Unbekanntes Wien

Auch das ist Wien: Von Schanzen und einem Rendezvous mit Hasen

Den Kopf auslüften im vermeintlichen Niemandsland. Zwischen Äckern und Rückzugsorten für Pflanzen und Tiere spazieren.

Manchmal sind die Wege zu einem wunderschönen Ort nicht die schönsten. Je nachdem, von wo man kommt. Wir fahren über die Brünner Straße, an der Klinik Floridsdorf vorbei und später am Heerespital. Wir folgen der Spur entlang der 31er-Straßenbahnlinie, die nach Stammersdorf führt und noch weiter in den Nordosten. Denn wir haben ein Rendezvous mit Rehen und Hasen, ein paar Gstett’n, Ruinen, Äckern und weiten Wiesen. 

Wer jetzt im Jänner, Februar in der Gegend zwischen Herrenholz, "Alter Schanze" und Rendezvousberg spazieren geht, muss sich gut einpacken. Der Wind saust einem um die Ohren. Die Wege sind weit, der Himmel aber auch. Hier gibt es Platz für Mondsichtungen und Sonnenuntergänge.

Niemandsland mit Langohren

Beim Vorbeifahren Richtung Brünn, also von der Brünner Straße aus, scheint hier nur Niemandsland, flach, öd, grau unter grauem Himmel. Spaziergänger zieht es hier, an der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich, meist Richtung Bisamberg. Etwa zur Falkenbergwiese und Elisabethhöhe und den Hohlwegen rund um den Magdalenenhof. Doch kurz vorm vermeintlichen Niemandsland gibt es auch Interessantes zu entdecken: Etwa die ehemalige Poststation aus dem Jahr 1784. Gleich dort fuhr die Stammersdorfer Lokalbahn vorbei, bis 1988. Die Eröffnung der Haltestelle „Post Rendezvous“ ist genau 100 Jahre her. Die Bahn hatte hier draußen eine Steigung zu bewältigen, den Rendezvousberg.

Rendezvousberg klingt romantisch: Das ist er nicht wirklich. Außer für Freunde der Flora und Fauna und der Gstett‘n, die Freude daran haben, dass Gras und Natur über die einstige Schottergrube gewachsen ist. Der Spaziergänger sieht hier Pflanzen, deren Art er erst einmal nachschlagen müsste.

Geht man weiter die Wege hinauf, hoppelt einem schon mal das Herz vor Freude, weil man auf dem Weg parallel zu Hagenbrunn auf der einen und Stammerdsdorf auf der anderen Seite jede Menge Hasen sieht. Je nach Glück, und je nach Jahreszeit. Vereinzelt oder im Spiel miteinander oder im Rudel über die weiten Flächen preschend. Und wo ein Hase zu sehen ist, ist auch meisten ein Reh. Oder zwei oder drei – und umgekehrt. Sie liegen oder stehen im den Trocken- und Halbtrockenrasen, rennen über Äcker, laufen in die kleinen, lichten Wälder oder stolzieren aus den Weingärten hervor.

Zwischen Stammersdorf und Hagenbrunn

©Josef Annemarie

Wer im Gebiet zwischen Brünner Straße und Hagenbrunner Straße weiterwandelt (der Bisamberg liegt westlich) kommt auch zum Naturdenkmal der „Alten Schanzen“. Auch sie gehören zu Wien, befinden sich sanft bergauf auf ca. 220 Meter. Die Wege durch das leicht hügelige Gelände hinauf sind fordernd, weil sie endlos erscheinen, als lange gerade Strecken.

Kopf auslüften geht hier

Wer aber den Kopf auslüften will, der Wind hilft. Und wer Ruhe braucht und erste wärmende Sonnenstrahlen des Winters einfangen möchte, ist hier richtig. Obwohl diese Gegend keine ruhige Geschichte hat. Auf einer der Schanzen steht die Ruine eines Gebäudes, das im Zweiten Weltkrieg errichtet wurde.

Heute Unterschlupf für Tiere und Pflanzen

©Wikimedia Commons/Stefan.lefnaer, CC BY-SA 3.0

In der Nähe im Herrenholz war eine Reparaturwerkstatt für Flugzeugmotoren. Es kam in den letzten Kriegswochen hier zu Kämpfen zwischen deutschen Truppen und der Roten Armee.

Doch entstanden sind die Schanzen schon während des Preußisch-Österreichischen Krieges 1866 als Verteidigung gegen die Preußen. 31 waren es insgesamt für Wien – von Langenzersdorf bis Aspern. Jeder, der arbeitsfähig war, musste mit anpacken, Frauen Kinder und Alte. Gebraucht wurden de Schutzwälle damals nicht.   

 

Blick von oben auf die "Alten Schanzen"

©Wikimedia Commons/Stefan.lefnaer, CC BY-SA 3.0

Heute sind es vier Schanzen, wenn von den „Alten Schanzen“ die Rede ist. Sie sind eine Zuflucht für gefährdete Pflanzenarten, Schmetterlinge und Bienen, als Naturdenkmal geschützt, und bis auf eine gehören sie zum Europaschutzgebiet Bisamberg.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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