
Schlafen in der Kunst: Warum Luxushotels die neuen Kunsttempeln sind
Manche Lobbys sind zu schön, um sie zu verlassen, manche Zimmer zu kunstvoll, um nur darin zu übernachten.
Lust auf ein Gläschen Champagner unter Fresken von Tiepolo oder auf ein Dinner vor einem Pop-Art-Werk Andy Warhols? Dann könnte man im Urlaub einen kurzen Abstecher in die Luxushotels der Schweiz oder Italiens machen, die neben illustren Gästen auch gleich wertvolle Kunstschätze beherbergen.
Immer öfter rüsten Luxushotels auf, statten ihre Lobbys und Zimmer zu wahren Kunstoasen um, sodass sie sogar mit echten Kunstgalerien konkurrieren könnten. Antike Fresken mischen sich zu Skulpturen und Installationen moderner Kunst, Antiquitäten mit Contemporary Interior Design, der besten internationalen Designer und Künstler.
Kunst scheint ein zugkräftiger Motor für Luxushotels zu sein. Um neue Kunden anzusprechen, werden auch Innenhöfe und Stiegenhäuser mit echten Museumsstücken und Originalwerken bereichert. Suiten und sogar Gänge werden zu erlebbaren Kunstgalerien.
Dabei ist das ein Trend, der eigentlich so alt ist wie manche der ausgestellten, originalen Möbel oder Kunstwerke selbst. Denn viele der Luxushotels sind heute in ehemaligen Palazzi von Adeligen untergebracht, die immer schon Zentrum für Kunst und Kultur waren, an den schönsten geschichtsträchtigen Orten liegen und Zufluchtsorte für Schriftsteller, Musiker und bildende Künstler waren – denn die Landlords ließen sich auch gerne von ihren berühmten Gästen unterhalten.

Venedig: Rokoko-Welten und Fresken von Tiepolo, im Palazzo Papadopoli im Aman Venice
©aman veniceAdelspaläste als Hotels
Ihre Häuser waren Orte der Zuflucht und der Erholung, umgeben von malerischen Landschaften oder antiken Baudenkmälern, wo sich die Gäste entspannen konnten, um neue Kunst zu schaffen. Im Zeitalter der "Grand Tour", auch Kavalierstour oder Cavaliersreise genannt, führte diese obligatorische Bildungsreise seit der Renaissance Söhne des europäischen Adels durch die Länder Mitteleuropas, Frankreich, Italiens und Spaniens. Später konnte sich auch das gehobene Bürgertum das Reisen leisten, das sie im 18. Jahrhundert bis nach England führte.

Venedig: Rokoko-Welten und Fresken von Tiepolo, im Ballsaal im Palazzo Papadopoli im Aman Venice
©aman veniceDiese Bildungsreisen dienten zur Erkundung von Kunst und Architektur, zur Erweiterung von Sprachen, kulturellen Gepflogenheiten, Status und Prestige. Besonders in Italien, in Mailand, Florenz, Rom, Venedig, war die Grand Tour schon seit dem späten Mittelalter unter Künstlern und Intellektuellen Tradition.
Bis ins 19. Jahrhundert suchte der Adel bei den Grand Tours eher klassizistische Kulturideale. Erst nach der Französischen Revolution änderte sich der Kunstgeschmack der Reisenden: Sie besuchten Orte der Romantik, der Gotik und des europäischen Mittelalters. 1908 setzte der englische Schriftsteller Edward Morgan Forster mit seinem Roman "Zimmer mit Aussicht" der Grand Tour ein Denkmal. Denn im 20. Jahrhundert konnten sich immer mehr Bürgerliche solche Erholungsreisen leisten, aus denen sich dann nach und nach der Massentourismus entwickelte.

Rom: Im The First Arte kann man die Kunst gleich kaufen
©The First ArteKein Wunder also, dass sich Luxushotels heute wieder neue Strategien überlegen, um sich davon abzuheben und mit wertvoller Kunst exklusive Erlebnisse für ihre Gäste schaffen. Das bringt auch für so manchen Kurzurlauber und Kunstliebhaber noch einen weiteren Vorteil: Wer keine Zeit für Galerienbesuche hat, kann Kunst direkt im Hotel kaufen. Etwa im The First in Rom.
Hotelbesitzer & ihre Kunstschätze
"Rom ist nicht nur eine Stadt der Antike, sondern hat auch eine sehr lebendige zeitgenössische Kunstszene. Das wollen wir mit unserer Kunstsammlung junger, italienischer Künstler zeigen", meint Andrea Pierini, General Manager der The First Hotels. "Dabei soll das The First Roma Arte ein offener Kunstraum sein, den Gäste und auch alle Besucher von außerhalb wie ein Museum oder eine Galerie nutzen können. Alle Kunstwerke, die in den öffentlichen Bereichen und in den Zimmern und Suiten ausgestellt sind, können käuflich erworben werden."

