Selbstversuch: eine Woche Social-Media-Entzug – und was das mit mir machte
Wie fühlt es sich an, eine Woche auf Instagram, Facebook & Co zu verzichten? Anna, 23, wagt es – und berichtet hier darüber. Ein Tagebuch.
Instagram macht Spaß. Die Plattform bietet viele Vorteile. Vor allem ist sie eines: unkompliziert. All meine Freunde sind ebenfalls auf Instagram; ich kann mich hier mit ihnen schnell austauschen, Nachrichten schreiben. Zugleich kann ich mich inspirieren lassen. Ich bin selbst ein kreativer Mensch, ich mag Fotografie; in meinem Beruf als Innenarchitektin spielt der visuelle Aspekt eine große Rolle. Wenn es darum geht, Räume ihren versteckten Vorteilen gemäß einzurichten und Platz sinnvoll, aber ansprechend zu nützen, ist das herausfordernd und verlangt optisches Verständnis und Vorstellungsvermögen.
All das kann ich auf Instagram vertiefen: durch Millionen Bilder und Accounts, denen ich gezielt folge. Was meine Freunde in ihrem Leben so treiben, sehe ich sowieso. Aber auch ich mag mich mitteilen: wenn ich Sport gemacht habe und stolz darauf bin, oder wenn ich Samstagabend im Club tanze. Ich gebe zu, dass Selbstdarstellung eine gewisse Rolle spielt. Etwas anderes zu behaupten wäre gelogen. Es gefällt mir, meine Erfolge zu teilen. Und wahrscheinlich auch, mich in ein möglichst gutes Licht zu rücken.
Jeden Tag poste ich auf Instagram vier bis fünf Storys. Wie würde es sein, auf diese liebgewonnene Gewohnheit plötzlich zu verzichten? Ich bin auch auf Facebook, aber nutze es kaum, wie die meisten meiner Generation. TikTok habe ich nicht installiert, Twitter und Snapchat zwar schon, aber diese Plattformen finde ich deutlich weniger reizvoll. Auf Instagram bin ich dagegen jeden Tag, von morgens an. Und ab jetzt, ganz ohne? Das wird schwierig.
Ich lasse mich dazu überreden, es auszuprobieren. Ob ich es von selbst auch einmal probiert hätte? Ich weiß es nicht. Wir vereinbaren fünf Tage Social-Media-Entzug, weil eine Arbeitswoche ebenfalls fünf Tage hat, und schließlich ist es das: Arbeit, nämlich auf Spaß zu verzichten. Zumindest online.
Sonntagabend, um 22 Uhr beginnt meine Online-Askese. Ich poste eine Story, in der ich meine Auszeit ankündige. Mit einem eingebauten Ticker, ganz stilgerecht also. Dann gehe ich schlafen.
Montag
Ich darf Instagram nicht benützen und das ist mir gleich beim Aufwachen bewusst. Weder nebenbei beim ersten Kaffee, noch auf dem Weg mit der U-Bahn in die Arbeit, und schon gar nicht in der Mittagspause.
Wie von außen blicke ich auf mich selbst: ein Versuchskaninchen, das noch nicht recht weiß, wie es mit dieser neuen Situation umgehen wird. Ich merke, wie ich mich selbst beobachte und von mir Reaktionen erwarte, um daraus Schlüsse zu ziehen. Etwas Seltsames tritt ein: Ich habe das Gefühl, mich irgendwie befreit fühlen zu müssen, weil ich die sozialen Medien plötzlich nicht mehr nutze. Super-released. Kann ich die Erwartungen erfüllen?
Besonders hart am ersten Tag: mein Weg zur Arbeit. Egal, wohin man schaut: Alle sitzen da, in der Bim und in der U-Bahn, und glotzen auf ihr Handy - nur ich darf nicht.
