Hugh Grant

Interview mit Hugh Grant: Und wie ist der so?

Eine Begegnung mit dem Hollywoodstar in Berlin. Eindrücke eines Interviews und Porträt eines Systemverweigerers.

Das fängt ja gut an. Mit einem Wumms fliegt die Mahagonitür vom Bibliothekszimmer auf und hinaus stürmt eine mit den Augen rollende PR-Dame, abwechselnd entnervt und entsetzt. Hinter ihr tappst Hugh Grant aus dem Zimmer, wie wir ihn kennen, immer eine Spur verlegen und verdutzt.

Wir befinden uns im Hotel Adlon in Berlin. Und voraus ging der Szene, die uns dargeboten wird, als stünden wir auf der Bühne in einem Theaterstück, ein Interview, das jemand vom Fernsehen mit dem Hollywoodstar geführt hat. Offenbar ging es dabei aber wenig um Grant und seinen neuen Film, den gelungenen Horrorstreifen "Heretic". Und vielmehr darüber, wo Grant beabsichtige, in Urlaub zu fahren oder wo er beabsichtige, ein Haus zu kaufen. 

"Please excuse", flötet die PR-Dame Hugh Grant jetzt zu, während sie ihm hinterherläuft, "this interview was horrible!Später zieht einen das liebenswerte PR-Personal unauffällig zur Seite, um freundlich zu briefen, worüber Grant bitte – abseits seiner Ferienpläne - nicht so gerne zu sprechen wünscht, wenn es sich denn einrichten ließe: romantische Komödien, den Brexit und den Gaza-Streifen. Nun, zwei von drei werden sich machen lassen. Trotzdem: Was kommt da auf einen zu? 

Erst freundlich, dann furchterregend: Hugh Grant im neuen Horrorfilm "Heretic"

©Kimberley French/FILMladen Filmverleih / Plaion Pictures

Brite im Blackout

Unser Interview beginnt damit, dass wir uns per Händedruck vorstellen. Was man dann im Laufe des Gesprächs wahrnimmt: Hugh Grant hat keine Angst vor langen Pausen. Und vor kurzen Antworten. Er hat keine Angst davor, ein Gespräch ins Leere laufen zu lassen. Er beginnt eine Antwort mit: "Ich weiß die Antwort auf Ihre Frage nicht."

Dann wieder merkt man, wie er einen Satz im Kopf hat, sich aber entschließt, ihn aus Selbstschutz lieber für sich zu behalten. Und des Öfteren lässt er den Gesprächsfluss einfach versiegen, beginnt ins Leere zu starren, fixiert einen unsichtbaren Punkt am Tisch oder am Boden, als würde ein Blackout sich seiner ermächtigen. Spätestens das ist der Zeitpunkt, zur nächsten Frage überzugehen. 

Grant, das wird klar, fordert für sich ein, dass der andere mit seiner Verschrobenheit, die er an den Tag zu legen vermag, zurechtkommt. Irgendwie. 

Er sei im "Freak-Show-Stadium" seiner Karriere angekommen, so Grant

©REUTERS/Mario Anzuoni

Image-Rebellion

Jetzt also ein Horrorfilm. In "Heretic" (ab 26.12. im Kino) lockt der Brite als kauziger Psychopath mit Religionstick zwei junge Missionarinnen in sein Haus, um ihren Besuch in einen Alptraum zu verwandeln. Dabei gibt er in Opa-Weste und mit Brillen, die manche in politisch unkorrekteren Zeiten als Rapist glasses bezeichneten, den Hugh Grant, wie die Welt ihn aus dem Kino kennt: charmant und verlegen. Der große Unterschied: Er führt höchst Böses im Schilde. Hugh Grant läuft dabei zur schauspielerischen Hochform auf. Und wurde für seine Darbietung jüngst für den Golden Globe nominiert. 

Selbst wenn er nicht von alleine die Rede darauf bringt, genießt Grant es seit Jahren sichtlich, in allen möglichen anderen Genres aufzutreten – bloß nicht in romantischen Komödien. "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" oder der zum Weihnachtsklassiker avancierte "Tatsächlich … Liebe" - damit hat er sichtbar erleichtert abgeschlossen. 

In "Wonka" spielte er einen grünhaarigen Umpa-Lumpa, in "Unfrosted" Tony den Tiger, die Galionsfigur der Frühstückscornflakes von Frosties, in "The Gentlemen" von Guy Ritchie einen schmierigen Reporter. Hugh Grant sieht das so: Aktuell sei er, kommentierte er, "im Freak-Show-Stadium" seiner Karriere angekommen.  

Witzig: Hugh Grant als Umpa-Lumpa in "Wonka"

©©Warner Bros / Everett Collection / picturedesk.com/©Warner Bros/Picturedesk.com

Den schüchternen, charmanten, spröden Schönling, den etwas drögen Zauderer oder den chaotischen, liebenswerten, schwarzhumorigen Schüchti hat der Engländer mit nun 64 Jahren hinter sich gelassen. Endgültig? 

