteln. Da bin ich ein bissl over it, muss ich sagen. Ich will mich ja später daran erinnern können. Über die 80er-Jahre hat man gesagt, wer sich erinnern kann, war nicht dabei. Das könnte ich auch über meine vergangenen zehn Jahre Karriere sagen. Ich war eigentlich nicht dabei. (lacht)
Ja, man macht Rock ’n’ Roll nicht, um zu sterben, sondern um zu leben. Zumindest war das einmal der formelle Grundgedanke irgendwann.
Ich kenne den sentimentalen Blues, den eine Tour für einen bereithält. Aber ich bin ein Mensch, der mit Einsamkeit wenig Probleme hat. Ich empfinde mich mein halbes Leben lang als einsam, mit mir oder meinen Gedanken allein. Die Fallhöhe von der Bühne zum Privatleben ist für mich mittlerweile gar nicht mehr so hoch. Ich habe den Applaus auch nie auf mich bezogen. Da würde ich mir wahnsinnig eitel vorkommen. Vielmehr habe ich das Gefühl, die Leute feiern sich und das Leben.
Ich bräuchte den Applaus nicht. Ich brauche keine Anerkennung, keine Bestätigung. Stattdessen freue ich mich, etwas gemeinsam zu erleben. Das kann Liebe sein, ein Konzert oder ein Spiel, das kann Sex sein, das kann Saufen sein, Hauptsache, es passiert irgendwas, das Menschen zusammenführt. Das ist viel wichtiger für mich.
Auf der Bühne stehe ich im Flutlicht, im Nebel und inmitten von 800 Dezibel. Aber im echten Leben bin ich nur der Marco. Verwechselt habe ich mich nie mit der Bühnenfigur. Wenn das passiert, wird’s gefährlich.
Nach zwei Jahren Pandemie verstehe ich unsere Sorge um die Gesundheit. Ich gehe selber ja auch laufen. Ich würde die Zwei-Stunden-Shows in meinem Alter sonst ja gar nicht mehr schaffen. Schwierig finde ich, wenn das zum Trend wird und eine marktwirtschaftliche Intelligenz dahintersteht. Ich möchte nicht gebrainwashed werden. Aber ich finde ganz vieles zum Kotzen gerade! (lacht)
Die Hälfte unserer Gesellschaft ist depressiv, hat Angst- und Zwangsstörungen. Es ist unglaublich, dass wir über Depression oder Burnout immer noch als etwas Exotisches philosophieren. Ich bin damit unzufrieden, was von uns verlangt wird. Und was wir uns gegenseitig abverlangen. Wir haben ja fast kein Erbarmen mehr für den anderen. Sei das nun in Freundschaften, Beziehungen oder der Familie. Wir verlangen von allen, dass sie uns die ganze Zeit Trost bieten und für uns da sind, das ist heavy. Es herrscht ein Narzissmus, der sehr unangenehm ist.
Ich habe schon als Jugendlicher verstanden, dass das Showbusiness im Prinzip ein Auffangbecken für komplette Versager ist.
Mich lädt letzten Endes meine eigene Arbeit wieder auf. Ich gebe dabei zwar wahnsinnig viel Energie ab, aber kriege auch wahnsinnig viel zurück. Sonst bin ich sehr einfach. Ich brauch’ nicht viel. Eine gute Flasche Wein und ein freier Abend. Das reicht mir schon.
Ich habe schon als Jugendlicher verstanden, dass das Showbusiness im Prinzip ein Auffangbecken für komplette Versager ist. Die allerdings zumindest auf eine halbe Begabung zählen können. Das hat irgendwie auch auf mich gut gepasst. Ich habe begriffen, dass dieses Geschäft wahrscheinlich meine einzige Hoffnung auf ein halbwegs geregeltes Leben ist. Eine Alternative dazu war sonst nirgends für mich zu entdecken, ich kann einfach nichts anderes als das. Irgendwann bin ich dann dazu gestanden. Ich dachte: Du machst das, oder stirbst. Zum Glück hat es funktioniert. (lacht)
Mir war klar, das ist der einzige Weg. Wahrscheinlich gilt das für alles, was man im Leben will. Es kostet halt. Der Kosmos verteilt seine Karten, und dann muss man mit ihm gamblen.
Ich hatte immer Existenzsorgen, die sind jetzt weg. Es ist erstaunlich, dass man von sechs Akkorden und einer E-Gitarre leben kann.
Doch, fürchterliche! Ich habe zwar behauptet, etwas zu können, aber sicher sein konnte ich mir nicht. Diese Zweifel hat das Publikum uns dann abgenommen. Von den ersten Konzerten in den kleinsten Klubs an war die Stimmung magisch. Es war schnell klar, das ist etwas Besonderes. Das sind Momente, die für einen Musiker unvergesslich sind.
Ich habe mich gefragt: Wie komme ich zu der Ehre? Es gibt Millionen Musiker, die nicht von ihrer Musik leben können und nichts beim Publikum auslösen. Wenn man wie wir von diesem finanziert wird, hat man immer das Gefühl, man tut etwas Unanständiges. Eigenartig. Vielleicht ist das die Scham des Selbstständigen, die man fast nie loswird.
Es hat einen gewissen Größenwahn in mir total bedient. (lacht) Mein erster Gedanke war: Da schreibt jemand die Wahrheit! Nicht mehr und nicht weniger. Das Zitat berichtet über unsere Frühphase, wir waren zu dieser Zeit auch wirklich ein Zirkus. Schon auch ziemlich wahnsinnig, abseits der Bühne fast noch mehr als auf der Bühne. Wir hatten keinen Tourbus, sind alles selbst gefahren. Teilweise schlaflos oder im Restrausch. Eine Zeit, in der wir das Gefühl hatten, kann sein, dass einer umfällt und nimmer aufsteht.
Eigentlich: keinen. Ich bin froh, dass meine Ersparnisse mich diese Pandemie-Krise überstehen ließen. Geld hat für mich keinen sehr hohen Stellenwert. Es ist eine Absicherung: Es ist angenehm zu wissen, dass ich die nächsten zwei Jahre nicht auf der Straße landen werde. Dafür bin ich dankbar. Weil ich mein ganzes Leben stets Angst davor hatte. Ich hatte immer Existenzsorgen, die sind jetzt weg. Ich schlafe nun deutlich besser. Es ist erstaunlich, dass man von sechs Akkorden und einer E-Gitarre leben kann.
Nein, bei der Vorstellung, über die Ländergrenzen hinweg in ganz Europa bekannt zu sein, wird mir schlecht. Ich kämpfe sehr mit meiner Popularität. Es kostet mich viel Kraft, auf der Straße erkannt zu werden, selbst wenn die Leute immer nett zu mir sind. Im Zentrum, egal welchen Interesses zu stehen, finde ich extrem unangenehm.
Ich sehe ihn als großen Teil des nationalen Gewissens. Die Säulen der Moral in diesem Land verlassen uns, und was übrig bleibt, sind schleimigste Politiker und kleingeistige Künstler und Musiker. Schau sie dir an, da geht es nur um Streamingtime und Charts; wir haben alle nicht diese humanistische Kraft, die ein Resetarits hatte. Das bedaure ich und es macht mir Sorgen. Dieses Land hat keine kulturelle Führung mehr in meiner Generation. Für eine Demokratie bedeutet das nichts Gutes. Er wird fehlen, in diese Fußstapfen wird keiner treten die nächsten Jahre. Einer wie er ist unersetzbar.
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