Digital Detox ist an sich nix Neues. Viele Social-Media-Stars haben sogar dafür geworben. Das hat zur Folge, dass ich mir jetzt denke, ich mache Insta-Fasten nur, weil es mir auf Instagram nahegelegt wurde. Wäre das nicht absurd? Das ärgert mich und ich versuche, das abzuschütteln. Und mich meine Gedanken einfach begleiten zu lassen. Und ohne sie zu kanalisieren - durch mein Vorwissen über Digital Detox.
Besonders hart am ersten Tag: mein Weg zur Arbeit. Egal, wohin man schaut: Alle sitzen da, in der Bim und in der U-Bahn, und glotzen auf ihr Handy – nur ich darf nicht. Was mir in diesen Momenten hilft: Musik hören. Und: die Schönheit Wiens zu genießen, weil ich bei der Fahrt die ganze Zeit nicht auf mein Display, sondern aus dem Fenster schaue. Am Abend resümiere ich, dass bereits der erste Tag ohne soziale Medien sich viele Stunden länger anfühlt als sonst.
Dienstag
Der zweite Tag ist geprägt von vielen Nachrichten, die ich erhalte. Viele Freunde und Bekannte schreiben mir und fragen mich, was denn los sei. Sie reagieren auf meine in der Insta-Story angekündigte Auszeit. Warum machst du einen Break auf Insta? Ist etwas vorgefallen?!
Andere schreiben, sie hätten mir irgendwelche Reels und Fotos auf Instagram geschickt und fragen, warum ich nicht darauf reagiere. Es wird langsam offiziell: Ich bin hoffnungslos abgeschnitten von meiner Bubble. Unerreichbar für meine Freunde. Mir wird klar, welch wichtiger Kommunikationskanal Instagram für mich geworden ist.
Heute erwische ich mich selbst auch zum ersten Mal dabei, dass ich etwas posten und sharen mag. Etwa abends, nach dem Spinning. Scheinbar liegt mir doch viel daran, dass auch andere wissen, was ich so mache. Mehr als ich bisher wahrhaben mochte. Doch wie ich dieses Bedürfnis überwinde hat etwas Schönes: Zum Ausgleich telefoniere ich ganz viel mit meiner Familie und Freunden.
Mittwoch
Ich bin stocksauer. Und zwar den ganzen Tag. Warum? Ich habe das Gefühl, keiner hört dem anderen mehr zu. Richtig zu. Niemand widmet sich mit voller Aufmerksamkeit dem, was das Gegenüber zu einem sagt. Privat, aber auch in der Arbeit. Der Grund? Alle hängen am Handy. Das nervt.
Ich finde, mir dagegen gelingt es mittlerweile viel besser, mich auf eine Aufgabe oder ein Gespräch zu fokussieren. Ich bin nicht länger abgelenkt von hundert anderen Sachen – auf Messages antworten oder Reels reagieren etwa.
Zuhause schaue ich mir am Abend einen Film an. Seit Ewigkeiten sehe ich den Streifen von Anfang bis Ende, ohne Unterbrechungen, und alle Szenen. Ja, ich weiß sogar richtig, um was es geht. Kein Wunder: der Second Screen bleibt unberührt, die sonst üblichen Unterbrechungen, in denen ich durch meinen Insta-Feed scrolle oder gepostete Storys checke, fallen weg.
Donnerstag
Am vierten Tag werde ich wohl leicht poetisch. Auf dem Weg mit der Bahn zu einem Termin außerhalb Wiens, um eine Baustelle zu besichtigen, beobachte ich im Abteil eine Mutter mit ihrem Sohn. Die Frau glotzt unentwegt auf ihr Handy, der Bub starrt in die Luft. Gesprochen wird nix.
„Wir haben verlernt, Situationen als langweilig anzunehmen“, notiere ich in mein Handy. Was ich damit meine: Wenn Kinder uns oft klagen, ihnen sei langweilig, uns an unseren Ärmeln ziehen und auffordern, ihnen zu helfen, diesen unerträglichen Zustand zu beenden, reagieren wir oft genervt. Uns fehlt das Verständnis dafür.
