Naturwunder Hawaii: Wo Strand auf Schnee, Lava und Regenwald trifft
Die größte Insel Hawaiis ist nicht so bekannt wie Maui oder Kauai, aber nirgends ist die Natur so vielfältig wie hier. Mondlandschaft trifft auf üppiges Grün und Schnee auf Meer.
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von Barbara Reiter
Der Freund, der frisch aus dem Hawaii-Urlaub zurückgekehrt ist, grinst wie ein Honigkuchenpferd. „Diese Insel ist sooo geil!“ Normalerweise sind seine Zähne weiß, heute Strahler-80-Weiß, was wohl an der unverschämten Bräune liegt, die er aus Hawaii mitgebracht hat. „Wo warst du genau?“, soll eine lockere Einstiegsfrage vom eigenen Elend – weiße Haut, graue Gesichtsfarbe – ablenken. „Wir haben uns mehrere Inseln angesehen“, sagt er ambitioniert, schaut mitleidig ins Gesicht seines grauen Gegenübers und schaltet einen Gang zurück: „Wenn man die weite Reise schon macht, muss man viel sehen. Es sind doch 17 Stunden Flug.“
Dann tauchen wir ein in die Welt der Insulaner, besuchen Ohau mit seinen Megawellen, dem weltberühmten Waikiki Beach und der Hauptstadt Honolulu. Später folgt ein Abstecher nach Maui, „die“ Surferinsel schlechthin – und zum "Whale Watching" ist sie auch Weltklasse. „Beeindruckende Bilder“, schwärmt der Freund. „Aber landschaftlich am faszinierendsten fand ich Big Island.“ Dort wechselt die Umgebung ihr Aussehen so flott wie das Wetter im April. Gerade quert man noch das grüne Irland, wenig später wähnt man sich mitten in einer Steppenlandschaft. Steppe und Irland auf einmal? Sachen gibt’s, die gibt’s nicht!
Big Island ist besser bekannt unter ihrem eigentlichen Namen Hawaii. Aber das ist verwirrend, weil der ganze Inselstaat mit seinen 137 Eilands und Atollen so heißt. Deshalb dee Zweitname Big Island. Die größte Insel des ganzen Archipels ist 150 Kilometer lang, 122 breit und damit groß genug, um Bühne für ein wahres Naturspektakel zu sein. Auf dem Programm stehen elf von insgesamt 13 Klimazonen der Welt. In den Hauptrollen: tropische Regenwälder, üppig grüne Täler und Sumpfgebiete im Landesinneren. Zum Drüberstreuen findet man hier auch Schnee und natürlich das Meer. Kalt-warm in unschuldigster Form. Theoretisch stehen Urlauber am Vormittag mit Pudelmütze im Schnee und liegen nachmittags mit Badehose in der Sonne oder reiten auf den Wellen.
Der Österreich-Hawaiianer führt dazu die für Surfer typische Geste vor: geschlossene Faust, abgespreizter Daumen, gehobener kleinen Finger. „Hang Loose“, erklärt er den unter Insidern weltweit verbreiteten Gruß. Als nächstes switcht er in seiner Erinnerung ins Hochgebirge zum Gipfel des Mauna Kea. Der ist nicht nur der höchste Berg der Insel, sondern des ganzen Archipels. 4.205 Meter ragt er in den Himmel, misst man seine Höhe von der Basis am Meeresgrund, bringt er es auf 10.000 Meter. Viele sprechen von ihm deshalb als höchstem Berg der Welt. Und der ht es in sich. Big Island ist nämlich eine Vulkaninsel, die vor rund einer Million Jahren aus der Lava von fünf Vulkanen wie dem Mauna Kea, entstanden ist. Seit Tausenden Jahren schlummert der Feuerberg aber friedlich vor sich hin. Am friedlichsten, als der Zufahrtsweg zur Spitze von Demonstranten blockiert worden war.