Wahrscheinlich nicht. Hugh Grant als Held einer Liebeskomödie zwischen zwei älteren Partnern, wie schon Jack Nicholson und Diane Keaton in "Was das Herz begehrt" oder Alec Baldwin und Meryl Streep in "Wenn Liebe so einfach wäre": Diese Idee scheint vielversprechend und es nur eine Frage der Zeit, bis ein findiger Drehbuchautor und ein schlauer Filmproduzent diesen Deal einfädeln. 

Liebe ist langweilig

Doch fürs Erste ist das einmal vom Tisch. Grant datiert das Sterbedatum seiner Rom-Com-Periode höchstselbst: Etwa 2010, räsoniert er beim Interview im Adlon, hätte er sich dieses Images wohl entledigt. Einen der Gründe dafür erwähnt er in einem Nebensatz und der erscheint einleuchtend: Es bestünde bei diesen Rollen immer die Gefahr, langweilig zu sein. 

Man kann es verstehen. Liebe zu spielen kann für das Publikum entzückend, aber darzustellen schrecklich reizlos sein. Als Spielball so menschlicher wie kosmischer Gefühle, was bleibt da? Sehnsuchtsvolle Blicke. Leidende Gesichter. Schmerzvolles Mienenspiel. Tränen, vielleicht. 

Millionenklagen gegen die Boulevardpresse

Hugh Grant verschließt sich den gängigen Verhaltensmustern. Er entgegnet ihnen sogar mit einem herzlichen F--k you. Natürlich nicht in diesem Ton. Und darüber können viele Medien eigentlich froh sein. Mit der englischen Boulevardpresse hat er furchterregende Erfahrungen gemacht. 

In einem langen Prozess, der erst dieses Jahr endete, warf er der Sun vor, sein Telefon abgehört und bei ihm eingebrochen zu haben. Man einigte sich außergerichtlich. "Wie es für vollkommen unschuldige Leute üblich ist", twitterte Grant dazu vernichtend, "bieten sie mir ungeheuer viel Geld, um die Sache außerhalb des Gerichtes zu halten."

Was Gespräche mit der – nicht nur schreibenden - Zunft anbelangt, legt der Schauspieler also eine gewisse Verweigerungshaltung an den Tag, aber wird dennoch nie rüde. Er ist ein Grantscherm sondergleichen, dazu steht er. Die Red-Carpet-Interviewerin beim vergangenen Oscar, die ihn unter anderem nach der Marke seines Anzugs fragte, ließ er beispielsweise gepflegt anrennen. 

Unsinnigen Fragen begegnet er mit distinguierter Verschlossenheit, absurden Auswüchsen der Entertainment-Industrie wie verlogenen Showbiz-Interviews tritt er mit sarkastischer Versnobtheit entgegen. Indem er alles extrem überhöht und durch Ironie bloßstellt, zeigt er die höchste Art der Intelligenz: Er beweist seinen Humor. 

Hugh liebt die Pointe

Zeitungen misstraut Grant. Seine Pointen, das ahnt er, würden niedergeschrieben nicht zünden. Schlimmstenfalls würden sie verzerrt. "Alles wird verkürzt, der Humor entfernt und aus dem Kontext gerissen", erklärt Grant uns im Gespräch seine Bedenken. Er fände das ziemlich deprimierend. Meistens würden die Leute weinen, während sie ihm einen dieser Artikel zeigen.

In Talkshows läuft Grant aber öfter zur Höchstform auf. Kürzlich sinnierte er darüber, wie Rucksäcke, Wasserflaschen und Laubbläser ihn zur Weißglut treiben. Und als er beim britischen Show-Host Graham Norton über seine Filmpartnerinnen referierte, von Drew Barrymore bis Julianne Moore – köstlich. Über Renée Zellweger sagte der Brite: "Sie ist wirklich reizend. Aber ihre E-Mails sind 48 Seiten lang."

Das traut sich sonst kein Filmstar zu sagen. Andere Schauspieler neigen dazu, lieber faserschmeichelnd Allgemeinplätze von sich geben, welche Freude der Filmdreh war und wie toll die Kollegen. Hugh Grants Bissigkeit erscheint oft als Notwehr gegen Langeweile. Und sie hilft ihm, niemanden zu nahe an sich ranzulassen und auf einer gewissen Distanz zu halten.

Auch Grants Laudatio für Richard Curtis, Autor von "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" bis "Notting Hill", der kürzlich einen Ehren-Oscar bekam, hatte es in sich. In einer siebenminütigen Rede erzählt Grant, wie Curtis ihn anfangs als Hauptdarsteller seiner Komödien zu verhindern versuchte – und beleidigt ihn fortwährend genussvoll, durchzogen von beißender Ironie, wie es nur Freunde untereinander tun können. 

Versöhnliche Worte über seine Zeit als König der romantischen Komödien hält Hugh Grant beim Interview im Adlon aber dann dennoch bereit: „Ich bin stolz darauf, dass einige dieser Filme so lange überlebt haben“, sagt er uns. Und: „Ich habe diesen Teil meiner Karriere am meisten genossen. Aber jetzt bin ich ebenso glücklich mit dem, was ich tue.“

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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