
Warum schauen wir uns gern Sendungen an, die uns wütend machen?
"Emily in Paris", Herzogin Meghans Kochshow & Co: Das Phänomen Hatewatching und was es damit auf sich hat.
Aktuell ging es sogar einer berühmten Herzogin an den Kragen, die medial geteert und gefedert von einer vernichtenden Schlagzeile zur nächsten hüpfte. Meghan, vormals Markle, nunmehr Duchess of Sussex, hatte sich erdreistet, eine Kochshow fürs Fernsehen zu drehen.
Nun, besonders glaubwürdig ist der Hochglanzidyll gewordene Etikettenschwindel kaum, als Heimchen am Herd taugt die Herzogin wenig. Vieles daran ist falsch: Mehr Schein als Sein, Kulisse statt Küche, Luxus anstelle von Lebenslust. Die vehemente Empörung, die Meghans Bilderbuch-Inszenierung entgegenschlug, war angesichts der televisionären Nichtigkeit dennoch überragend. Die Leute lieben es, Prinz Harrys Frau zu hassen. Einschalten tun sie trotzdem.
Schuld daran mag der wankelmütige Emotionshaushalt des Fernsehpublikums sein.
Der führt zu einem widersprüchlichen bis grotesk auszulegenden Konsumverhalten nach Feierabend. Viele wollen es sich offenbar nicht gemütlich machen, sie wollen sich aufregen. Willkommen beim Hatewatching!
Wer schimpft, der schaut
Es ist als Phänomen so konsistent unlogisch, dass es schon wieder logisch ist. Sich im Fernsehen etwas anzuschauen, mit der bloßen Absicht, sich darüber grün und blau zu ärgern, nur um anschließend mit Inbrunst darüber abzulästern, die Inhalte grausam zu verhöhnen und die Protagonisten genüsslich niederzumachen.
Die Serie „Dawson Creek“ stand früher dafür parat. Heute die Liebesnöte von „Emily in Paris“. Reality-TV lebt ohnehin davon. Aber auch die Übertragung des Opernballs. Wer schimpft, der schaut.
Hatewatching ist meist ein verheimlichtes Vergnügen oder wird in der Gruppe genossen. Ausstallieren als Gemeinschaftserlebnis, nur halt nicht beim Kaffeetratscherl, sondern vorm Fernsehaltar. Und geteilt in den sozialen Medien. Hass verbindet, was für eine schreckliche Botschaft. Sogar Glückshormone werden ausgeschüttet. Wir fühlen uns gern moralisch überlegen, geschmackssicherer, frönen der Schadenfreude. Zugleich ist die Lästerlust gefährlich, wir werden zynischer, sehen das Leben an sich negativ. Das würden wir dann aber wirklich hassen.
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
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