Weekender: Ein Roadtrip nach Bella Italia zum Nachreisen
Über Udine und Görz – gemeinsam mit dem slowenischen Nova Gorica Kulturhauptstadt 2025 – gelangt man bis zum Schloss Miramare nahe Triest. Auf der Strecke zu Dolce Vita und Palazzi, in denen einst Kaiserin Sisi nächtigte.
Die meisten kennen die Strecke zum beliebten Urlaubsziel auswendig. Wer an die Obere Adria fährt, nimmt die kürzeste Route über die Autobahn. Aber spätestens wenn man den Tagliamento bei Carnia überquert, sollte man auf die Landstraße Richtung Enemonzo abbiegen. Dort im Hinterland rund um Tolmezzo, kann man in unberührter Naturlandschaft wandern und in einer Molkerei köstliche regionale Produkte für die Jause einkaufen: Joghurt, Eis, Salami, Speck und den Montasio-Käse, den die Benediktinermönche der Abtei von Moggio Udinese bis heute noch so produzieren wie vor über 250 Jahren. Eine Spezialität Friaul-Julisch-Venetiens, die man bis hinunter nach Triest auf den Speisekarten der besten Restaurants und Osterias findet.
Auf dieser Strecke liegen zwischen Touristentrubel und Ruhe oft nur ein paar Kilometer – oder Schritte. Selbst für Kenner der Region gibt es Neues zu entdecken, viele Geheimnisse verbergen sich mitten im Trubel. Etwa nahe Triest: im Schloss Miramare. Dort werden nun sogar Nachkommen von Bäumen gesetzt, die einst Kaiser Maximilian pflanzen ließ. Sie wurden nachgezüchtet und sollen das Areal nach historischem Vorbild bereichern.
Weitere beeindruckende Bauwerke finden sich in Udine: die Casa Cavazzini, und in Triest: der Palazzo Revoltella. In Görz stehen Zeugen einer prächtigen Vergangenheit auf einem Klosterplatz: im Palazzo Lantieri erlebt man europäische Kulturgeschichte hautnah nach.
Görz wird 2025 Europäische Kulturhauptstadt, die erstmals aus zwei Städten besteht: Görz in Italien und Nova Gorica in Slowenien.
Geschütztes Handwerk
„Heute haben wir ein Soufflé aus Montasio-Käse auf der Karte“, erzählt der Chef des Consorzio Montasio DOP Renato Romanzin, das die Herstellung des Käses schützt und kontrolliert. Der Käse wird auch in der traditionellen Casa della Contadinanza, neben dem Schloss Udine, dem Symbol Friauls und einstigem Sitz des Patriarchen von Aquileia, serviert.
„Früher war es ein Essen für Arme, genau wie das typische Frico, heute sind es Delikatessen.“ Der gekochte, halbharte Käse wird aus Kuhmilch erzeugt und kommt frisch aus der Käserei Caseificio Val Tagliamento von Enemonzo auf den Tisch. Vom Schlossplatz überblickt man die 90.000 Einwohner-Stadt, die Piazza Libertà mit dem Markuslöwen und der Loggia del Lionello im venezianischen Stil.
Unter Arkaden hinter der Piazza erinnern Mosaike im Caffè Contarena an den Wiener Jugendstil, und gleich nebenan, in der Via Cavour, sollte man die Casa Cavazzini besuchen. Die prächtige Wohnung von 1920 des ehemaligen Textilhändlers Dante Cavazzini wurde von Architektin Gae Aulenti renoviert und beherbergt heute eine Sammlung zeitgenössischer Kunst.
Wer Lust auf Shoppen hat, könnte sich typische friulanische Ballerinas zulegen. Die Sohlen der Scarpezze werden aus gebrauchten Fahrradreifen und Stoff aus Textilresten von heimischen Bäuerinnen erzeugt. Verkauft werden sie in einem kleinen Kiosk voller Vintage-Mode, gleich neben dem traditionellen In-Lokal Osteria Alla Ghiacciaia am Mühlbach.
Kunstliebhaber legen auf dem Weg von Udine Richtung Görz einen Stopp ein: bei der Palladio-Villa Manin in Codroipo, einem ehemaligen Dogen-Landsitz.
