Krimi-Bestsellerautor Herbert Dutzler: "Schreiben ist eine Sucht"

Seine Altaussee-Krimis sind höchst erfolgreich. Kein zweiter Handke zu werden, musste Herbert Dutzler dennoch erst verschmerzen.

Franz Gasperlmaier ermittelt wieder. "Letztes Glückskeks" heißt der zwölfte Band der überaus erfolgreichen Altaussee-Krimireihe.

Mehr als 350.000 Mal hat sie sich verkauft, seinem Autor Herbert Dutzler den Österreichischen Krimipreis gebracht, fünf Teile wurden auch fürs Fernsehen verfilmt. Tatort ist immer Altaussee. Im neuen Fall geht es um Baukorruption, Overtourism und einen chinesischen Delegierten, der tot im Hotelpool treibt. Spannung made in Austria.

Es erscheint Ihr zwölfter Altaussee-Krimi. Haben Sie schön langsam genug, würden einen Roman zu gern einmal woanders spielen lassen, doch der Erfolg zwingt Sie, nachzulegen? 

Zwang ist es keiner. Das positive Feedback des Publikums motiviert. Ich schreibe aber auch eine Coming-of-Age-Reihe, das sorgt für Abwechslung. Den vierten Band liefere ich im Februar beim Verlag ab.

Sie produzieren sehr viel. Sind Sie das, was man eine "Schreibmaschine" nennt? 

Das Schreiben ist eine Sucht geworden. Ohne zu schreiben, fehlt mir der Sinn eines Tages. Anderen geht es so mit dem täglichen Sport. Ich fühle einen inneren Druck, zu schreiben. Als Kind habe ich gerne Aufsätze geschrieben, meine studentischen Schreibversuche blieben ohne Erfolg. Mit 45 habe ich begonnen, wieder Geschichten zu verfassen. Das Schreiben hat mich nie losgelassen.

Gasperlmaier ermittelt: Johannes Silberschneider in einem TV-Altaussee-Krimi 

©ServusTV / Severin Dostal/Servus TV / Severin Dostal

Im neuen Buch möchte ein Tourismusobmann Altaussee zu Hallstatt machen, was eine Leiche nach sich zieht. Hat der Trend zum Overtourism Sie zur Handlung inspiriert?

Mir sind die Konflikte selbstverständlich aufgefallen. Hallstatt ist ein Musterbeispiel dafür. Will man das lösen, wird man um Tagespässe für Besucher kaum umhinkommen. Die Ressourcen sind begrenzt, die Parkplätze ausgelastet und die Restaurants sind voll. Es wird mit jedem Jahr mehr.

Altausseern sagt man nach, wenig weltoffen zu sein, es herrscht das "Mia san Mia". Wie kommt es dort an, wenn ein Dutzend Romane das Land als Hort von Mord und Totschlag porträtiert?

Großteils positiv. Viele Leser wollen sich die Buchschauplätze anschauen, der Tourismus hat das erkannt. Das war nicht immer so. Bei meinem Altaussee-Krimi "Der letzte Stollen" musste der Chef der Bergwerke erst dazu überredet werden, mir zwecks Recherche eine Führung durch den Stollen zu gestatten. Zum Glück war sein Marketingteam hellauf begeistert. Schließlich fand die Buchpräsentation sogar dort statt. Man hat begriffen, dass so ein Buch den Besuch eher fördert als Leute fernhält.

Altausse-Freund Dutzler: "Viele Leser wollen sich die Buchschauplätze anschauen, der Tourismus hat das erkannt"

©Monika Löff

Das ist doch logisch, sollte man glauben.

Es gibt diese Bedenken öfter. Etwa wollte der Tourismusverband das erste österreichische Krimifestival namens "Mörderischer Attersee" erst nicht unterstützen. Es wurde behauptet, die Leute hätten dann Angst, zu uns zu kommen, wenn da Leute ermordet werden. Natürlich ein Fehlschluss, siehe Donna Leon und Venedig.

Wie gut kennen Sie Altaussee?

Mein Vater hat in den Fünfzigerjahren eine Frühstückspension in Bad Aussee gebaut, die meine Mutter in den Sechziger- und Siebzigern geführt hat. Ich komme aus Schwanenstadt, habe aber viele Sommer im Ausseerland verbracht. Viele Kindheitserinnerungen an die Gegend begleiten mich, und auch familiäre Beziehungen gibt es: Mein Bruder hat eine Altausseerin geheiratet.

Haben Sie einen Lieblingsplatz dort?

Bei einer Umrundung des Altausseer Sees komme ich zur Ruhe, werfe viel inneren Ballast ab. Der schönste Platz für mich ist die Seewiese, am hinteren Ende des Sees. Da liegen Gesteinsblöcke, die vor Jahrtausenden vom Loser runtergefallen sind, es gibt Bäche und Weiher sowie ein altes Jagdhaus, das jetzt ein Restaurant ist, geführt vom Ex-Servicemann des Ski-Olympiasiegers Markus Wasmeier. Diese Wiese ist ein wunderbares Plätzchen.

Früher habe ich überall mitgeredet. Heute rede ich weniger und denke mehr. Ich nehme mich nicht für so wichtig. Und ich setze weniger auf Meinung, dafür auf Fakten.

Herbert Dutzler

Schon fast jede Gegend hat seinen Ermittler. Wie beurteilen Sie das Erfolgsphänomen Regionalkrimi

Eine Antwort hat niemand so recht darauf. Einzig, dass ein Krimi mehr bieten muss als eine Tätersuche. Es braucht Charaktere, eine Familiengeschichte, private Probleme – und spezielle Schauplätze. Wichtig ist bei Thrillern in ländlichen Regionen der Kontrast. Wenn in die scheinbare Ruhe und Gemütlichkeit ein Gewaltverbrechen hereinbricht, fasziniert das.

Gasperlmaier ist eher der Typ Grübler. Ähneln sie da einander?

Ich bin mehr das Gegenteil. Meine Frau meint allerdings, auch ich hätte mich mit dem Alter verändert. Früher habe ich in Gesellschaft oft das Wort ergriffen und überall mitgeredet. Heute rede ich weniger und denke mehr. Ich mische mich nicht mehr so viel ein, nehme mich nicht für so wichtig. Angesichts von Fake News und Konflikten in Gesellschaft und Politik setze ich weniger auf Meinung, dafür umso mehr auf Fakten.

Herbert Dutzler

Herbert Dutzler

Herbert Dutzler wurde 1958 in Schwanenstadt, OÖ, geboren und war 40 Jahre lang Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. Bekannt wurde er ab 2011 mit seinen Altaussee-Krimis ("Letzter Kirtag"). Seit 2020 erschienen drei Bände der Reihe um Sigi Niedermayr ("Die Welt war eine Murmel"). Verheiratet, zwei Kinder. 

Als Germanistik-Student haben Sie davon geträumt, ein zweiter Peter Handke zu werden. Jetzt sind Sie mit Krimis sehr erfolgreich. Konnte Ihr damaliges Ich Ihnen das inzwischen verzeihen?

Nur schwer. Als Student kultivierte man eine große Verachtung für Trivialliteratur. Simmel hat man damals verachtet. Später haben mir Serien wie "Kottan" den Krimi nähergebracht, ich habe Erwin Steinhauer oder Josef Hader bewundert. U und E schlossen sich nicht mehr aus. Das Kabarettistische hat mich bald mehr fasziniert als die sehr ernsthafte Literatur, die eher studiert werden muss als zum Vergnügen gelesen werden kann.

Schöne Aussicht: Eva Herzig und Johannes Silberschneider in einer Altaussee-Krimiverfilmung

©Servus TV / Severin Dostal

Sie lieben England und Schottland, erwandern sich diese Länder. Wie kam das?

Ich mag englisches Bier sehr gern. Und wenn ich das trinke, muss ich die Kalorien, die es verursacht, auch vor- und nachher verbrennen. Alleine zu wandern, tut mir gut. Ich habe das während der Pandemie schätzen gelernt, als ich den Jakobsweg nach Salzburg gegangen bin. Es bringt einen auf Ideen, der Geist wird frei für Neues.

Wo war es besonders schön?

Besonders schön war der West Coast Path in Südengland mit dramatischen Klippen und Buchten. Die wilde, raue Schönheit der Landschaft hat es mir angetan, in Schottland etwa die Isle of Skye. Schlechtes Wetter schreckt mich nicht ab. Die nächste Tour geht zum Hadrianswall, der einstigen Grenze des Römisches Reiches in Britannien.

Sie waren Lehrer für Deutsch und Englisch. Laut einer Studie beginnt jedes vier- und fünfjährige Kind die Schule mit Deutschproblemen. Wie denken Sie darüber? 

Je früher ein Kind in den Kindergarten kommt, umso schneller lernt es die Sprache. Ich trete für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr ein. Dort muss halt das Verhältnis der Herkunft stimmen. Am Land kein großes Problem, in der Großstadt schwieriger zu organisieren. Elementar für die Sprachentwicklung ist auch das Beherrschen der Herkunftssprache. Leider scheitert das oft an der sozialen Situation der Eltern. Doch wer die erste Sprache gut beherrscht, lernt die zweite oder dritte leichter.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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