Warum sind die schlechtesten Sänger zu Weihnachten oft am motiviertesten?
Gut gemeint, aber schlecht gesungen: Warum am Heiligen Abend manch vermeintliche Tenöre zur Hochform auflaufen.
Stiiii-lle Na-cht! Heeeilige nAAAchT! Jeder, der den eigenen Vater mit stolzgeschwellter Brust, ausgebreiteten Armen, mitunter auf den Zehenspitzen auf und ab wippend, auf jeden Fall aber voller Inbrunst am Heiligen Abend singen hat hören, weiß genau, wovon ich spreche: Weihnachten ist die Zeit, in der Gesang sein großes Comeback feiert.
Einmal im Jahr schlägt des Vaters große Stunde: Dann wird er zum Tenor mit schiefem Timbre, die Kinder lachen, der Sänger nimmt es ihnen nicht krumm und sogar als Kompliment dankbar an, und alles ist eine große Freude, so wie es sein soll.
Gut gemeint, aber schlecht gesungen: Übersteigt die Freude am amateurhaften Versuch womöglich das Erreichen glatter, reiner Perfektion?
Oder hat es auch andere Gründe, warum wir uns vor dem hell erleuchteten Christbaum mit leidenschaftlichem Eifer an der Ausübung schiefen Gesangs verausgaben?
Gut fürs Immunsystem
"Singen verbindet", weiß Birgit Satke, Psychologin und Leiterin der Notrufnummer „Rat auf Draht“. Gerade zu Weihnachten. Umso mehr gelte dieser Festtage: Jeder darf mitmachen. "Was zählt, ist nicht, ob man richtig oder falsch singt, sondern das Gemeinschaftsgefühl und die Nähe, die beim Singen entstehen." Während bei den einen die schiere Freude am Anstimmen von "Oh Tannenbaum" & Co. zählt, äußere sich bei anderen, die auch sonst energischer auftreten, auf diese Weise ihr großes Selbstbewusstsein.
"Denjenigen ist es auch nicht peinlich, wenn der Ton nicht richtig getroffen ist", weiß Satke. Ein wichtiges Merkmal für einen gelungenen Heiligen Abend. Er ist kein Gesangswettbewerb.
Dazu kommt, dass Singen schlicht gesund ist. Das Trällern, Flöten und Schmettern stärkt das Immunsystem, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. An Chorsängern wurde festgestellt, wie sich bei ihnen nach dem gemeinschaftlichen Singen das Immunglobulin A, ein wichtiger Antikörper, vermehrt hatte. Die Emotionen, die man in unserem Zeitalter oft nur digital erlebt, stabilisieren beim Zusammen-Singen unsere Herzfrequenz, reduzieren Stresshormone und steigern Glückshormone. Fröhliches Singen also! Ganz egal, in welcher Tonlage.
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
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