Rom: Im The First Arte kann man die Kunst kaufen - auch diese heilige Kuh
©The First ArteWie etwa die lebensgroße Kuh des italienischen Künstlers Giovanni Albanese mit dem Titel "Call Center" in der Lobby. Sie symbolisiert die heilige Kuh Indiens, die darüber angebrachten Telefone die unzähligen Callcenter des Landes – als Mitbringsel ist sie allerdings ein bisschen zu groß.

Florenz: Antiquitäten in der Lobby im Hotel Savoy
©www.HotelPhotography.it/HOTEL PHOTOGRAPHY SRLItalienurlauber können aber auch weiter nördlich inmitten von Kunstschätzen übernachten. So werden im Hotel Savoy in Florenz temporäre Ausstellungen und Künstlertalks organisiert, bei denen Besucher einen hautnahen Kontakt zu den Künstlern haben. Zurzeit sind hier die Werke des Italieners Antonio Signorini ausgestellt.

Florenz: Antiquitäten in der Lobby im Hotel Savoy
©HOTEL PHOTOGRAPHY SRLEine andere Kunstsammlung zeigt die Gemälde von Luca Pignatelli. Um den Ruf von Florenz als Stadt für Handwerkskunst und Mode zu würdigen, werden im gesamten Hotel Savoy Schuhe und Hüte junger Designer präsentiert.
In vier historischen Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert, in der Nähe der berühmten Mailänder Scala, hat sich wiederum das Hotel Mandarin Oriental zeitgenössischem Design gewidmet. Hier können Gäste in einer exzentrischen Suite übernachten, die dem Künstler Piero Fornasetti gewidmet ist.

Mailand: Das Mandarin Oriental widmete Piero Fornasetti ein ganzes Zimmer
©GEORGE APOSTOLIDISDesignfans erfreuen sich an Originalklassikern wie dem Couchtisch "Egocentrismo" aus handbedrucktem und lackiertem Holz, der Kommode "Palladiana", inspiriert von einer palladianischen Architekturzeichnung, der Vase "Pensee" oder dem Schreibpult "Architettura".
Kunstschätze zwischen Barock und Contemporary erfreuen auch die Gäste des malerischen Palazzos Papadopoli in Venedig. Im 1550 von der Kaufmannsfamilie Coccina erbauten und an die Familie Tiepolo verkauften Palast ist heute das Aman Venice eingezogen.

Rokoko-Welten und Fresken von Tiepolo, im Palazzo Papadopoli im Aman Venice
©aman veniceDie Alcova Tiepolo Suite ist voll mit Fresken von Giovanni Battista Tiepolo, Marmor und Möbeln aus dem 18. Jahrhundert, gemischt mit Contemporary Design.
Seit seiner Eröffnung 1913 zog auch das Belle-Époque-Gebäude an der Promenade des Anglais in Nizza die Reichen und Schönen an.

Nizza: Kunstvolle Betten und ein prächtiger Salon Royal (auf dem Foto ganz oben) im Hotel Le Negresco
©gregoire gardetteIm Hotel Le Negresco stiegen Künstler und Prominente wie Dalí, Prinzessin Grace von Monaco, die Beatles, Louis Armstrong, Elton John und unzählige Filmstars ab. Seitdem Jeanne Augier 1957 das Hotel übernahm, werden Kunst und Antiquitäten gesammelt und das Hotel damit ausgestattet. Heute umfasst die Sammlung über 6.000 Kunstwerke aus verschiedenen Epochen.
In der Royal Reception, der Hotellobby, finden sich Werke von Renoir, Dalí und Niki de Saint Phalle, unter der imposanten Glaskuppel hängt ein kostbarer Glasluster aus 16.800 Kristallen, der einst von Zar Nikolaus II. für den Kreml bestellt wurde.

Zürich: Im The Dolder Grand gibt es Kunst von Max Bill & Co.
©The Dolder GrandAuch das The Dolder Grand in Zürich ist berühmt für seine illustren Gäste und seine beachtliche Kunstsammlung, die von der Hoteliersfamilie Schwarzenbach angelegt wurde. Nach der Renovierung durch die Architekten Foster + Partners, die das Gründerzeit Gebäude mit einem modernen Spa- und Golf-Trakt ergänzten, finden sich hier über 100 Arbeiten von Ferdinand Hodler, Urs Fischer bis Max Bill.
Gäste bewundern auch Fernando Boteros Skulptur "Frau mit Frucht", Andy Warhols 11 Meter hohes Werk "Big Retrospective", Barry Flanagans Bronzeskulptur "Leaping Hare on a Curly Bell" und Pop-Art-Werke des japanischen Künstlers Takashi Murakami. Wer das Restaurant betritt, kommt bei einem Gemälde von Salvador Dalí vorbei, vor dem Spa begegnet man Skulpturen von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely.

London: In der Bar des One Aldwych Hotels wird man von einem Ruderer begrüßt
©One Aldwych LondonIn London sitzt wiederum in einem typisch Edwardianischen Gebäude das One Aldwych Hotel. Einst erschien hier die Zeitung "Morning Post", heute schmücken über 300 zeitgenössische Kunstwerke und Objekte Suiten und Hotelräume, wie etwa die drei Meter hohe Bronze-Skulptur "Bootsmann mit Ruder" von André Wallace.
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