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Soda Zitron: Das beste unbekannte Sommergetränk der Welt

Soda Zitron ist Österreichs Sommerstar im Schanigarten. Wie es entstanden sein könnte und warum es im Ausland nicht die Fans hat, die es sich verdient hätte. Noch.

Es gibt kein besseres Sommergetränk als Soda Zitron. Punkt. Erfrischend, kein Zuckerschock, gesund, kein Alkohol, dafür ein bisschen sauer. Eine geschmackliche Kurzurlaubskombi aus Sprudelwasser und Zitrone, die dem aufgeheiztesten Körper einen kühlen Stoß verpasst.

Und doch hat sich das außerhalb Österreichs kaum herumgesprochen. Ein Phantom auf der Getränkekarte. Ein sommerliches Understatement, das in deutschen Landen höchstens mit einem verständnislosen „Ist das mit Alkohol? Ist das eine Limonade?“ quittiert wird.

Auch die Piefke wollen Soda Zitron

Zarte Pflänzchen der Erkenntnis wachsen allerdings. In Berlin etwa trauen sich erste Lokale an das Getränk. Gut, hier leben auch einige Menschen aus Österreich. Und der Chefredakteur des deutschen Zeit-Magazins, Christoph Amend, ließ vor zwei Jahren die Zitrone aus dem Sack: „Auch wir Piefke brauchen Soda Zitron.“ Der Durst ist da. Bei einer Umfrage des Magazins sagten 98,4 Prozent: Ja, wir wollen das auch! Nur: Serviert wird’s trotzdem fast nirgendwo.

Schon beim Grenzübertritt wird es für Menschen aus Österreich schwierig. „Wir waren mit einer Gruppe von der Uni aus in Bayern. Viele bestellten Soda-Zitron. Doch Kellner konnte sich darunter nix vorstellen“, erzählt Michael Brauer. Der gebürtige Deutsche ist Historiker und Leiter der Gastrosophie an der Uni Salzburg. Die Gäste gaben auf, sie bestellten etwas anderes.

Limos enthielten fast immer Zucker 

Man kann es den Unwissenden ja auch nicht verübeln: „Es gibt seit dem 18. Jahrhundert in Europa Limonadenrezepte. Und so gut wie immer ist Zucker hinzugefügt“, erklärt Brauer. Allerdings weiß er von einem Limonadenkochbuch aus dem 18. Jahrhundert, das sich im Bestand des Salzburg Museum befindet, in dem ein Sauerampferwasser und Zitronenlimonade ohne Zucker angeführt werden. Doch es blieben Einzelfälle. Pioniere, die wieder verschwanden.

„Soda Zitron ist ein selbst gemachtes, kein fertiges Produkt, hinter dem keine Lobby, kein Marketing steht.“ 

Michael Brauer Gastrosoph und Historiker, Universität Salzburg

Der entscheidende Wandel? Wohl die 1980er, vermutet Brauer. Und er betont: „Das ist aber nicht belegt.“ Da begann man, Zucker für ein Gesundheitsrisiko zu halten. „Zum Kaffee gab es dann Süßstoffpillen. Fanta, Cola kamen in Verruf.“ Und irgendwo dazwischen, reifte, wie der Gastrosoph meint, bei einem findigen Wirt der Gedanke: „Da lasse ich bei der Limo den Zucker weg.“

Dass Soda Zitron ein österreichisches Phänomen blieb, erklärt er so: „ Es ist ein selbst gemachtes, kein fertiges Produkt, hinter dem kein Lobby und kein Marketing steht.“ Kein Influencer mit Tropenhut. Kein Werbespot in Superzeitlupe. Doch gerade tut sich was: ein Tiroler Unternehmen füllt Soda Zitron in Dosen ab. Für alle, die es nicht schaffen, beide Bestandteile selbst zusammenzumixen.

Auf jeden Fall trifft Soda Zitron den Zeitgeist. „Es ist gesund – und Herbes ist in den vergangenen Jahren wieder stark gekommen“, sagt Brauer. „Und alleine, dass auf Social Media das Getränk getestet wird, zeigt, dass es ein Trend ist.“

Die "sodazitrons" testen auf Instagram

Er meint damit die Instagram-Seite der „sodazitrons“. Deren Macher testen das Getränk in Wiener Lokalen. Ihre Identität ist dabei streng geheim. Selbst ihre Vornamen wollen sie nicht öffentlich bekannt machen. So wie die Tester beim Guide Michelin. Nur ohne Sterne. Dafür mit Kohlensäure. „Das machen wir aus Spaß, weil das mysteriös ist“, sagen sie. „Aber wir können so unsere Tests besser durchführen – auch in Lokalen, wo man uns kennt.“

Sieben Kriterien legen die beiden an. Besonders wichtig: Spritzigkeit. „Der Soda-Hahn sollte schon ordentlich aufgedreht sein.“ Und dann natürlich die Zitrone: „Wir mögen es, wenn es Flankerln vom Fruchtfleisch gibt.“ Ein Plus ist die Karaffe – mit Extraglas, versteht sich. Das Auge trinkt mit.

Konzentrat geht gar nicht

Was für die beiden hingegen gar nicht geht: Konzentrat. „Das ist bei uns ein No-Go“, sagen sie. Aber sie geben zu: „Wenn jemand mit Konzentrat trotzdem das richtige Säureverhältnis hinbekommt, gibt’s auch Positivpunkte.“

Was ein Soda Zitron kosten darf, sei „natürlich auch eine Frage der Umgebung“. Im Café Schwarzenberg sind es stolze 6,30 Euro. „Aber das ist auch das Eintrittsticket ins Kaffeehaus. Damit kann man stundenlang sitzen.“ Und falls mal ein Glas enttäuscht? Dann halten sich die beiden zurück. „Wir schreiben niemanden in Grund und Boden.“

Warum nur Österreich auf Soda Zitron schwört, dazu haben sie ihre ganz eigene Theorie. Eine scherzhafte: „Wir haben einfach die gescheitesten Wirte.“ Aber wahrscheinlicher: „Vielleicht liegt’s auch daran, dass der Weiße Spritzer schon so beliebt ist.“ Die Internationalisierung des Kultgetränks ist übrigens erklärtes Ziel. „Gerade hat uns ein Frankfurter geschrieben – danke für den Tipp, Soda Zitron gibt’s jetzt bei seinem Stamm-Italiener.“

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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