Warum spricht man in Mittelmeerländern lauter als im Norden?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden.

Darf man das überhaupt sagen? Also ohne dass es gleich heißt Klischee, Klischee! und Vorurteile übelster Sorte! Es ist auch nicht wertend gemeint, weil „leise“ heißt ja nicht unbedingt „besser“. Stellen wir uns kurz eine Szene in London vor oder in einem hanseatischen Bürgerzimmer. Essenszeit, die ganze Familie ist um den Tisch versammelt – und alles, was man hört ist gedämpftes Sesselrücken, das leise Kratzen von Metall auf Porzellan, dazu kurze, dezent gehüstelte Bemerkungen über die Sauce und das Wetter. 

Und jetzt: Schnitt nach Italien ...

Wobei, wir könnten auch nach Spanien, Kroatien, Griechenland oder an die türkische Mittelmeerküste reisen, das Bild ist überall ähnlich. Genau, da wird gesprochen, erzählt, debattiert. Und zwar laut. Richtig laut.

Oder denken wir an eine simple Begrüßung. Die beginnt bei meinen italienischen Freunden bereits in einem Abstand von zehn Metern, bei freier Sicht können es auch 15 oder mehr sein. Ciao bello! wird dementsprechend arienhaft geschmettert, auf dem Weg bis zur Umarmung inklusive schmatzender Wangenküsse wird ebenso lautstark nach meiner Familie, meinem Hund und meiner schon wieder etwas schütterer werdenden Haarpracht gefragt, was ich, ganz automatisch, in ebensolcher Lautstärke beantworte. 

Alles subjektives Empfinden? Einzelfälle, die man nicht verallgemeinern darf, weil es ebenso polternde Bayern und gellend laute Schotten gibt? NEIN!, sagt jetzt eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit, im Gegenteil. Die an den Universitäten von Kiel und Nankai in China durchgeführte Studie  bestätigt empirisch, was bisher als bloßes Gefühl galt: Menschen aus warmen Regionen sprechen lauter als Menschen, die in kühlen Gegenden zuhause sind. 

Und die Forschergruppe um den chinesischen Linguistiker Tianheng Wang liefert auch gleich den biologischen Grund für dieses Phänomen: In trockener, kalter Luft sind auch die Stimmbänder eher trocken und schwingen nicht so leicht wie bei höheren Temperaturen.

Frage der Freizeit

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Und genau das, also Fähigkeit der Stimmbänder ungezügelt zu schwingen, beeinflusse zusätzlich sogar die Sprachentwicklung! Entsprechend gibt es in südlichen Sprachen zum Beispiel viel mehr stimmhafte Laute, offene Vokale und was sonst eben noch gut schwingt und klingt. Die Sprachen an sich sind also schon lauter, während die warmen Temperturen ihnen noch zusätzlich Resonanz verleihen. Und Basta!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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