Altgläubige in Sibirien, Ulan Ude.

Warum die Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn ein Erlebnis ist

Was für eine Mischung an Menschen, Naturschauspielen und Traditionen rund um den Baikalsee im sibirischen Süden und in Burjatien!

Überblick

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Die humorvolle russische Reiseleiterin hält die kleine, bunt gemischte Gruppe aus Österreich bei der Tour rund um den Baikalsee auf Trab. Sie füttert sie nicht nur mit Geschichten und Geschichte, sondern auch mit Anekdoten, Zahlen und Daten, die die Dimensionen Sibiriens (übersetzt: schlafendes Land) veranschaulichen sollen: „In Sibirien sind hundert Kilometer keine Entfernung, minus vierzig Grad keine Kälte und ein Liter Wodka keine Menge.“ Natascha spricht perfekt Deutsch – gerne und viel.

Baikalsee 2019

Der Baikalsee ist der tiefste See der Erde (1.642 Meter), er liegt im südsibirischen Gebirge und in der russischen Republik Burjatien. Durch sein glasklares Wasser kann man über vierzig Meter in die Tiefe sehen. „Wir haben hier Temperaturen zwischen minus 50 und plus 30 Grad“, erzählt Natascha. Bis zu eineinhalb Meter friert der Boden im Winter – und der dauert lang. Von September bis Mai. Über die meterdicke Eisdecke fahren die Einheimischen mit Autos, Ski-Doos oder Luftkissenbooten über den See. Eisfischer angeln den endemischen Baikalfisch Omul, den es geräuchert und getrocknet an jedem Marktstand zu kaufen gibt.

Natascha erklärt das Leben um und im Baikalsee.

©Gurmann Maria

In den warmen Sommermonaten – Juni bis August – explodiert die Natur. Rundherum die sibirischen Birken-, Lärchen- und Kiefernwälder. Die berühmten Pinienkerne der Region, günstig an jeder Ecke zu bekommen, landen genauso als Mitbringsel im Gepäck der Touristen wie die vielen getrockneten Kräuter, und die bunt bemalte, ineinander schachtelbare, eiförmige russische Puppe (Matruschka).

Getrockneter Fisch auf dem Markt.

©Gurmann Maria

Stolz ist Natascha auf die vier Astronauten, die aus Irkutsk stammen. Auf Gorbatschows Perestroika ist sie nicht so gut zu sprechen. „Früher war nicht alles schlecht, wir hatten achtzig Fabriken in Irkutsk, jetzt nur noch drei.“ Die berühmten Glas- und Porzellanmanufakturen sind nur noch Ruinen. Viele der prachtvollen, mit Schnitzereien verzierten und bunt bemalten Holzhäuser, deren Fenster bis zum Gehsteig reichen, weil die Straßen im Laufe der Zeit immer wieder aufgeschüttet wurden, verfallen. Sie werden nach und nach renoviert und denkmalgeschützt. Moskau sei, so Natascha, „Gott sei Dank“, weit weg (mehr als viertausend Kilometer). Nach Ulan-Bator, Hauptstadt der Mongolei und kälteste Stadt der Welt, sind es keine sechshundert Kilometer.

Mit Schnitzereien verzierte und bunt bemalte Holzhäuser, deren Fenster bis zum Gehsteig reichen.

©Gurmann Maria

Abenteuer Transsibirische Eisenbahn

Gespannt und vorfreudig auf die Nacht im legendären Schlafwagen, schleppt die zwölfköpfige Österreicher-Gruppe ihre Koffer treppauf und treppab zum richtigen Bahnsteig. Keine Rolltreppen oder Aufzüge weit und breit. Hunderte Stufen sind zu bewältigen, die Kofferräder rattern und rumpeln. Geplagten Damen kommen junge Männer immer zu Hilfe – ein erfreuliches Bild.

Eine Nacht in der Transsibirischen Eisenbahn. Von Irkutsk nach Ulan Ude.

©Gurmann Maria

Walter, ein erfahrener Ostrouten-Kenner und leidenschaftlicher Transsib-Passagier, gibt den Mitreisenden vor der Zugfahrt wertvolle Tipps. „Jogginganzug, Schlapfen, bissl Proviant, es gibt keinen Speisewagen, Getränke und natürlich Wodka.“ Geschlafen wird auf dem Weg von Irkutsk nach Ulan Ude, Hauptstadt der autonomen Republik Burjatien innerhalb Russlands, eher weniger. Die Türen zu den Vierer-Abteilen bleiben offen, Gäste aus anderen Waggons sind immer willkommen, es wird geplaudert, gelacht – und getrunken. „Das Wichtigste ist, mit den Schaffnern und Zugbegleiterinnen Schmäh zu führen“, sagt Walter. Trinkgeld sind sie nicht abgeneigt. Feuchtfröhlich und gut gelaunt bewundern die Fahrgäste bei einem Stopp in Sljudjanka den ganz aus Marmor gebauten Bahnhof, bevor es weiter Richtung Südosten nach Ulan Ude geht.