Es lohnt sich, den Park zu genießen und die Ausstellung von Michelangelo Pistoletto anzusehen, bevor es nach Palmanova weitergeht. Die sternförmige Stadt, eine Planstadt der Militärarchitektur, kann man auch mit dem Rad umrunden, sie ist von Stadtmauern und einem Wassergraben umgeben.
Palmanova, seit 2017 UNESCO-Weltkulturerbe, wurde 1593 von Venezianern erbaut, um das Festland vor den Eroberungen der Habsburger und Ottomanen zu schützen.
In Friaul-Julisch Venetien begegnet man überall österreichischer Geschichte. Auch in Görz, das in 30 Minuten Fahrt von der Planstadt Palmanova zu erreichen ist.
An der ehemaligen Grenze zeugen kleine Grenzhäuschen von bewegten Zeiten. So gehörten Bahnhof und Stift ab 1947 zu Jugoslawien und ab 1991 zu Slowenien. 2004 wurde die letzte Grenze geöffnet. Seitdem wird in Görz restauriert und neu gebaut, um als Europäische Hauptstadt der grenzenlosen Kultur fit zu werden.
Schlösser und Kaffeekultur
Von der historischen Altstadt zur grünen Planstadt Nova Gorica von Architekt Edvard Ravnikar, einem Schüler von Le Corbusier, radelt oder spaziert man über einen schönen Weg zwischen den Grenzen hin und her. „Als der letzte österreichische Graf von Lienz 1500 starb, schenkte er Görz, Gradisca, den Habsburgern. So ging auch das Castello di Gorizia an die Habsburger verloren, deshalb brauchte Venedig eine neue Festungsstadt und baute Palmanova“, erzählt Carolina di Levetzow Lantieri Piccolomini, Nachfahrin einer Hofdame Kaiserin Sisis.
„Eigentlich hat ja das slowenische Nova Gorica die Wahl zur Europäischen Kulturhauptstadt gewonnen, zugleich auch das italienische Gorizia, also beide Städte. Das ist einmalig.“ Die Contessa verwaltet in Görz den Palazzo Lantieri, dessen Zugbrücke im Turm um 1600 noch das Tor zu Wien war. „Bei uns wurden schon viele Filme gedreht. Italien ist zwar mit Schlössern gesegnet, aber selten sind welche seit 500 Jahren in Familienbesitz und werden noch bewohnt.“
Kaiserin Sisi kam öfters vom nahen Schloss Miramare zu Besuch, ohne Protokoll, wenn sie dem höfischen Leben entkommen wollte. Carolinas Ur-Urgroßmutter war Sternkreuzdame und mit der Kaiserin befreundet. „Manchmal brachte Sisi einen Koffer voller Kleider, die sie dem hiesigen Kloster schenkte, das daraus Priestertalare schneiderte.“
Papst Pius VI übernachtete auf seiner Reise von Rom nach Wien in einem der Zimmer, in denen man sich heute noch einmieten kann. Monumentale Kunstinstallationen von Michelangelo Pistoletto bringen den Palazzo ins Heute. Die Installation Love-Difference aus Alu-Spiegeln zeigt die Konturen Mitteleuropas im Kaiserreich, und soll dazu aufrufen, grenzenlose Vielfalt zu leben statt sie zu bekämpfen.
Die gibt es auch in der Herrengasse in Görz: Dank einer Kooperative, die die Vielfalt der schönen Geschäfte von anno dazumal schützt.
Verlässt man das charmante Görz, um nach Miramare und Triest weiterzufahren, sollte man unbedingt in einer Osmiza, einem Heurigen einkehren. Etwa im Weingut Cantina Parovel.
Um anschließend auf den Spuren der Kaffeekultur zu wandeln und Triests berühmte Kaffeehäuser, wie das Antico Caffè San Marco, ehemals Literatencafé der Österreicher, zu besuchen.
Den besten Kaffee soll es im Sacher geben. „Täglich kommt ein Techniker von Illy vorbei und macht ein Service bei unserer Kaffeemaschine“, lacht Dizzi Alfons.
„Das macht sich bezahlt.“ Er eröffnete das Caffè Sacher vor zwei Jahren in einem ehemaligen Art-déco-Schuhgeschäft, an dem noch immer das Firmenschild eines Fabrikanten aus Wien VII zu sehen ist.
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