Wie wegweisend Wohnen gestern war: "Home Stories" im Museum

Ausstellung "Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs“ im Möbelmuseum Wien – ein Blick zurück auf die Geschichte des zeitgenössischen Designs von schöner Wohnen.

Die Frage ist aktuell wie eh und je: Lebst du nur, oder wohnst du schon? Und wie geht schöner wohnen?

Fantasten wie dem Dänen Verner Panton und seiner psychedelischen Wohnhöhle aus knallbunten Polsterelementen, der die Art, wie Menschen in ihren eigenen vier Wänden leben, radikal ändern wollte, begegnet man ebenso wie dem exzentrischen englischen Fotografen Cecil Beaton und seinen surrealen Wohnwelten aus den 30er-Jahren.

©Werner Rosenberger

Auch amüsant: Möbel aus dem Filmset der Komödie „Mon Oncle“ von Jacques Tati – eine Parodie darauf, was man in den 50er-Jahren für topmodern oder gar für futuristisch gehalten hat.

Als Idee besser funktionierte Andy Warhols New Yorker Silver Factory (1964–67): ein Ort des Lebens und Arbeitens in einem verlassenen Fabriksgebäude und Auslöser der bis heute anhaltenden Begeisterung fürs „loft living“.

Oder die von Mies van der Rohe geplante Villa Tugendhat (1929–30) in Brünn, die sich zu zwei Seiten durch raumhohe Glasscheiben komplett nach außen hin öffnet.

20 stilbildende Projekte

Die Ausstellung „Home Stories. 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs“ im Möbelmuseum Wien gibt einen Überblick über das private Interieur, seine Geschichte und Zukunftsperspektiven.

Zu sehen ist, wie die Gestaltung von Wohnräumen durch einzelne Persönlichkeiten wie Adolf Loos, Finn Juhl, Charles und Ray Eames, Lina Bo Bardi oder der legendären Innenarchitektin Elsie de Wolfe, aber stets auch durch Einflüsse aus Kunst, Architektur, Mode oder Set-Design beeinflusst wurde und wird.

©Werner Rosenberger

In umgekehrter Chronologie geht die Zeitreise von den Wohnideen der Gegenwart – etwa Arno Brandlhubers „Antivilla“ (2015) bei Potsdam, bei der eine ehemalige Fabrik zum Wohnraum umfunktioniert wurde, und die Mikro-Wohnung „Yojigen Poketto“ (4-D-Nische) des Architekturbüros Elii aus Madrid von 2017 – zurück in die Nachkriegszeit und noch weiter zurück bis zur Wienerin Margarete Schütte- Lihotzky und ihrer Erfindung der kleinen und funktionellen „Frankfurter Küche“ (1926), die heute als Mutter aller Einbauküchen gilt.

Unterhaltungswert hat die mit dem größeren politischen Kontext des Ost-West-Konflikts verwobene berühmte „Küchendebatte“ zwischen Richard Nixon und Nikita Chruschtschow, als sich beide Politiker in einem amerikanischen Fertighaus auf der Moskauer Weltausstellung 1959 über die Wohnqualität und den Haushaltsstandard in ihren konträren politischen Systemen unterhielten.

Sonderausstellung im Möbelmuseum

Unvermindert aktuell ist die Frage: „Wie wohnen?“

 

Die vom Vitra Design Museum  in Weil am Rhein übernommene Schau präsentiert entscheidende Wegmarken in der Entwicklung des Wohndesigns – revolutionäre Wohnkonzepte von seinerzeit mit Nachwirkung zum Teil bis heute

 

Wann & Wo, Möbelmuseum Wien, 7., Andreasgasse 7
Di.–So.10–17 Uhr
moebelmuseumwien.at

Die Zukunft findet bei „Home Stories“ fast ausschließlich als Idee aus der Vergangenheit statt, die entweder zur Gegenwart wurde oder sich am Ende nicht durchgesetzt hat.

„Die Ausstellung soll eine neue Diskussion über das private Interieur, seine Geschichte und seine Zukunftsperspektiven anregen“, wünscht sich Kurator Jochen Eisenbrand.

Schließlich war die Einrichtung von Arbeitszonen im privaten Wohnbereich schon in den 1920ern bei Mies van der Rohe ein Thema. Und so manche „Wohnkapsel“ aus den 1960ern könnte fast als hygienische Lösung für das Social Distancing von heute entworfen worden sein.

Scherz oder Ernst?

„Die meisten der hier präsentierten Interieurs waren und sind sehr ernst gemeint. Sie wirken bis heute nach“, sagt Eisenbrand. „Die vorgestellten Projekte hatten auf lange Sicht einen Einfluss.“

Das Wohnen an sich sei ja grundsätzlich eine sehr konservative Angelegenheit. Und Änderungen passieren nur langsam, gerade in der breiten Masse.

Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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