Warum laufen unsere Lieblingsnachbarn, während wir nur gehen?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden.

Ich lauf mal schnell zum Bäcker“, gibt ein Freund bekannt, der davor schon den ganzen Tag „in der Stadt rumgelaufen“ ist. Richtig erkannt, der Freund ist auf Besuch in Wien, und er kommt von jenseits des Weißwurstäquators. 

Was uns seit der zunehmenden Durchdringung Österreichs mit unseren Lieblingsnachbarn ebenfalls klar ist: Er war keinesfalls den ganzen Tag in der Stadt joggen und hat auch nicht vor, im Laufschritt zum Bäcker zu eilen. 

Es ist einfach so, wenn wir gehen, läuft er, und wenn wir laufen, dann rennt er. 

Das klingt auf irritierende Weise doch immer um eine Spur schneller als das, was wir tun, und man fragt sich unwillkürlich: Ist das nur eine sprachliche Eigenheit oder ist vielleicht wirklich was dran? 

Jahrzehntelang galten Bayern und Österreicher den zackigen Preußen als, euphemistisch umschrieben, etwas „lässige“  Vettern mit einem Hang zum „Schlendrian“, so zwischen dem lieben Augustin und Mögen die anderen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate! 

Der deutsche Germanist Norbert Mappes-Niediek bemüht in diesem Zusammenhang auch den Spruch Wir werden keinen Richter brauchen als typisch österreichisch. Immer ein bisschen meandernd und nicht so direkt, zielgerichtet und flott, wie man es weiter im Norden gewohnt ist.

Aber siehe da: Ein Blick in den Duden gibt ausnahmsweise einmal „uns“ Recht: ... sich in aufrechter Haltung auf den Füßen in schnellerem Tempo so fortbewegen, dass sich jeweils schrittweise für einen kurzen Augenblick beide Sohlen vom Boden lösen, steht hier als Definition des Wortes „laufen“. Und das ist wiederum keinesfalls mit „gehen“ kompatibel, bei dem es, ebenfalls klar definiert, keine Flugphase geben darf. Halleluja!

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure der freizeit abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Wie kommt es dann aber zu der, auch im Duden als „umgangssprachlich“ deklarierten Verwendung des Wortes „laufen“ für bloßes „gehen“? 

Das althochdeutsche „hloufan“ wurde im Mittelalter für rennen, gehen, fließen, springen und sogar reisen verwendet, bevor seine Bedeutung klarer definiert, und dadurch auch eingeschränkt wurde. Oder eben nicht.

Aber in Zeiten, da der Schlendrian bei Zugverbindungen eindeutig auf der Seite unserer Lieblingsnachbarn liegt, sind wir einfach etwas großzügig, wenn sie mal wieder nicht wissen, ob sie gehen oder rennen. 

Und sagen einfach: Wenn’s laft, dann laft’s!

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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