Alois Mühlbacher

Countertenöre boomen: Alois Mühlbacher macht Billie Jean barock

Alois Mühlbacher interpretiert Michael Jacksons "Billie Jean" neu. Er ist im Trend: Österreich schickt mit JJ sogar einen Countertenor zum Song Contest.

Alois Mühlbacher hat Michael Jacksons Billie Jean“ in eine barocke Arie verwandelt, samt stylischem Musikvideo und exzentrischer Kleidung. Regie führte Antonin B. Pevny, der schon Bilderbuchs legendären Clip zu "Maschin" (ja, das mit dem gelben Lamborghini) gedreht hat. 

Mühlbacher galt einst als Wunderkind bei den St. Florianer Sängerknaben, sang früh an der Wiener Staatsoper – heute ist er gefeierter Countertenor, weltweit unterwegs und Intendant des Barock Festival St. Pölten.

Mit der freizeit spricht Mühlbacher über Pop im Barockgewand, Ängste eines Wunderkindes und warum er seine Stimme als Sucht empfindet.⁠

Sie singen Michael Jackson als barockes Lied in hoher Stimmlage. JJ ist ebenfalls Countertenor und vertritt Österreich beim Song Contest. Liegt da gerade etwas in der Luft? 

Alois Mühlbacher: Den Boom um die Countertenöre gibt es eigentlich schon länger. Philippe Jaroussky hat ihn vor einigen Jahren ins Rollen gebracht. Er hat sich getraut, aus dem klassischen Repertoire auszubrechen und romantische Lieder zu singen. Dabei hat er auch eine ganz neue Klangfarbe vorgestellt. Seither hat sich die Wahrnehmung verändert, wie ein Countertenor eigentlich klingen muss. Heute gibt es spannende Ausflüge ins Pop-Genre. Der Markt wächst enorm, und damit wird es auch schwieriger, sich durchzusetzen. Man muss einen eigenen Weg finden.

Hat diese Renaissance auch damit zu tun, dass man heute viel mehr mit Identitäten spielen kann?

Es herrscht heute eine totale Freiheit. Es ist etwas Besonderes, eine spezielle Stimme zu haben. Das Bedürfnis, auszubrechen und Neues zu wagen, war immer da. Jetzt gibt es Raum dafür.

Wie kamen Sie darauf, "Billie Jean" als Barocklied zu interpretieren?

Das hat seinen Ursprung während der Corona-Zeit. Ich saß mit einem Freund zusammen, dem Komponisten und Arrangeur Georg Wiesinger. Er schrieb eine barocke Version von "Don’t Stop Me Now" von Queen. Dann kam Regisseur Antonin B. Pevny dazu, ein Michael-Jackson-Fan. Er wollte immer schon ein Musikvideo zu einem Jackson-Song machen. Es musste natürlich ein Lied sein, das sich sowohl für meine Stimme als auch für eine barocke Struktur eignet. So entstand unsere Version von "Billie Jean".

Wie unterscheidet sich ein Pop-Song von einer Arie?

Ich muss die Stimmtechnik gar nicht verändern. Aber so einen Hit mit meiner Stimme zu singen, das macht auch etwas mit mir selbst. Wenn man das ernst nimmt, spürt man den Spirit des Songs ganz unmittelbar.

"Nach dem Stimmbruch gab es die Angst, dass es vorbei sein könnte. Dass ich keine Mittel mehr habe, mich auszudrücken."

Alois Mühlbacher Countertenor

Das Klassikpublikum gilt gerne als puristisch. Wie reagiert es auf Song und Video?

Bisher habe ich kein negatives Feedback bekommen. Die Leute sind eher erstaunt – vor allem, wenn sie sich das stylische Video ansehen, das wir im Stift St. Florian gedreht haben.

Welcher Song kommt als Nächstes?

Das darf ich noch nicht verraten. Aber es wird etwas Wilderes. Durch die Zusammenarbeit mit Antonin B. Pevny ist ein Gesamtkunstwerk aus Ton und Bild entstanden, in dem sich Musik und visuelle Ästhetik miteinander verweben. Daran wollen wir anknüpfen. Wir sehen da viel Potenzial, auch ein neues Publikum zu erreichen.

In den Achtzigern gab es Klaus Nomi, eine Mischung aus Opernsänger und New-Wave-Performancekünstler – und Gesamtkunstwerk. Können Sie sich so etwas für sich vorstellen?

Mein künstlerisches Herz schlägt für Barockmusik. Aber diese Leichtigkeit, die man spürt, wenn man sich in andere Genres hineinbegibt, ist sehr verlockend. Ich kann mir vorstellen, daran weiterzuarbeiten – aber immer im Bewusstsein, woher ich komme.

