30 Jahre SMS: Wie sie die Kommunikation von Generationen prägte

Am 3. Dezember 1992 wurde die erste SMS versandt. Wie es heute um sie steht - und warum sich alle am Texten der Jungen stören.

Der Empfänger der allerersten SMS in der Geschichte würde heute vermutlich die Nase rümpfen. „Merry Christmas“ schickte der britische Softwareentwickler Neil Papworth am 3. Dezember 1992 an das Handy von Vodafone-Manager Richard Jarvis. Zwei Wörter, kein Satzzeichen. „Was hätte ich denn sonst schreiben sollen?“, wird sich der Absender noch Jahre später für die mangelnde Originalität rechtfertigen. Der Empfänger sei damals nun mal auf einer Weihnachtsfeier gewesen. Papworth selbst saß in einem Maschinenraum. Die Nachricht wurde von einem Computer geschickt. Ein Mobiltelefon, mit dem man die SMS hätte schreiben können, gab es nicht.

Nach einem langsamen Start wurde der Short Message Service (SMS) ab Beginn der 2000er-Jahre zu einem Massenphänomen. 2003 wurde in Österreich die Milliarden-Marke geknackt; der Höhepunkt folgte 2012: 8,4 Milliarden versendete SMS verzeichneten die heimischen Mobilfunknetzbetreiber. Der Boom bescherte ihnen Milliardengewinne (bis zu 40 Cent verlangten manche Provider für eine Nachricht). Er änderte aber auch die Art, wie wir kommunizieren: Weil Tippen mühsam und die Textlänge begrenzt war , entstand ein eigener Jargon, viele Abkürzungen (wie „hdl“ für „Hab Dich lieb“ oder „GN8“ für „Gute Nacht“) werden noch heute verwendet. Akla? (Alles klar?)

Generationenfrage

Besonders für Jugendliche wurde Simsen bald wichtiger als Telefonieren. Heute wird ihnen eine Telefonphobie diagnostiziert – obwohl die Jungen vor noch nicht allzulanger Zeit den Ruf genossen, am liebsten stundenlang das Festnetz zu blockieren, wie sich Rosemarie Nowak, Lehrgangsleiterin am Departement für Wissens- und Kommunikationsmanagement der Donau-Universität Krems, erinnert. „Die Generation Z hatte nicht die Möglichkeit, sich das Telefonieren zu krallen, weil das schon von früheren Generationen besetzt war. Durch die Digitalisierung haben sie eine andere Art zu kommunizieren erobert“ – und bei Älteren dafür durchaus Unverständnis geerntet: „Ich kenne keine Person über 40, die sich nicht schon mal über das Kommunikationsverhalten der Jungen aufgeregt hat“, schmunzelt sie.

Dass Texten heute einen viel höheren Stellenwert hat, bestätigt Christina Peter vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt: „Messengerdienste gehören heute in allen Altersgruppen zu den meist genutzten sozialen Medien, weit vor Instagram & Co.“

Fakten

Wer zuerst auf die bahnbrechende Idee kam, ungenutzte Kapazitäten im Mobilfunknetz für das Senden und Empfangen von Kurznachrichten zu verwenden, ist umstritten. Das erste tragfähige Konzept stammte 1985 vom Bundespost-Manager Friedhelm Hillebrand.

160 Zeichen lang durften SMS  zu Beginn höchstens lang sein.

2004 wurde das Wort „simsen“ in den Duden aufgenommen.

Inzwischen bieten Netzbetreiber mit RCS (Rich Communication Services) einen eigenen SMS-Nachfolger an, der auch eine Verschlüsselung bietet. RCS konnte sich aber bislang international nicht durchsetzen.

Im Dezember 2021 wurde das allererste SMS als NFT (Non-Fungible Token) versteigert. Es erzielte einen Preis von 107.000 Euro.

In Zeiten von teuren SMS waren Nachrichten kurz und anlassbezogen, längere Dialoge hat man per Telefon geführt. „Da waren zu Weihnachten fünf Nachrichten an die engsten Freunde drin, an längeres Hin- und Her-Schreiben war fast gar nicht zu denken.“ Heute läuft Chatten nebenbei, „ich kann gleichzeitig fernsehen oder im Wartezimmer beim Arzt sitzen, ohne andere Leute zu stören – und antworten, wenn es mir gerade passt.“

Ob es sich irgendwann „ausgechattet“ haben wird, wagen beide Expertinnen nicht zu prognostizieren. Jedoch: „Die Kommunikationsmuster werden sich mit den nächsten Generationen ändern“, so Nowak. Sprachbedienung etwa werde eine immer größere Rolle spielen: „Die Suche im Internet via Sprache steigt momentan schon exponentiell an und Spracherkennungsprogramme werden immer besser.“ Um sich das mühsame Tippen zu ersparen, entwickelte sich auch in Messengerdiensten der Trend zu Sprachnachrichten, fügt Peter hinzu. „Wo man auch eine starke Veränderung gesehen hat, war die Corona-Krise – wenn Sozialkontakte wegfallen, macht tippen allein zu einsam, da sind die Leute dann stark auf Telefonieren und Videochats ausgewichen.“

Rosemarie Nowak von der Universität für Weiterbildung Krems

©Andrea Reischer

Grundstein gelegt

„Die SMS hat den Grundstein für schnelle Kommunikation und verschiedene Messengerdienste gelegt“, fasst Nowak zusammen. Seit 2013 ist die SMS-Nutzung aber stark rückläufig. 2017 standen 2,3 Milliarden SMS etwa 100 Milliarden Nachrichten, die in Österreich über Online-Messengerdienste versendet wurden, gegenüber. Peter: „Whatsapp kam zur richtigen Zeit mit der richtigen Funktion. Der zuvor oft genutzte Facebook-Messenger war nicht so Smartphone-optimiert, auch für andere Chatprogramm musste man sich eigentlich vor den Rechner setzen.“

Ausgedient hat die SMS dennoch nicht. „Im Zivilschutz oder wenn Sie über die Grenze fahren und vom Mobilfunkanbieter eine Nachricht bekommen, dann passiert das via SMS“, so Nowak. Wenn es schnell gehen muss und viele Menschen erreichen soll, bleibe SMS „das Tool der Wahl“. Auch heute werden jährlich noch immer etwa 1,5 Milliarden klassische SMS verschickt. In den kommenden Wochen darunter wohl auch das ein oder andere „Merry Christmas“ – diesmal aber mit Satzzeichen und Emoji.

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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