Peter Lindbergh

Simply the best: Die schönsten Fotos von Tina Turner

Sie kam aus einem Kaff namens Nutbush, wurde mit Ike Turner weltberühmt – und zahlte dafür einen hohen Preis. Doch sie befreite sich und wurde zur Ikone weiblicher Selbstermächtigung.

Als Peter Lindbergh sie auf dem Eiffelturm fotografierte, mit zurückgeworfenem Kopf und halb Paris zu ihren Füßen, war sie längst frei. Frei von Nutbush, frei von Ike – und frei von jeder Erwartung, wie eine Tina Turner zu sein hatte. Sie hatte sich neu erfunden, als Solistin, als Rock-Göttin, als Frau, die wusste, was sie wollte.

Vorm Shooting der Szene, als Tina in High-Heels auf dem Eiffelturm herumkletterte, fragte Lindbergh sie besorgt, ob sie nicht flache Schuhe anziehen wolle. „Das ist doch nicht dein Ernst?!“, soll sie damals lachend geantwortet haben.

Zwei Jahre nach ihrem Tod am 24. Mai erinnert der Taschen Verlag nun mit einem prächtigen Bildband an diese zweite Tina – an die kraftvolle, spirituelle, lächelnde Frau, die Lindbergh so sehr liebte und verstand. „Es gibt niemanden, der mit ihr vergleichbar ist“, sagte er einmal. „Die energiegeladenste Frau, die ich kenne – und die ruhigste zugleich.“ 

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Mainstream? Vielleicht, aber selbstbestimmt
  • Neustart wenn andere in Pension gehen
  • Die "Ruhe hinter dem Donner"
Tina Turner

Wie ein Schnappschuss: Paris liebte Tina Turner ganz besonders. Hier ist sie gut gelaunt im legendären Café de Flore in Paris (1989)

©Peter Lindbergh

Im Vorwort des neuen Buches beschreibt Tina Turners Mann Erwin Bach deren besondere Verbindung zu Peter Lindbergh: „Wenn ich lebendige Bilder von Tina sehen möchte – der wahren Tina –, dann muss ich mir nur die außergewöhnlichen Fotografien von Peter ansehen.“ 

Eine Komplizenschaft, die in ihrer Tiefe selten war in der Welt der Show. Tina selbst sagte: „Peter konnte in meine Seele blicken. Er sah die Frau, das Kind, die Spaßmacherin, die Suchende – und die Gläubige.“

Tina Turner

Hoch hinaus, natürlich auf High Heels: Tina beim gewagten Shooting auf dem Eiffelturm. Die Welt liegt ihr längst zu Füßen (1989)

©Peter Lindbergh

Egal, ob er sie auf dem Eiffelturm fotografierte oder mit High Heels und Hutkoffer am  Strand von Deauville, barfuß im Alaïa-Ballkleid, selbst das Absurde erschien plausibel: Tina Turner, fotografiert von Peter Lindbergh, war immer glaubwürdig – weil sie sich nichts mehr beweisen musste. 

Sie war nicht nur Sängerin, sondern Sinnbild: für Stärke, Eleganz, Überlebenswille. Für eine Frau, die sich befreit hatte. Von den Zwängen der Provinz, dem zerrütteten Elternhaus, der toxischen Beziehung mit einem Mann, der sie schlug. 

Frei machte sich Tina auch von einem Musikbusiness, das Frauen entweder in Schubladen steckte oder gleich ganz überging.

Comeback der Königin

Ike Turner hatte sie zur Queen of Soul gemacht, auch wenn er immer eifersüchtig auf ihren wachsenden Ruhm war. Aber alleine, in den 1980ern, hat sie sich ganz bewusst verwandelt. Tina Turner wollte ganz nach oben. Und sie wollte sich dabei nicht länger entschuldigen. 

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„Tina Turner by Peter Lindbergh“

„Tina Turner by Peter Lindbergh“

Von Erwin Bach und Peter Lindbergh, Taschen Verlag, 224 Seiten, € 60 

Auch wenn der Sound glatter wurde,  das Publikum weißer – sie spielte jetzt auf den größten Bühnen der Welt, zu ihren Bedingungen. Songs wie What's Love Got to Do with It und The Best machten sie zur ersten, ultimativen Stadion-Ikone. 

Peter Lindbergh zeigte diese neue Tina, ohne sie zu glätten. In seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen wirkt sie kraftvoll, aber nie kalt. Schön, aber nie eitel. Einmal senkt sie nur leicht ihre Sonnenbrille und schaut direkt in die Kamera, als wollte sie sagen: „Ich durchschaue dich.“

Tina Turner

Während andere ihr Gesicht vorm Wind schützen, strahlt Tina am Strand für Peter Lindbergh

©Peter Lindbergh

In einem anderen Bild sieht man nur Hände und Knie – aber jeder erkennt sie sofort. Turner vertraute Lindbergh, weil er das Showhafte ablegen konnte. Weil er ihr erlaubte, sie selbst zu sein. „Wir waren Komplizen“, sagte sie einmal über ihn. „Er war bereit, das Unmögliche zu wagen – genau wie ich!“

Und genau davon erzählen die Bilder, die Peter Lindbergh im Lauf einiger Jahre von Tina Turner gemacht hat. 

Tina Turner

Tina Turner mit ihrem Lieblingscouturier Azzedine Alaïa am Fuß des Eiffelturms (1989)

©Peter Lindbergh

Bilder einer Frau, die nicht mehr gefallen musste, sondern leuchten durfte. Eine, die gelernt hatte, sich nicht mehr kleinzumachen – weder im Leben noch im Licht der Kamera. 

Es ist die Tina Turner der späten Jahre, nicht weniger elektrisierend, nur klarer in ihrer Kraft. Sie war nicht mehr die Getriebene, sondern längst die, die den Takt vorgab.

Tina Turner

Eine Frau – ganz viel Leben: Tina Turner 1996 in Los Angeles

©Peter Lindbergh

Tina war und ist Popgeschichte. In einer Welt, die jungen Frauen oft suggeriert, ihre beste Zeit sei vorbei, wenn sie 30 sind, zeigte sie mit 45, was echte Reife ausmacht. Dass das Licht in einem heller brennt, wenn man durch die Dunkelheit gegangen ist.

Tina Turner

Tina Turner Backstage 1989 in Paris

©Peter Lindbergh

Ihre Songs laufen heute wieder in Clubs, in Serien, finden sich auf populären Playlists.  Ihre Stimme, dieses kratzige, triumphierende Timbre, ist längst Teil des kollektiven Gedächtnisses. 

Und Lindberghs Bilder zeigen, was die Musik alleine kaum einfangen konnte: die Ruhe hinter dem Donner. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Frau sich in den Mittelpunkt stellte – nicht aus Eitelkeit, sondern weil sie endlich stehen durfte, wo sie hingehörte. 

Tina Turner

"Komplizen": Tina Turner und ihr Freund Peter Lindbergh

©Peter Lindbergh

Ein Leben zwischen Soul und Satori, Show und Selbstermächtigung. Und eine Freundschaft, die mehr war als ein künstlerisches Projekt: ein stilles Bündnis zweier Menschen, die wussten, wer sie waren – und was sie konnten.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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