Comedian Harry G im Interview: "Grant ist eine Befreiung für die Seele“
Er ist der Großmeister des Grants: Harry G konterkariert alle, ob Hipster, Banker oder Veganer. Ein Gespräch über rosa Poloshirts, Wokeness und die Frage: Wie hoch ist Ihr Blutdruck?
Bissig und bayerisch. Der Comedian Harry G ist ein echter Hoamboy. 2013 wurde der ehemalige Investmentfond-Manager mit einem kurzen Youtube-Video bekannt, auf dem er über die Zustände am Oktoberfest abgrantelt. Das kam an. Weitere Clips folgten und wurden millionenfach angeklickt. Bei den sozialen Medien wurden sie vielfach geteilt. Immerhin bekommt bei dem als Markus Stoll geborenen 43-Jährigen jeder sein Fett ab: Lifecoaches, Unternehmensberater, Influencer, dazu nimmt er Trends aufs Korn, von der kulturellen Aneignung bis zu Mykonos-Urlaubern. Für einige Auftritte kommt der Mann mit dem Hut jetzt mit seinem Programm „Hoamboy“ nach Österreich. Und er hat viel zu sagen.
Ich bin seit ich drei Jahre alt war begeisterter Skifahrer, Snowboarder und Freerider. Da war Innsbruck natürlich ideal, um vier Jahre lang Betriebswissenschaften zu studieren. Geboren bin ich ja in Regensburg. So viele andere tolle Universitäten gab’s da zudem nicht in der Nähe.
Die Tiroler waren dem Piefke immer sehr skeptisch gegenüber. Aber Sport verbindet halt. Durch ausreichend Integrationsarbeit meinerseits gaben wir letztlich eine tolle Truppe ab, aus überwiegend Einheimischen und mir. Mittlerweile gibt es viel mehr deutsche Studenten in Innsbruck als damals. Aber so viel leichtes Miteinander wie wir erleben die nicht mehr. Das sind zwei Lager.
Ausgegrenzt nicht. Aber die Deutschen sind begabt darin, alles dafür zu tun, um als möglichst deutsch aufzufallen.
Im Großen und Ganzen den Dialekt, oder sagen wir: die Phonetik. Zudem pflegen beide eine hohe Wertschätzung zur Heimat. Beide versuchen nicht, ihre Tradition zu leugnen. In Bayern wie Österreich besteht immer ein gewisser Stolz aufs schöne Dahoam. Wir sind doch alle stolz auf unsere Herkunft, oder? Eine weitere Gemeinsamkeit ist Wien und München.
Die zwei Städte könnten sich ähnlicher nicht sein. Jedenfalls was die Leute betrifft. In Wien habt ihr den Bobo. In München gibt es die Schickeria und die, wie ich sie nenne, Isarpreißn, also zugezogene, reiche Schnösel. Dazu kommt, beide Städte nehmen eine Sonderstellung in ihrem Land ein. In Bayern sagt man nicht, dass man aus Bayern kommt, wenn man aus München kommt. Da kommt man aus München. Die Wiener sagen, sie sind aus Wien, nicht zwangsläufig aus Österreich. Eine unglaubliche Parallele.
Definitiv. Mir macht das enorm Spaß. Nicht nur allein das Beobachten von Menschen. Sondern auch der Versuch, ihrem Verhalten auf den Grund zu gehen. Ich frage mich, wie sie ticken – und warum so viele von ihnen so uniform sind: gleiches Auto, gleiche Kleidung, gleiche Art zu reden. Da stelle ich mir als Harry die Frage: Wie kommt das?
Meine Beobachtungen basieren weniger auf dem Aufsuchen spezieller Plätze als vielmehr auf dem Leben an sich. Wenn ich zum dritten Mal an einem Kindergarten vorbeifahre und da von Tag zu Tag mehr Lastenfahrräder davor stehen, frage ich mich: Ist das ein Radlgschäft oder ein Kindergarten? Dann addiere ich dazu ein paar Fakten, ein bisserl Fantasie und nehme es in mein Programm auf oder mache einen Clip darüber.
Im Prinzip nicht. Aber wenn sich solche Gruppen bilden, die meinen, sie würden das Leben besser verstehen als andere, dann ziehe ich denen gern das eine oder andere Mal den Stecker und sage: nein. Erstens, seid ihr nix besonderes. Und zweitens: So geil seid ihr jetzt auch wieder nicht.
In Bayern gibt’s das Sprichwort: Man sagt ja nix, ma redt ja bloß. Der Grant ist bei uns eine Befreiung für die Seele. Im Grunde gar nicht so verschieden vom Wiener Schmäh. Man lässt raus, was man längst schon hätte loswerden sollen. Ob das angebracht ist oder nicht, das ist eine andere Frage.
Sagen wir so: Ich bin ein Mensch mit einem gewissen Reizpotenzial. Aber als Harry G echauffiere ich mich mehr als dass ich mich ärgere. Über Phänomene, die ich über längere Zeit beobachtet habe und die von mir dann eingeordnet wurden.
