Alexis Sorbas

Warum tanzen wir im Urlaub zu Musik, die wir sonst nie anhören?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden.

Ich gestehe: Ich habe in Izmir schon bauchgetanzt, bin auf Kreta Arm in Arm mit einem Religionslehrer aus Castrop Rauxel und einer Staatsanwältin aus Zürich beim Sirtaki über meine eigenen Füße gestolpert und habe in Barcelona zur Musik eines Flamenco-Gitarristen, der original aussah wie Willy DeVille, in theatralischer Torrero-Manier Pirouetten gedreht. Auf einem Tisch. 

Zuhause bleiben nicht nur meine tänzerischen Bemühungen eher konservativer Natur, auch die Musikauswahl an sich würde kaum jemanden zu derlei Eskapaden animieren. 

Woher kommt diese Diskrepanz?

Warum also tanzen  wir im Urlaub leichten Herzens und Fußes Tänze, die wir nicht nur NICHT können, sondern zuhause kaum jemals versuchen würden? Und da wollen wir von diversen Vogerltanz-Variationen und Macarena-Mitternachtseinlagen in Marbella gar nicht reden, Gott behüte. 

Wer, wenn nicht die Psychologie, könnte hier eine Antwort liefern?

Im Urlaub könne man Alltagsprobleme ausblenden, sagt etwa der Wiener Psychologe Gerhard Blasche. Der Ortswechsel bringt uns weg von Problemen und alltäglichen Zwängen, denen wir uns sonst permanent ausgeliefert fühlen. 

Das führt bei einigen wenigen Urlaubern zu hirnrissigen Aktionen, wie etwa seinen Namen ins Kolosseum in Rom zu ritzen, auf dem Eiffelturm zu schlafen oder in einem Tempel in Bali einen Striptease zu veranstalten, wie uns die letzte Urlaubssaison gelehrt hat. 

Wobei der Schweizer Tourismusforscher Jost Krippendorf schon 1984 feststellte, dass der Tourist als „Ausnahmemensch Dinge tut, die bei ihm zu Hause als höchst ungewöhnlich“ gelten würden. 

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure der freizeit abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Da ist es doch richtig nett, dass es bei den meisten Touristen noch immer beim Parasailing, einem unvernünftigen Flirt oder einer mutigen kulinarischen Bestellung bleibt. Denn genau dieses gewisse Maß an „loslassen“ sei im Urlaub durchaus wichtig, wie Psychologin Barbara Horvatits-Ebner betont.   

Aber warum nehmen wir den Urlaub nicht einfach mit nach Hause und belegen einen Sirtaki-Kurs?  Da greift wohl dasselbe Phänomen, wie bei vielen kulinarischen Urlaubs-Highlights: Der Retsina schmeckt einfach nur mit Blick auf die Ägäis so richtig gut

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare