Miniatur der Statue Salomon Rothschilds für den Nordbahnhof von J. Meixner
Ausstellung

Der Bankier, der am Nordbahnhof die Reisenden empfing

Ausstellung im Jüdischen Museum Wien über die Bankiersdynastie der Rothschilds, die in Wien bleibende Spuren hinterließ.

Die Spurensuche beginnt mit Irritationen. Was macht ein von der Decke schwebendes Krokodil im Jüdischen Museum Wien (JMW) in der Dorotheergasse? Es ist eine Schenkung der Familie Rothschild 1930 an das Naturhistorische Museum.

Und die steinerne Sphinx am Beginn der Ausstellung „Die Wiener Rothschilds. Ein Krimi“? Sie ist ein Überbleibsel des 1954/’55 abgerissenen Palais (Albert) Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße (in der NS-Zeit die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ unter Adolf Eichmann) und wurde nach umfangreichen Recherchen mithilfe von Google Earth in einem Privatgarten in Wien-Liesing aufgespürt.

Palais Rothschild, Foyer, Blick aus dem Stiegenhaus, Mai 1943 

©JMW/Karl Scherb/ÖNB

Reicher als Reich

Ihr Name ist ein Synonym für Reichtum, Macht und Einfluss und zugleich Klischee für antisemitische Propaganda. Die Rothschilds sind zum Mythos geworden und durch ihren märchenhaften Aufstieg innerhalb zweier Generationen zur Legende des Kapitalismus. Ebenso bewundert wie angefeindet. Was mit Mayer Amschel Rothschild Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankfurt begann, wurde durch dessen fünf Söhne zur europäischen Erfolgsgeschichte: Salomon von Rothschild in Wien wurde Bankier des Staatskanzlers Metternich und Unternehmer.

Erinnert wird in der von Gabriele Kohlbauer-Fritz und Tom Juncker kuratierten Schau an vieles, das es längst nicht mehr gibt: das Hotel „Zum Römischen Kaiser“ in der Renngasse 1, Urzelle des Imperiums in Wien, das 1869 gestiftete Krankenhaus der Wiener israelitischen Kultusgemeinde am Währinger Gürtel 95-97 oder die „Zaubergärten“ auf der Hohen Warte mit ihren exotischen Früchten und Pflanzen.

Österreichische Freiheitsstatue

Am von der Familie maßgeblich finanzierten Nordbahnhof stand einst eine Statue von Salomon von Rothschild – oft der erste Anblick für eintreffende galizische Juden. JMW-Direktorin Danielle Spera: „Es war die österreichische Freiheitsstatue.“ Ein eigener Krimi ist das Schicksal von Louis Nathaniel Freiherr von Rothschild, seit 1911 Leiter des Privatbankhauses Rothschild & Söhne in Wien und lange Hauptaktionär der Creditanstalt, der größten Bank Österreichs: 1938 halten ihn die Nazis über ein Jahr lang im berüchtigten Gestapo-Gefängnis am Morzinplatz in Einzelhaft fest. Bankhaus, Immobilien und die wertvolle Kunstsammlung werden ihm abgepresst, ehe er Österreich verlassen kann. Auf eigenen Wunsch wird er 1955 in Wien bestattet – gerade als sein Palais demoliert wird.

Abbruch des Palais Rothschild, Abtransport der Sphinx, 1954/55  

©JMW/Alfred Klahr Gesellschaft

Zwangswidmung

Die Restitution der in der NS-Zeit geraubten Kunstwerke war langwierig und kompliziert. Die Wiener Rothschilds bekamen den Großteil ihres Vermögens zurück. Im Gegenzug mussten sie aber wesentliche Werke ihrer Kunstsammlung österreichischen Museen „widmen“ – 111 Objekte, u. a. von Frans Hals und August Pettenkofen. Erst 1999 – ein Jahr nach der Unterzeichnung des Kunstrückgabegesetzes – wurden die zwangsgewidmeten Werke an die Familie restituiert.

Nach einer Odyssee auch das zuerst von der SS beschlagnahmte Familienarchiv der Rothschilds in Wien, das – 1945 von der Roten Armee konfisziert – in Moskau landete. Erst 2001 kamen die „Moscow Papers“ ans Rothschild Archiv in London.

Das Palais (Albert) Rothschild, Prinz-Eugen-Straße, Wien 1939

©JMW/ÖNB
Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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