Sophie Marceau im Interview: „Ich habe nicht davon geträumt, berühmt zu werden“

Sie ist die Traumfrau einer Generation: Sophie Marceau über „La Boum“, die #metoo-Bewegung – und was Liebesbriefe bis heute in ihr auslösen.

Für gewöhnlich beginnen Artikel über Sophie Marceau gern damit, wie unverwechselbar hinreißend sie sei. Wie attraktiv (auch mal mit dem Zusatz versehen: immer noch). Und mit Schwärmereien über ihren natürlichen Charme. Kein Wunder, dass die Schauspielerin viele die Contenance verlieren lässt. Immerhin hat die 55-jährige Französin einer ganzen Generation den Kopf verdreht: Mit 14 wurde sie mit „La Boum – Die Fete“ über Nacht zum Star, die entzückende Komödie über die Liebesnöte des Teenager-Mädchens Vic ist in den Köpfen des Publikums auch 42 Jahre danach nachhaltig präsent.

Mit der Fortsetzung sowie Filmen wie dem James-Bond-Abenteuer „Die Welt ist nicht genug“ oder „LOL“ blieb sie weiter erfolgreich. Im Kino-verrückten Frankreich gilt sie als beliebteste Schauspielerin des Landes. Jetzt ist sie nach einer mehrjährigen Pause wieder in einer Komödie zu sehen: In „I Love America“ (zu streamen auf Amazon Prime) spielt sie die alleinstehende Lisa, die nach dem Tod der Mutter und nachdem ihre Kinder ausgezogen sind, aus Frankreich in die USA geht, um ihrem Liebesleben eine neue Chance zu geben. Eine Komödie über die Querelen der Partnersuche – aber auch über eine Reise zu sich selbst und die Auseinandersetzung mit einer meist abwesend gewesenen Mutter. Beim Interview trägt Sophie Marceau ein rotes Oberteil, lächelt oft und ist – ja, hinreißend.

Sophie, in einem anderen Land noch einmal ganz von vorne anzufangen, wie in Ihrem neuen Film, wäre das etwas für Sie?

Ich bin mir nicht sicher. Ich habe Menschen immer bewundert, die ins Exil gegangen sind, ob nun freiwillig oder unfreiwillig. Auch bin ich in meinem Leben viel gereist, habe in verschiedenen Ländern gelebt ...

Sie haben zum Beispiel mehrere Jahre in Polen gelebt.

Es hat mir gefallen, ein anderes Land kennenzulernen und dort zu leben. Aber ob ich in der Lage wäre, mich für immer an einem Ort niederzulassen, der nicht mein Land ist, weit weg von meiner Kultur? Ich weiß nicht so recht. Ich fühle mich zwar wohl in der Fremde. Aber ich stand immer mit einem Fuß in Frankreich. Und je älter ich werde, desto mehr wünsche ich mir, dass es zwei Füße sind. Aber man weiß ja nie, was im Leben alles passiert. Noch einmal ganz von vorne anfangen? Nein, ich will, dass alles so weitergeht wie jetzt.

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Sie haben schon mit 14 angefangen, Filme zu machen und sind mit „La Boum“ berühmt geworden. War das ihr Traum?

Nein, ich habe ganz und gar nicht davon geträumt, berühmt zu werden. Ich träume auch heute nicht davon. (lacht) Wissen Sie, das ist einfach passiert. Ich war sehr jung damals und hatte noch nicht genug Zeit, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen. Und dann bin ich über Nacht berühmt geworden. Für das, was mich da erwartete, war ich ebenfalls nicht vorbereitet. – Entschuldigung, wie war nochmal die Frage?

Ob Sie als Teenager davon geträumt haben, berühmt zu werden.

Nein, nein, nein, ganz und gar nicht.

Und doch wurden Sie es. Wie erging es Ihnen damit?

Ich war auf der Suche nach einem Job. Und ich bekam einen Job. Darüber war ich glücklich. Das mit dem Ruhm ist nicht passiert, weil ich etwa danach gesucht hätte; ich wusste gar nicht, wonach ich eigentlich suche. Dennoch wurde ich fündig und habe dann einfach so weitergemacht. Zufall? Ja und nein.

Das war, was ich wollte, ich wollte arbeiten, ich wollte unabhängig sein. Niemanden um etwas bitten müssen, nicht einmal meine Eltern.

