Hate-Watching: Warum wir Sendungen sehen, die wir hassen

Forschende erklären, warum wir Serien und Co. einschalten, die wir hassen. Und warum wir es lieben, ein Hasser zu sein.

Der Klassiker: Reality-TV. Niemand möchte zugeben, die Sendungen zu schauen und doch erreichen sie Einschaltquoten in Millionenhöhe. Ähnliches passiert bei schlechten Shows. Wir sind beim Sehen bis ins Mark verärgert, schauen aber dennoch den Rest der Staffel. Da stellt sich die Frage: Warum sehen wir uns Sachen an, die wir eigentlich ablehnen? In der Forschung spricht man von "Hate-Watching“. Was der Begriff meint und warum Hass Teil unserer Unterhaltungswelt ist.

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Hate-Watching bezieht sich auf den Akt des Konsums von Medien, nur weil es uns Spaß macht, sie zu verspotten oder zu kritisieren. Jourdan Travers, eine lizenzierte klinische Sozialarbeiterin, hat in einem Artikel für psychologytoday.com darüber geschrieben, warum Hate-Watching wie eine kontraintuitive Aktivität klingen, die Menschen sich aber dennoch damit beschäftigen.

Als Beispiel führt sie den Film "Sharknado“ an. Trotz jeglicher Kritik an seiner Machart spielte er mehr als vier Milliarden US-Dollar ein. Mehr noch: Er wurde zu einem der erfolgreichsten Film-Franchises aller Zeiten. In der Forschung haben Wissenschafter dieses Phänomen untersucht. Eine im European Journal of Social Psychology veröffentlichte Studie behandelte die Unterschiede in der Art und Weise, wie wir Gefühle der Abneigung gegenüber Gefühlen des Hasses konzeptualisieren. Die Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass sich Hass und Abneigung sowohl in Intensität als auch in der Moral unterscheiden.

Hassgefühle sind stärker als jene der Abneigung

Die Teilnehmenden der Studie wurden gebeten, über Dinge nachzudenken, die sie hassten und über jene, die sich einfach nicht mochten. Die Probanden betrachteten die gehassten Objekte viel negativer als die Unbeliebten. Außerdem zeigte die Untersuchung, dass die gehassten Objekte stärker mit Emotionen der Moral verbunden waren – sprich Wut, Ekel und Verachtung.

Warum wir dennoch nicht wegschalten, erklärt Travers: "Betrachtet man die Unterschiede zwischen Abneigungs- und Hassgefühlen, lässt sich das Phänomen des Hate-Watchings leichter verstehen. […] Wenn wir jedoch eine Show sehen, die wir wirklich hassen, ist das persönlicher. Für uns ist die Serie von Natur aus schlechter als eine, die wir einfach nicht mögen. Wenn wir mit verhassten Dingen konfrontiert werden, werden wir auch von stärkeren negativen moralischen Emotionen überwältigt, sodass die Serie für uns fast beleidigend wirkt.“

Frau und Tablet

Verhasste Objekte sind stärker mit Emotionen der Moral verbunden. Dazu zählen Wut, Ekel und Verachtung. 

©Getty Images/iStockphoto/Marco_Piunti/iStockphoto

Hassgefühle sind demnach überwältigender als Gefühle der Abneigung – was möglicherweise unsere hasserfüllten nächtlichen Binge-Watches erklären könnte. Sendungen, die wir nicht mögen, sind uns gleichgültig. Sehen wir aber Formate, die unseren moralischen Charakter verletzen, schauen wir sie weiter, damit wir etwas unternehmen können – wie beispielsweise auf der Couch zu sitzen und abfällige Kommentare oder scharf formulierte Posts dazu abzugeben.

Gründe, warum sich Hate-Watching gut anfühlt

Travers nennt zwei Gründe, warum sich das Ansehen von verhassten Sendungen gut anfühlt:

1. Hass kann uns glücklich machen

Untersuchungen haben gezeigt, dass wir uns glücklicher fühlen, wenn wir Emotionen erleben, die wir fühlen wollen. Dazu zählen auch negative Gefühle wie Hass und Wut. Etwas Verhasstes zu sehen, kann intensive emotionale Reaktionen auslösen. Adrenalin wird freigesetzt. Wenn keine Gefährdung des Wohlbefindens besteht, können diese intensiven emotionalen Reaktionen zur Ausschüttung von Glückshormonen wie Oxytocin, Dopamin oder Serotonin führen. Das bedeutet: Der Hass beim Hate-Watching kann sich ziemlich gut anfühlen.

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2. Hass bringt uns zusammen

Hass verbindet. Untersuchungen zufolge sind "Anti-Fandoms“ gemeinschaftlicher als echte Fandoms. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns in unseren Überzeugungen bestärkt fühlen, wenn ein Freund unseren Hass bestätigt und teilt. Das führt dazu, dass wir uns besser fühlen.

Ab wann Hate-Watching zu einem Problem wird

Hass kann uns gut fühlen lassen. Doch es ist ein starkes Gefühl, das in kleinen Dosen eingenommen werden sollte. Hate-Watching kann ein harmloses Hobby sein, das uns ermöglicht, negative Energie zu kanalisieren oder eine Bindung zu anderen Menschen aufzubauen. Jedoch könnte Hass letztendlich die geistige Gesundheit beeinträchtigen. Sehen wir uns im Übermaß derartige Sendungen an, nehmen wir uns die Zeit, in negativen Emotionen zu schwelgen. Die Folge: Hate-Watching trägt aktiv dazu bei, Urteile zu fällen und sich auf negative Aspekte einer Sache zu konzentrieren. Die Konzentration auf negative Aspekte führt wiederum dazu, dass wir in anderen Bereichen des Lebens zynischer und pessimistischer werden.

Travers schreibt diesbezüglich: "Hate-Watching kann jedoch möglicherweise auch auf andere Bereiche Ihres Lebens übergreifen und dazu führen, dass Sie Dinge als Hobby verschrotten. Wenn wir unseren Drang, hasserfüllt zuzuschauen, mit gesünderen Beschäftigungen wie dem Erstellen von Dingen, die Sie lieben, oder dem Konsumieren von Inhalten, die Sie zum Lachen, Nachdenken oder zur Wertschätzung des Lebens anregen, in Einklang bringen, können Sie sich aus der Negativitätsfalle retten."

Es gilt also: Die Dosis macht das Gift. So abgedroschen wie Phrase klingt, so viel Wahrheit steckt auch in ihr.

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

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