©Nell Leidinger

Warum ist es gerade die Barockmusik, die Sie so fasziniert?

Das hat viel mit meiner Ausbildung bei den St. Florianer Sängerknaben zu tun. Da habe ich schon mit zehn Jahren ein tiefes Verständnis für Bach und die klassische Musik entwickelt. Es ist ein Geschenk, so früh Zugang zu dieser Welt zu bekommen.

Sie wurden damals als Wunderkind bezeichnet. Sie waren Solist bei den Sängerknaben, sangen schon früh an der Staatsoper. Was macht das mit einem?

Als Kind macht so etwas einiges mit einem. Ich dachte: Ich kann alles singen. Rückblickend war es eine bereichernde Zeit. Aber natürlich gab es nach dem Stimmbruch die Angst, dass es vorbei sein könnte. Dass ich keine Mittel mehr habe, mich auszudrücken. Zum Glück kam es anders.

Gab es Phasen, in denen Sie dachten: Ich will einfach ein normales Kind sein, eine normale Jugend haben?

Klar. Manchmal habe ich mir gewünscht, so frei leben zu können wie meine Freunde – ohne ständig auf meine Gesundheit und meine Stimme achten zu müssen. Ich hatte diese Zeit in meinen Pausen auch ein bisschen. Aber da habe ich gemerkt: Dieses freie Leben hat für mich nicht den gleichen Wert wie das, was ich durch Disziplin und Musik geschenkt bekomme.

Was war Ihr größter Moment in der Karriere

Vor einem Jahr an der Mailänder Scala – mit Marc Minkowski in "Alcina". Als Kind hatte ich mit ihm bereits an der Staatsoper gearbeitet, nun fragte er mich für eine konzertante Aufführung an. Ich saß in der Maske, blickte nach oben – und da hingen Bilder von Maria Callas, Pavarotti, mit ihren Unterschriften. Da wurde mir bewusst, an welchem legendären Ort ich singen darf.

Als Kind konnten Sie die Königin der Nacht singen. Geht das heute noch?

Das geht nicht mehr, aber ich habe noch einen weiten Umfang. Ich könnte auch den Sarastro singen, ich bin eigentlich ein Bass.

In der Oper kann ich schwer abschalten. Ich analysiere ständig, entdecke Fehler – vor allem die, die ich selbst mache.

Warum sind Sie dann Countertenor geworden?

Das Ziel in meiner Kindheit war, später Tenor, Bariton oder Bass zu singen. Aber dann wollte ich meine Stimme erhalten. Als Countertenor kann ich mit dem Klang etwas erzeugen, das überirdisch wirkt. Das versetzt einen in eine andere Stimmung. Diese sinnlichen Töne, bei denen die Zeit stillzustehen scheint, sind eine Sucht für mich.

Ist Ihre private Playlist eher Bach oder Beyoncé?

Oft höre ich klassische Musik, dann brauche ich aber etwas anderes. Billie Eilish finde ich toll – da kommt viel Emotion rüber. Das berührt mich. Aber ich bin kein klassischer Pop-Fan.

Zur Person

Zur Person

Alois Mühlbacher, stammt aus Hinterstoder (OÖ). Er sang bei den St. Florianer Sängerknaben und debütierte mit 15 Jahren an der Wiener Staatsoper. Der 29-Jährige absolvierte ein Schauspielstudium in Linz und studierte Sologesang an der Musikuni Wien und an der Royal Academy of Music in London. Mühlbacher lebt in Wien. 

Gehen Sie abends eher in die Disco oder die Oper?

In die Oper und ins Theater. Lieber aber ins Theater. In der Oper kann ich schwer abschalten. Ich analysiere ständig, entdecke Fehler – vor allem die, die ich selbst mache.

Sie sind noch keine 30 Jahre alt und schon Intendant des Barock Festival in St. Pölten (vom 19. bis 28. Juni). Wie kam es dazu?

Ich wurde gefragt. Anfangs habe ich gezweifelt – weil keine Erfahrung. Aber nach einer Nacht Bedenkzeit habe ich zugesagt. Zum Glück war die erste Ausgabe ein Erfolg. Ich versuche, verschiedene Kunstrichtungen einzubinden – etwa mit Michael Köhlmeier oder Birgit Minichmayr, aber auch mit bildender Kunst. Auch einen Barocktanz-Workshop gibt es. Das Kuratieren macht mir großen Spaß und ich entdecke dabei neue Facetten an mir.

Tipp: Alois Mühlbacher singt am 29. April ab 20 Uhr in der Minoritenkirche Wien.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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