
Der Dandy ist wieder da: Wenn Eleganz auf pure Rebellion trifft
Dandys feiern ein modisches Comeback. Hinter der Eleganz steckte mehr: Ein Dandy war Meister der Inszenierung und gegen den Massengeschmack.
Auf den Pariser und Mailänder Laufstegen wehte zuletzt ein Hauch von gepflegtem Größenwahn. Die Dandys sind zurück. Weg mit den Hoodies, her mit Tweed, Karos und Sakkos. Gerne auch neu interpretiert und mit Anklängen von Street-Style.
Die Hose darf breit sein, ein Schlapphut kann den Zylinder ersetzen. Kniehose und Gehstock dürfen derweil noch im Kasten bleiben. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt? Der schludrig getragene Mittelscheitel hat jedenfalls ausgedient.
Jetzt heißt es: Pomade aufs Haupt, Haltung annehmen – es wird wieder elegant.
Das zeigt auch das Metropolitan Museum of Art in New York, das sich den "Black Dandys" widmet – Afroamerikanern, die im 21. Jahrhundert den Typus neu aufluden: von Prince mit seinen Rüschenhemden bis zu André 3000, der sich als Hip Hopper in feinstem Zwirn präsentierte.
Die dazu passende Met Gala im Mai leiten Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton, Rapper A$AP Rocky, Schauspieler Colman Domingo, Kreativkopf Pharrell Williams gemeinsam mit Vogue-Chefin Anna Wintour.
Ist es mehr als ein modisches Comeback? Ist es die Wiederbelebung einer alten Kunst? Man wird sehen. Denn das Dandytum war nie bloß eitler Pomp, sondern immer auch ein Statement: ein Spiel mit Konventionen, eine Geste der Ironie, eine Form des Widerstands.
Wer ein echter Dandy sein will, braucht mehr als feinen Zwirn – er braucht Haltung. Gerade die Black Dandys, wie die US-amerikanische Kulturwissenschaftlerin Shantrelle P. Lewis in ihrem Buch Dandy Lion schrieb: "Ein schwarzer Dandy ist ein Gentleman, der sich bewusst klassische europäische Mode aneignet, aber mit einer Ästhetik und Sensibilität der afrikanischen Diaspora."
Ein Dandy provozierte immer
Historisch gesehen war das Dandytum immer auch ein Ausdruck von Geist, Haltung und subtiler Rebellion. Schon alleine, weil so ein Dandy mit seinem Auftreten provozierte. Laut Oxford English Dictionary ist die Herkunft des Wortes unbekannt. Möglicherweise ist es die Kurzform von Jack-a-dandy aus dem 17. Jahrhundert, das eingebildeter Kerl bedeutet.
"Der Dandy amüsiert nicht, er dominiert. Durch seine absolute Selbstkontrolle beherrscht er die Szene. Die Aura seines Auftretens ist die Kälte."
Was er zu sein hat, ist hingegen fest umrissen: "Der Dandy hat keinen anderen Beruf als die Eleganz. Sie ist Ausdruck seiner materiellen und geistigen Unabhängigkeit und seiner moralischen Verfassung", definierte es Kulturhistoriker Günter Erbe einmal in einem Beitrag für die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte. Und das müssen naturgemäß nicht alle gut finden.
Aber auch das ist irgendwie erwünscht: "Der Dandy amüsiert nicht, er dominiert. Durch seine absolute Selbstkontrolle beherrscht er die Szene. Die Aura seines Auftretens ist die Kälte. Sie ist Ausdruck seiner Unerschütterlichkeit und Ungerührtheit und zugleich die besondere Form seiner Schönheit. Der Dandy gefällt, indem er missfällt", schrieb er.
Als Vorfahre der Dandys wird der griechische Staatsmann und Redner Alkibiades gehandelt, der sich mit reichlich Gold schmückte, hochmütig auftrat und eine übertriebene Eleganz an den Tag legte. Griechischer Gott ist nichts dagegen.
Die Dandys ersetzten den eleganten Adel
Mit der Französischen Revolution wurde es für den Adel schwieriger, sich unablässig der neuesten Mode zu widmen – oder auch nur die über Generationen verfeinerten Manieren zu pflegen. In diese Lücke traten die Dandys, deren klassische Vertreter im 19. Jahrhundert ihre beste Zeit erlebten.