Haben Sie rückblickend das Gefühl, etwas verpasst zu haben?

Ja, aber was ist mit Ihnen? Haben Sie das Gefühl, etwas in Ihrem Leben verpasst zu haben? Haben Sie das?

Ja, ab und zu.

Sehen Sie, ich schätze, das ist bei mir genauso. (lacht) Vielleicht ist es nicht eins zu eins vergleichbar. Aber ich habe jedenfalls kein Problem damit.

Sie hatten allerdings im Gegensatz zu mir bereits mit 14 einen Fulltime-Job.

Ja, aber das war gut für mich. Ich war froh, Arbeit zu haben. Das war, was ich wollte, ich wollte arbeiten, ich wollte unabhängig sein. Niemanden um etwas bitten müssen, nicht einmal meine Eltern. Ich wollte meinen eigenen Weg gehen.

Und, hat das funktioniert?

Einen Job zu haben bedeutete für mich: Ich werde etwas Geld haben und kann tun, was ich will. Das passte sehr gut zu dem, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, definitiv. Ich war nicht auf der Suche nach Ruhm oder Geld oder was auch immer – ich wollte unabhängig und frei sein.

Unabhängig, besonders von Männern?

Anstelle von unabhängig würde ich den Begriff autonom wählen. Ich hänge sehr an meiner Freiheit. Manchmal habe ich das Gefühl, die ganze lange Geschichte der Frau auf meinen Schultern zu tragen. Das geht wohl den meisten Frauen so. Wenn ich also von Freiheit spreche, ist das nicht nur ein Wort für mich. Es hat nichts damit zu tun, wie ein Eremit auf dem Gipfel eines Berges zu leben. Nein, ich liebe Menschen, liebe es, mich um sie zu kümmern, liebe es, selbst umsorgt zu werden. Teilen und Fürsorge sind etwas Wundervolles. Mit Freiheit meine ich, die Autonomie zu haben, die es uns erlaubt, für uns selbst zu entscheiden, basta.

Zur Person

Zur Person

Sophie Marceau wurde 1966 in Paris geboren. Ihr Vater war Lastwagenfahrer, ihre Mutter Verkäuferin. Mit 14 macht „La Boum – Die Fete“ sie zum Star, in Hollywood spielt sie u. a. in „Braveheart“. Ein Sohn (26) mit dem 26 Jahre älteren Regisseur Andrzej Zulawski († 2016) und eine Tochter (19) mit einem US-Filmproduzenten.

Wie stehen Sie zur #metoo-Bewegung?

Ich bin sehr glücklich darüber! Frauen haben so eine Stimme bekommen, werden gehört. Was jetzt passiert, ist notwendig. Nicht nur für Frauen, sondern für jeden von uns, für die ganze Gesellschaft. Gemeinsam haben wir viel zu gewinnen. Wir sind beide, Männer wie Frauen, miteinander verbunden, und ich denke, es ist gut, wenn wir auf eine faire Weise miteinander verbunden sind.

Mussten Sie schnell erwachsen werden?

Meine Mutter hat mir gesagt, dass sie wolle, dass ihre Tochter eine freie Frau ist. Und eine gute Mutter. Denn ihre Generation hatte noch mehr als heute darunter zu leiden, eine Frau zu sein, das ist noch gar nicht so lange her. Die #metoo-Bewegung schreibt Geschichte. Ich hoffe, sie klärt die Menschen weiter über eine gerechte Sache auf.

Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Ihre Mutter denken?

Eine Menge Dinge. Deine Mutter, das ist, wo du herkommst, du bist ihrem Bauch entsprungen. Was ich mit meiner Mutter verbinde, sind die Haut, die Weichheit, der Geruch. Alles, was mit Fühlen, Tasten und Berühren zu tun hat und sehr körperlich ist. Obwohl meine Mutter nicht superzärtlich war, war sie doch aus der gleichen Haut, vom selben Fleisch wie ich. Eltern sind dein Ursprung, ob du es nun willst oder nicht, und damit musst du umgehen lernen.

©Photo by Darren Michaels, SMPSP / Courtesy of Amazon Studios/Courtesy of Amazon Studios/Darren Michaels
Sie haben zuletzt eine zweijährige Pause eingelegt, warum?

