Prag: Aussöhnung mit der Geschichte und innovative Gastronomie
Das tschechische Prag ist für vieles bekannt, derzeit sollte man sich vor allem die wieder aufgestellte Mariensäule anschauen – der perfekte Platz, sich neu zu erfinden.
Überblick
Tschechische Krone
1,309 Millionen (2019)
Hauptstadt Tschechiens
czechtourism.com; CzechTourism in Wien, Tel.: 01/89 202 99
Oft fährt man auf Reisen, um sich selbst zu finden, manche sagen: sich neu zu erfinden. Das ist natürlich Firlefanz, niemand kann sich neu erfinden, man kann sich nur mit sich selbst versöhnen. Insofern könnte man einmal nach Prag fahren. Die tschechische Hauptstadt ist gut darin, sich mit der eigenen Geschichte zu versöhnen. Also wurde jetzt die Mariensäule neu aufgestellt.
Weil die Schweden 1648 im Dreißigjährigen Krieg Prag schlussendlich doch nicht zur Gänze eingenommen hatten, verfügte Kaiser Ferdinand III. die Errichtung dieser Säule auf dem Altstädter Ring. Sie war ihm so wichtig, dass er dem Bildhauer Johann Georg Bendl mit dem Auftrag gleich seine Vorstellungen mitgab und kaiserlich-königliche Ideen waren damals sogar für berühmte Künstler recht bindend. Ferdinand wollte wie „alhier zu Wien aufm Hof, auch allda zu Prag“ ein Denkmal der Gegenreformation und für die Habsburger. Zweihundertsiebzig Jahre später war beides nicht besonders gefragt: Als 1918 die Habsburgermonarchie zerbrach, zerstörten aufgebrachte Bürger das Symbol der Rekatholisierung Böhmens und der Unterdrückung durch die Kaiser aus dem Nachbarland. Die Reste wurden von der Marianischen Bruderschaft gerettet, sie finden sich heute im Nationalmuseum.
Mit der Revolution 1989 erlangten die Menschen wieder die Möglichkeit, Dinge offen zu diskutieren, also diskutierten sie – besonders über eine Wiederaufstellung der Mariensäule. Stärkstes Argument dagegen: Wie könne eine Säule, die steht, wofür sie eben steht, auf demselben Platz sein, an dem historische Helden hingerichtet worden waren und vor allem: nur fünfzig Meter neben dem Denkmal für den Reformer und Nationalheiligen Jan Hus. Jahrzehnte der Aktionen, Petitionen, Gedenktafeln hin und her, wurde 2019 mit der Wiedererrichtung begonnen und umgehend von der Polizei gestoppt.
Neues, altes Essen
Aber das offizielle Prag rang sich durch und im August weihte der Prager Erzbischof die neue Säule ein. Diese Auseinandersetzung mit der Geschichte kennt man auch aus anderen postimperialistischen oder postkommunistischen Städten. Aber kaum eine schaffte es wie Prag, in so kurzer Zeit so schnell nach vorne zu blicken. Die Stadt hat sich fast unbemerkt in die Reihe der coolen europäischen Metropolen eingereiht. Auf 1,3 Millionen Einwohner kommen in Nichtcoronajahren 8 Millionen Touristen.
Sie alle sehen ständig neue architektonische Projekte und die perfekte Aufbereitung der sechshundertjährigen Stadtgeschichte: von alten und neuen Hausnamen (etwa „Haus der Krone“: Koruna) über die umfassende jüdische Geschichte (etwa: die Synagogen) bis zu den noblen Shops der berühmten Glasschleifermarken (etwa: Sektflöten um 700 Euro). Rund um Prag gibt es übrigens einige Glashüttenausflüge zu machen.
Die Aussöhnung mit der eigenen Geschichte erlebt man auch bei den zahlreichen angebotenen Kochkursen oder in der innovativen Prager Gastronomie. Lange Zeit fuhr man ja nur nach Prag, um Schweinsbraten, Knödel und Bier zu völlern. „Dabei sind wir an sich eine Schwammerlnation“, sagt Zdeněk Pohlreich. Der 63-jährige Koch hat sich in Tschechien zu einem Phänomen gewerkt: Lokale aufgemacht, eine TV-Show mit markigen Sprüchen und viele Bücher. Fragt man ihn nach dem kulinarischen Erbe des Landes und neuen Interpretationen, lächelt er nur: „Nach der Wende 1989 wollten alle nur fancy internationales Essen. Jetzt wenden wir uns wieder zur klassischen, bodenständigen Küche. Und das ist gut so, weil die schmeckt.“ Nur die Portionen seien kleiner und die Geschmäcker intensiver. Auch eine Art der Aussöhnung.
Infos
Prag erreicht man perfekt mit dem Zug, ab Linz, Graz und Wien per Direktverbindung direkt ins Zentrum. oebb.at
Mai bis Oktober
Kommentare