Eitelkeit war ihr Elixier, die High Society ihr Biotop. Und sie achteten tunlichst darauf, dass sie innerhalb der exklusiven Gruppe ihre Regeln einhalten. Auch klar, ohne Geld keine Musi – und vor allem kein gediegener Lebensstil.
Wie Erbe stets betont, ein Dandy arbeitet nicht, das wäre ihm zu banal. Insofern ist er ein Abkömmling der Aristokratie. Schwere körperliche Tätigkeiten wären mitunter sogar nicht möglich gewesen. Manche Dandys brachten ihre Figuren mit Korsagen aus Fischbein in Form. Sehr zur Freude höhnischer Beobachter. Karikaturen über die eitlen Gecken gab es genug.
Der Dandy muss sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterlass erhaben zu sein, er muss leben und schlafen vor einem Spiegel.
Der Dandy musste nicht aus gehobenen Kreisen stammen. Siehe George Bryan Brummell, besser bekannt als Beau Brummell. Der Modekönig seiner Zeit regierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die englische Herrenmode mit eiserner Stilsicherheit. Seine Philosophie war die Eleganz durch Schlichtheit, nicht durch Prunk.
Er zeigte, dass ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen und einer gehörigen Portion Dreistigkeit die Aristokratie in ihren eigenen Salons übertrumpfen konnte. Nicht immer mit Erfolg: seine Spielschulden waren enorm.
Sie führten den aristokratischen Stil – besonders auch die Redegewandtheit – zwar gekonnt weiter, nahmen sich dabei aber Freiheiten heraus, die dem Adel verwehrt blieben. Bisexuell? Schwul? Wer wusste das schon so genau.
Ihr oft androgynes Auftreten war Teil des Spiels, ein stilvolles Augenzwinkern – und das in einer Zeit, in der Homosexualität mit dem Tod bestraft werden konnte. Bestes Beispiel: Oscar Wilde, der Inbegriff des Dandys. Doch sein Spiel hatte ein bitteres Ende – nach zwei Jahren Haft wegen homosexueller Beziehungen war er gesundheitlich wie finanziell am Boden. Die Grenze zwischen Dandy und Provokateur war stets schmal.
Er war das Vorbild für den Dorian Gray
Wilde steht für das literarisch-künstlerisches Pendant zum aristokratisch geprägten Gesellschaftsdandy – eine Entwicklung, die mit Lord George Gordon Byron beginnt. Autoren, die die Figur des Dandys in ihren Werken inszenieren, übernehmen dabei nicht selten selbst dessen charakteristische Züge. Oder sie nehmen sich andere zum Vorbild.
Robert de Montesquiou hat Marcel Proust die Türen zu adeligen Kreisen geöffnet. Proust setzt ihm in "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ein Denkmal. Dazu soll er das Vorbild für den schönen wie ruchlosen Hauptcharakter aus Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray" gewesen sein.
Mit Massenkultur und Massenmedien hat es das Exklusive – und damit auch der Dandy – schwer. Doch ein paar gibt es noch, zumindest solche, die als Dandys bezeichnet werden oder wurden: Bryan Ferry als der ewige Dandy des Pop. David Bowie fiel auch gerne unter die Kategorie. Karl Lagerfeld ebenfalls. Später Benjamin von Stuckrad-Barre oder Timothée Chalamet.
Doch auch wenn sie sich als solche stilisieren, wirkliche Dandys sind sie laut Definition des Kulturwissenschaftlers Erbe nicht: "Der Dandy arbeitet nicht. Alle diese Leute sind hochbeschäftigt. Sie müssen produzieren: Und das ist der Preis, den sie zahlen müssen", schrieb er in "Virtuosen der Lebenskunst". Aber ja, der Dandy rebelliert auch heute noch gegen den Massengeschmack und stets gleiche Stile.
Also: Ein bisschen mehr Dandy! Rein in den Anzug, auch wenn das manchmal mühsamer ist, als sich einen Kapuzenpulli überzustreifen.
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