Friends enjoying dinner together at luxury resort

Wieso wollen Gespräche an lauen Sommerabenden nie enden?

Sie haben etwas ganz Eigenes, die Diskussionen und Debatten an diesen surreal warmen Nächten im Sommer, die bis spät in die Nacht dauern. Aber woher kommt dieses Phänomen?

Sie wirken mitunter wochenlang nach, diese intensiven, vertraulichen Diskussionen, die sich meist spontan ergeben – oft nach einem Abendessen, vielleicht einer Grillerei, auf der Terrasse oder im Garten. Wenn die drückende Hitze des Tages einer Leichtigkeit weicht, das Zirpen der Grillen die Luft erfüllt und einen die hereinbrechende Dunkelheit sanft umarmt, entgleiten einem im Gespräch Sätze, die einen manchmal selbst überraschen: sie sind tief, verletzlich. 

Und ehe man sich versieht, hat man bis in die laue Sommernacht hinein geplaudert. Aber warum ist das eigentlich so?

Licht und Wärme

Beim Gespräch mit Psychotherapeutin Ines Gstrein – allerdings bei Tageslicht und am Telefon – zeigt sich, dass dieses Phänomen gleich durch mehrere Faktoren bedingt wird. „Ganz allgemein“, erörtert Ines Gstrein, Mitglied vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie, „kommt am Abend eine gewisse Entspannung.“ 

Nothing can replace the time you spend with friends

Das Dämmerungslicht zeichnet die Welt weicher und das Zirpen von Grillen liegt in der Luft. 

©Getty Images/iStockphoto/bernardbodo/istockphoto.com

Die Pflichten des Tages sind erledigt oder zumindest auf den nächsten Tag verschoben, und man kann sich fallen lassen. „Dazu verschiebt sich im Sommer durch das längere Sonnenlicht unser Zeitgefühl.“ Während man sich in dunklen Wintermonaten oft schon um fünf Uhr ins Bett zurückziehen möchte, beginnt im Sommer um diese Zeit der Tag gerade erst.

Geballte Entspannung

Hinzu kommen körperliche Wahrnehmungen: Nach der Hitze des Sommertags kann man in der kühlen Abendluft aufatmen. „Das ausklingende Licht“, ergänzt die Psychotherapeutin, „ist wie ein Weichzeichner, das den Parasympathikus aktiviert.“ Der Aufenthalt im Freien – die frische Luft, die Ruhe, die natürlichen Geräusche – senkt den Cortisolspiegel.

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

„Dadurch werden wir offener, emotionaler, sozialer.“ Und dann, bedingt durch all dies, geschieht etwas Kurioses: eine Ko-Regulation. „Je länger wir mit anderen sprechen, desto mehr Bindung entsteht mit dem Gegenüber. Wir passen uns unbewusst aneinander an: in Gestik, Mimik, Sprache.“ Und weil wir uns durch das Spiegeln gesehen fühlen, gehen wir tiefer. Wir trauen uns an große Lebensfragen heran, die uns so sehr berühren, dass wir sie am liebsten stundenlang erörtern – und genau das dann auch tun.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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