Der ganz aus Marmor gebaute Bahnhof in Sljudjanka.

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Während die meisten Lenin- und Stalin-Statuen aus Russlands Städten verbannt wurden, thront vor dem Regierungsgebäude immer noch der größte Leninkopf der Welt (fünf Meter) auf einem pompösen Sockel. Die Burjaten gehen ihm nicht an den Kragen, sie sind froh, frei zu sein. Denn bis in die 1990er-Jahre war Ulan Ude, Zentrum der Militär-Industrie, geschlossen für Ausländer. Seit der Öffnung sind die Burjaten glücklich über Touristen. Hier leben Ukrainer und Mongolen, Russlanddeutsche und Chinesen, Ewenken und Sojoten. Mönche aus Tibet und der Mongolei brachten den Buddhismus ins Zarenreich. In der UdSSR wurden Schamanen aber verfolgt. Jetzt erlebt der Schamanismus eine Renaissance.

Leninstatue in Ulan Ude - überdimensiolal.

©Gurmann Maria

Vera, die zierliche burjatische Reiseleiterin, zeigt ihren Gästen die Vielfalt ihres Landes. Sie entdecken eine Seite Russlands, die sie nicht in Putins Reich vermutet hätten: den Buddhismus. Im 1945 erbauten Kloster Ivolginsk mit den goldenen, grünen und blauen Dächern laufen Schüler in ihrer bunten Tracht von Tempel zu Tempel, drehen an den Gebetsmühlen, Mönche beten.

Gebetsmühlen im 1945 erbauten Kloster Ivolginsk.

©Gurmann Maria

Wie ein Blick in die Vergangenheit ist der Ausflug zu den Altgläubigen in dem kleinen Dorf Tarbatagay. Kleine Holzhäuser, die mit ihren naiven Malereien in jedes Bilderbuch passen würden, scharen sich um das weiße Kirchlein der Altgläubigen, eine Minderheit, die sich 1667 von der Russisch-Orthodoxen Kirche abspaltete.

Altgläubige in dem kleinen Dorf Tarbatagay.

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Alexander, Sohn des Priesters, führt durch das Dorfmuseum – eine Halle, gefüllt mit Altwaren, wie auf einem Flohmarkt. „Unsere Bräuche, Tradition und der Glaube sind uns wichtig.“ Eine altgläubige Familie lädt die kleine Gruppe in ihr Haus ein. Es ist ein kulinarisches, musikalisches Fest bei Nadesha, die jegliches Klischee einer russischen Babuschka erfüllt. Ihre rosa Pausbacken glänzen, ihre knallig-bunte Volkstracht verhüllt ihre stattlichen Rundungen, um ihren Hals dicke Bernsteinketten und ein kunstvoll gebundenes Tuch (Kitshcka) schmückt ihren Kopf. Dazu Wodka, viel Wodka.

Dorf der Altgläubigen in Burjatien.

©Gurmann Maria

Die Tische biegen sich. Lauter traditionelle burjatische Gerichte: Teigtaschen (Posy) in allen Variationen mit Fleisch oder Fisch gefüllt, Blutwürste, Speck und köstliche Kuchen. Sobald die 48-jährige lebenslustige Russin mit ihren Freundinnen ihr erstes Lied schmettert, wird mitgesungen und getanzt. Ein unvergessliches Fest für die österreichischen Gäste. Und ja, Natascha hatte recht: „Ein Liter Wodka ist wenig.“

©Grafik

Infos

Anreise

aeroflot.com über Moskau nach Irkutsk. Wer den CO2-Ausstoß kompensieren will: z. B. climateaustria.at

Beste Reisezeit

Mai bis September, da der Winter in Sibirien mit Temperaturen bis -50 Grad sehr kalt ist

Gepäck

Da die Temperaturen  schwanken, ist Schichtenbekleidung  zu empfehlen, wetterfeste Jacken, Regenschutz, feste Schuhe, Jogger für  Schlafwagen und Jurtencamp. Stabile Koffer, die das Stiegensteigen bei Bahnüberbrückungen oder in einigen Hotels überleben.

Maria Gurmann

Über Maria Gurmann

In Wien geboren, in Wien verwurzelt, auf der ganzen Welt zu Hause. Seit 1984 Redakteurin beim KURIER, erst Wirtschaftsressort, dann Sonntag-Ressort, jetzt Ressort Lebensart/Reise. Der Erfolg meines Berufs ist Neugier. Empathie ist mein Zauberwort. Humor mein Problemlöser. An meine Sucht – ja, ich bin Nachrichtenjunkie - hat sich die Familie gewöhnt. Und der Wissensdurst ist nach Interviews mit mehr als 450 interessanten Menschen noch immer nicht gestillt.

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