Im Gegenteil. Ich nutze diese tolle Möglichkeit, mir auf der Bühne allen Ärger wegzugranteln, sodass ich ihn fürs normale Leben bereits verarbeitet habe. Wenn man meine Frau dazu befragt, würde sie wahrscheinlich antworten: Privat übt er das, was er auf der Bühne bringt. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte.
Mein Stil steht für grantig, böse, direkt und sehr klar und deutlich. Ich setze das nicht wirklich nur dafür ein, die Leute von heute besser zu erreichen. So einfach ist es leider auch nicht. Man darf nicht vergessen: Harry G ist eine Kunstfigur, der Grant eine durchaus gewollte Überzeichnung. Er ist halt einfach einer, der sich aufregt. Mir ist vor allem wichtig, dass er Energie versprüht. Gemächliches Kabarett mag ich nicht. Mir gefällt, wenn einer auf die Bühne kommt und gleich alle und alles mitreißt. Kunstfigur hin oder her, er ist schon nah an mir dran, der Harry.
Selten. Manchmal habe ich eher das Gefühl, ich sollte noch eine Schippe drauflegen.
Ich habe eine hohe Energie auf der Bühne und spreche das Publikum direkt an, aber nie wird man von mir hören oder sehen, dass ich über eine Minderheit herziehe. Mein Anspruch ist auch nicht, mich im Jahr 2023 immer noch über Veganer lustig zu machen. Das ist mir zu billig. Was ist denn verkehrt an einem Veganer? Sofern er mich nicht ständig über sein Essverhalten belehrt, ist an ihm nix verkehrt. Im Gegenteil, ich finde Veganismus sogar löblich.
Die Dreistigkeit und das Spitzbübische meines Vaters, all das hat mich stark geprägt. Er hatte manchmal auch einen sehr derben Humor. Ich fand das alles toll als Kind.
Es waren unglaublich lehrreiche Jahre. Dadurch ist auch die Figur des Isarpreißn entstanden. Ich hatte da mit Leuten zu tun, wo du glaubst, die gibt’s nicht. Irgendwann war ich dann aber durch damit.
Ich bin kein Porsche-Fan.
Dazu kann ich nur jedem Mann ins Stammbuch schreiben: Kannst du nicht tragen! Ein No-go. Außer, du bist seit 20 Jahren im Golfclub und machst dich kollektiv mit allen anderen Nasen da zum Trottel.
Seine Dreistigkeit und das Spitzbübische, all das hat mich stark geprägt. Er hatte manchmal auch einen sehr derben Humor. Ich fand das alles toll als Kind. Meiner Mutter und mir hat er unglaublich viele Streiche gespielt. Er hat auch Dialekte imitiert, mehr schlecht als recht. Seinen Humor habe ich lediglich weiterentwickelt.
Plötzlich war ich über Nacht bekannt wie ein bunter Hund. Die Leute haben mich auf der Straße angesprochen, das war anfangs extrem ungewohnt. Einmal bin ich dem Fußballstar Bastian Schweinsteiger begegnet. Im Vorbeigehen sagte er, hey, du bist doch der Harry. Was für ein Moment, ich habe das wirklich genossen. Das hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Aber es war zu der Zeit tatsächlich noch möglich, allein durch Youtube so bekannt zu werden. Es war unfassbar. Unfassbar toll.
Live-Termine
28.3. Wien, Globe
29.3. Ybbs an der Donau, Stadthalle/Ybbsiade
30.3. Salzburg, Szene
15.4. Telfs, Rathaussaal
Sie hat durchaus einen unterschiedlichen Humor-Ansatz als ich. Ich weiß aber: Wenn ich meine Frau überzeugen kann, etwas witzig zu finden, dann ist es das auch. Wenn ich ein herzhaftes Lachen aus ihr rauskriege, dann ist eine Story und ein Gag auch allgemein und für die Bühne tauglich.
Der Alfons, der pessimistische Beisl-Stammgast mit seiner krächzenden Kettenraucher-Stimme, ist unsere gemeinsame Lieblingsfigur. Das ist wirklich das fertigste Schwein auf der ganzen Welt. Wenn der sagt, geh schleich di in Oasch, dann funktioniert der als Figur im Ruhrpott genauso wie in Wien. Aber auch der Isarpreiß ist mir sehr ans Herz gewachsen. Als Zugereister in München hat er naive Freude an Dingen, die dich nur noch nerven. Er steht am Wochenende klaglos im Stau zum Tegernsee und freut sich über die Aussicht auf die Berge, während die Einheimischen über ihn schmunzeln – und einige, also ich, über ihn granteln.
Für ein Hut-Zimmer reicht es nicht, aber für ein Regal. Ernstzunehmende Hüte, tauglich für Bühne und Videos, sind es ungefähr zehn. Ich habe auch noch Spaßhüte in meiner Requisitenkammer. Wenn ich einmal nimmer bin und jemand räumt die aus, wird er denken, ich sei ein Freak gewesen. Vom Männer-Dirndl über Faschingshüte vom Oktoberfest bis zu High Heels Größe 45 – da ist alles dabei.
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