Selbstversuch

Panikattacken wegen eines Horrorfilms: Ist "Smile" wirklich so schlimm?

Smile sorgt gerade in Sozialen Netzwerken für Furore. Was ist dran an dem Horror-Streifen? Ich habe ihn gesehen, so ging's mir danach.

Ende September startete in den österreichischen Kinos der Horrorfilm „Smile – Siehst du es auch?“. Die Produktion machte jedoch bereits vorher Schlagzeilen: In einer groß angelegten Aktion setze das Marketing-Team des Films neben Postern und Trailer auf Guerilla-Marketing. So platzierten sie bei jedem Baseball-Spiel der Major League eine Person in den ersten Reihen mit dem für den Film typischen „finsteren Lächeln“. Über Twitter verbreiteten sich die Videos rasend schnell und zogen immer mehr Besucher in die Kinos:

Panickattacke im Kino

Doch damit nicht genug: Seit Filmstart kursieren auf TikTok immer mehr Videos mit Reaktionen der Kinobesucher. Die meisten Videos sind gleich aufgebaut: XY zeigt sich vor dem Kinobesuch meist fröhlich und entspannt, nach dem Film jedoch verstört und verängstigt. Von „Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll“ über zusammengekauerte Kinobesucher bis hin zu Zuschauern, die vorzeitig aus dem Saal stürmen, ist hier alles dabei. Eines der Videos soll zeigen, wie ein Kinomitarbeiter den Notarzt rufen muss, weil ein Zuschauer bewusstlos wurde. Aufgrund der heftigen Reaktionen im Netz gibt es nun in einigen Kinos verstärkte FSK-Kontrollen (der Film ist ab 16). 

Aber ist tatsächlich was dran? 

Um das herauszufinden, habe ich mir den Film selbst angesehen.

Aber zunächst zur Handlung: Sie beruht auf dem gängigen Horrorfilm-Prinzip eines Fluchs. Die Protagonistin, eine junge Psychiaterin namens Rose Carter (Sosie Bacon) muss am Anfang des Films mitansehen, wie sich eine ihrer Patientinnen die Kehle aufschneidet – mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht. Nach diesem Vorfall sieht Rose überall seltsame Dinge und Menschen, die sie finster angrinsen oder gar tot sind. Natürlich hält ihr Umfeld sie für psychisch krank und wendet sich von ihr ab. Soviel zur Handlung, jetzt auf ins Kino.

Obwohl ich gefühlt jeden Horrorfilm gesehen habe – ja, ich liebe dieses Genre – war mir gegen Abend etwas flau im Magen. Es gibt nämlich eine Sache, die ich absolut nicht aushalte - und das ist, wenn sich in einem Horrorfilm jemand in unnatürlichen Verrenkungen auf einen zubewegt. Das ist wohl auch mit einer der Gründe, wieso mir immer noch ganz anders wird, wenn ich an „The Grudge“ oder „Der Exorzist“ und deren Treppenszenen denke. 

(Anmerkung der Redaktion: Eine Kollegin musste den folgenden Clip in den Artikel einbetten, weil die Autorin sich psychisch nicht dazu in der Lage sah).

Ausgestattet mit Nachos und Getränken ging's auf in den Kinosaal, der übrigens relativ leer war. Nur knapp um die 40 Leute saßen mit meinem Freund und mir im Kino.

Schreie im Kino

Nach gefühlt 100 Werbespots ging’s los - ohne lange Vorgeschichte oder Rumgeplänkel. Man ist gleich mittendrin im Geschehen und die ersten Jumpscares lassen nicht lang auf sich warten. Und die sind wirklich gut platziert. Denn im Gegensatz zu einigen anderen Filmen, kommen sie nicht genau dann, wenn der Protagonist den Spiegelschrank wieder schließt, sondern ein bis zwei Minuten danach, wenn sich der Großteil der Zuschauer bereits wieder entspannt hat und auch die Horrormusik im Hintergrund schon verebbt ist.

Immer wieder reißt es das Publikum und man hört „Naaa“, „Oida“ oder kurze Aufschreie. Auch ich erschrecke mich nicht nur einmal - ACHTUNG Spoiler: Auch auf das von mir verhasste "Herumkreu'n" à la Exorzist setzt der Regisseur noch gegen Ende. Aber Augen zu und durch. Gleiches hat sich wohl auch meine Sitznachbarin gedacht, die statt der Leinwand nur die Armbeuge ihres Begleiters gesehen hat und schon eher auf seinem als ihrem eigenen Sessel saß.

Schlussendlich ist dieser Horrorfilm wie jeder andere auch. Man fragt sich: Warum macht sie nicht einfach das Licht an, anstatt im Dunklen umherzuirren? Das Rad wird hier nicht neu erfunden. 

Ja, der Film ist wirklich gut gemacht. Aber der schlimmste Horrorfilm aller Zeiten? Das wage ich zu bezweifeln. Man erschrickt und gruselt sich, aber zumindest bei unserer Vorstellung ist niemand in Ohnmacht gefallen oder hat vorzeitig das Kino verlassen. Zusammengekauerte Teenager am Boden vor dem Kinosaal? Fehlanzeige.

Im Gegenteil, den Leuten und auch mir hat der Film gefallen und alle sind mit einem Lächeln aus dem Kino geströmt – und nein nicht das finstere aus dem Film.

Mein Fazit: Eine gute Marketing-Idee, zu der auch die TikTok-Videos beitragen. Um es mit den Worten meines Freundes zu sagen: „Das gruseligste ist jetzt die Heimfahrt mit der U6“.

Veronika Dienersberger

Über Veronika Dienersberger

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit. Die gebürtige Münchnerin studierte Content Produktion und Digitales Medienmanagement an der FH Wien und war zuletzt bei der MG Mediengruppe Online-Chefredakteurin. Sie liebt Reisen, gutes Essen und Musik.

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