Jetzt, in diesem Abteil, auf Gleisen durch die dunkle Nacht ratternd, nicht durch Instagram scrollen zu können, ist ein Härtetest. Doch ich bestehe.
Dabei sind wir es, die das Stadium der Langeweile ganz genauso nicht aushalten. Bevor wir es zulassen, hängen wir längst schon am Handy. Und aktivieren eine immense Zufuhr an Informationen, fluten uns mit Reizen.
Am Rückweg vom Termin fällt ein Zug aus, die Heimfahrt wird wahnsinnig kompliziert, mühsam, lange. Facebook ist mir egal, da passiert schon lange nichts mehr Interessantes. Doch jetzt, in diesem Abteil, auf Gleisen durch die dunkle Nacht ratternd, nicht durch Instagram scrollen zu können, ist ein Härtetest. Doch ich bestehe.
Freitag
Beinahe, ein Rückfall! Ich muss zugeben, ich habe zu einem Trick gegriffen, um mich selbst zu überlisten: Auf meinem Handy-Display habe ich die Instagram-App auf die letzte Seite verbannt. Hier ist die Versuchung aus den Augen, aus dem Sinn gebannt. Heute habe ich aber, weil es der offiziell letzte Tag meines Social-Media-Verzichts ist, Folgendes getan: Die App ist wieder auf Seite eins.
Und schon passiert mir ein Missgeschick: Morgens nach dem Aufstehen tippe ich unbedacht mit dem Finger auf das Regenbogen-Logo – aus alter Gewohnheit, keine Frage! Sofort bemerke ich meinen Irrtum. Noch bevor die App laden kann, habe ich sie auch schon wieder geschlossen.
Wie es mir geht an Tag fünf: gut. So gut, dass ich beschließe, an mein Social-Media-Zölibat noch einen Bonus-Tag anzuhängen: Ich werde auch am Samstag auf Instagram & Co verzichten.
Samstag
Bonus-Tag. Ich muss gestehen, jetzt bin ich doch schon voller Vorfreude, wieder online gehen zu können. Den Tag, beschließe ich, kriege ich noch rum. Doch immer öfter frage ich mich: Wer hat mir aller geschrieben? Was habe ich versäumt? Um 22 Uhr möchte ich Instagram wieder starten.
So groß ist die Vorfreude, dass ich sogar Content vorproduziere: Am Abend, als ich den Kabarett-Auftritt von Michael Buchinger besuche, filme ich ein bisschen mit – zufrieden und wohlwissend, dass ich den Clip zwei Stunden später als Story posten werde können.
In der Bar, nach dem Kabarett, dann der – tadaa! – feierliche Moment: Ich bin wieder da! Sichtbar. Erreichbar. Online. Ehrensache, dass ich dieses weltbewegende Ereignis an meinen Followern nicht unbeachtet vorüberziehen lasse. Ich verpacke es in eine Story, Confetti-Regen inklusive. Hello, Insta-World!
Mein Fazit: Auf Facebook zu verzichten war wie vermutet kein Problem. Ich habe von meinen engen Freunden auch sonst gut im Überblick, wer gerade Geburtstag hat.
Was Instagram betrifft, hatte ich in dieser Hinsicht ganz andere Bedenken. Doch ich habe durchgehalten – und ich habe es sogar genossen. Meine "Total Screen Time", also die Zeit, die ich insgesamt am Handy verbringe, hat sich deutlich reduziert. Vier Stunden zwölf Minuten betrug sie vor meinem Entzug (davon alleine 14 Stunden 42 Minuten auf Instagram) pro Tag. Zwei Stunden zweiundzwanzig Minuten dagegen in der Zeit ohne Instagram und Co. Was ich durch den Entzug gelernt habe: Es läuft mir nix davon, wenn ich auf Social Media einmal nicht ständig alles auf Neuigkeiten abchecke. Ich verpasse nix – selbst, wenn ich die Apps einmal eine Woche nicht öffne. Und vielleicht lege ich in Zukunft ja sogar einen Offline-Tag pro Woche ein, wer weiß …
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