Nun, ich war damit beschäftigt, nichts zu tun. Das ist eine große Sache. Es erstaunt viele Menschen. Man wird gefragt: Und, was machst du so? Wenn dann die Antwort „nichts“ lautet, reagieren sie beinahe empört. „Wie kann du ,nichts’ sagen?!“

Mussten Sie das Nichtstun erst lernen?

Ich brauchte eine Pause, weit weg von meiner Arbeit, die ich seit 40 Jahren mache. Ich benötigte ein bisschen Abstand, um die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Zeit, mich wieder mit den Dingen zu verbinden. Das Leben ist manchmal der Meinung, dass es darin nicht nur um einen selbst geht. Dann muss man sich ändern oder etwas an seinem Leben ändern. Bei mir war es Zeit, Abstand zu suchen.

In gewisser Weise bin ich sehr schüchtern. Berühmt zu sein verändert die Dinge. Man ist sich bewusster, was man sagt - und wer einem zuhört.

Zurück zum Film: Ihre Figur versucht einen Neuanfang, indem sie eine Dating-App benutzt. Können Sie verstehen, dass viele Menschen so einen Partner suchen?

Oh, ich verstehe alles. Ich bilde mir darüber kein Urteil. Wenn es die Leute glücklich macht, warum nicht? Es ist wie mit allem: Man hat ein Werkzeug zur Verfügung, und wie man es nutzt, hängt von jedem Einzelnen selbst ab. Ich persönlich habe keine Erfahrung mit solchen Apps. Wenn es allerdings Dinge in Gang setzt wie im Film, würde ich mich schon morgen registrieren. Es scheint ja richtig Spaß zu machen. (lacht)

Halten Sie Ihre Freunde, was Liebe und Sex betrifft, regelmäßig am Laufenden?

Nein, ich bin ziemlich bescheiden und zurückhaltend. Nicht nur bei diesen Themen, sondern ganz allgemein. Aber ich bin offen für gute Gespräche, Ideen auszutauschen, anderen zuzuhören. Ich selbst bin allerdings keine große Rednerin. In gewisser Weise bin ich sehr schüchtern.

Tauschen Sie sich nicht gerne aus?

Mit guten Freunden kann ich sehr offen reden. Ich verheimliche nichts oder behaupte etwas Falsches, nein, ich halte es von meinem Wesen her einfach lieber ziemlich privat. Vielleicht ist das auch der Fall, weil ich berühmt bin. Wissen Sie, das verändert die Dinge. Man ist sich bewusster, was man sagt – und wer einem zuhört.

©Photo by Darren Michaels, SMPSP / Courtesy of Amazon Studios/Courtesy of Amazon Studios/Darren Michaels
All das beruht auf dem Kulterfolg mit „La Boum“. Für die Regisseurin Lisa Azuelos sind Sie die Stimme einer Generation.

Es fällt mir schwer, so über mich zu sprechen. Ich kann nicht über Sophie Marceau reden, ohne so zu tun, als ob mich das nicht betreffen würde. Aber ja, das ist die zeitlose Kraft des Kinos. Die Menschen identifizieren sich mit Charakteren, projizieren sich in die Geschichten. Wenn man im Film sieht, dass andere reden wie man selbst und über dieselben Dinge lachen, fühlt man sich weniger einsam. Als Schauspieler repräsentiert man etwas, das auf gewisse Weise universell ist.

Noch heute schwärmt jeder von „La Boum“, und alle, die ihn gesehen haben, waren in Sie verliebt.

Ich bekam und bekomme immer noch Briefe, sehr nette, liebevolle Briefe. In Briefen neigen die Leute eher dazu, romantisch zu sein. (lacht) Wissen Sie, diese Bekundungen helfen einem im Leben. Es ist besser, auf diese Weise geliebt zu werden, als gar nicht. Zugleich ist es Teil des Jobs.

Wer hätte gedacht, dass der Erfolg der Filmreihe so nachhaltig ist.

Es ist bewegend. Die Filme begleiten die Menschen schon so lange, sie sind ihnen vertraut. Wenn mich Leute auf der Straße deshalb ansprechen, sind sie sehr nett zu mir; es ist lustig, sie behandeln mich beinahe, als würden sie eine alte Ex-Freundin wiedertreffen. Und oh mein Gott, ich habe eine Menge Ex-Freunde, wie es aussieht! (lacht)

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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