Grund dafür war ein 30-Meter-Teleskop, „TMT“ genannt, das dort hätte positioniert werden sollen. Auf dem Berg befindet sich nämlich das "Mauna-Kea-Observatorium", eine der wichtigsten astronomischen Beobachtungsstationen der Welt. Höhe und die damit verbundene klare Luft, machen den Mauna Kea zum idealen Platz, um das All zu erforschen. Das finden die Einheimischen nicht gut, da der Berg für sie heilig ist. Schon die bereits vorhandenen Teleskope wurden maximal geduldet. Ein offenes Geheimnis ist auch, dass es den elf Nationen bei ihren Forschungen nicht nur um Daten über das Sonnensystem, sondern auch um Militärisches geht. Aber der Widerstand, an dem sich auch prominente Hawaiianer wie Sängerin Nicole Scherzinger im Sommer beteiligten, hat sich offenbar ausgezahlt. Das „TMT“ soll nun auf der Kanaren-Insel La Palma, seine Heimat finden. Die letzten Bau-Genehmigungen wurden Ende November erteilt.
„Ich habe dir übrigens etwas mitgebracht“, sagt der Heimkehrer und holt einen erdig braunen Linoldruck aus einer Tasche. „Dietrich Varez, ein Künstler aus Volcano, der sich mit lokalen Sagen auseinandersetzt.“ Um die Verehrung der Insulaner für ihre Berge zu verstehen, muss man Vulkangöttin Pele kennenlernen, jener Frau, die auf dem Druck zu sehen ist. Nach zahlreichen Kämpfen, Liebschaften und einer langen Reise, hat Pele, so die Sage, ihre neue Heimat im Krater des Kilauea gefunden. Er steht zwar mit seinen 1.247 Metern im Schatten des großen Bruders Mauna Kea, hat aber sein eigenes Alleinstellungsmerkmal. Der Kilauea gilt als einer der aktivsten Vulkane der Welt.
Im „Volcanoes National Park“ gelegen, ist er jährlich Anziehungspunkt für Millionen von Touristen. Vor allem, wenn die Natur, wie hier so oft, alle Stückeln spielt. Dann spuckt Pele derart, dass sich ein ava-Strom aus einer Klippe in den Pazifik ergießt. Dort trifft 2.000 Grad heißes, flüssiges Gestein auf 22 Grad warmes Meerwasser. Es dampft und zischt als gäbe es kein Morgen. „Zzzzzzzzzzisch!“ Das ist der Moment, in dem Kameras gezückt werden und Bilder von feuerroter Lava auf dem Weg ins Wasser um die Welt gehen. Spektakulär auch der Spaziergang über die getrocknete Lava, aus deren Rissen Rauchwolken aus dem ewig heißen Inneren in den Himmel steigen. Ein mystisches Schauspiel, das sich durch die Gegensätze der Landschaft noch verstärkt. Die Lavafelder gleichen einer kargen Mondlandschaft, während in unmittelbarer Nähe die nächste Überraschung wartet. Eine Wanderung auf dem ‚Kilauea Iki Trail‘ im Volcano Park beginnt nämlich mitten im Dschungel mit einem 120 Meter langen Abstieg durch den tropischen Regenwald.
Die Vulkane sind es auch, die Big Island eine weitere Attraktion bescheren. Neben weißen gibt es auf der Insel grüne und schwarze Strände. Der ‚Punalu’u Black Sand Beach‘ befindet sich südlich des „Volcanoes National Parks“ und ist deshalb so sehenswert, weil nur ein 30-minütiger Fußmarsch von der Straße aus zum Ziel führt. Das nimmt der gemeine Tourist eher selten auf sich, der echte Reisende schon. „Da spazierst du am Strand und plötzlich pennt eine Meeresschildkröte neben der anderen in der Sonne“, erinnert sich der Echt-Reisende aus Österreich und legt ein auf dem Handy gespeichertes Beweisfoto vor. Zu sehen sind vier Meeresschildkröten, die Augen auf Halbmast gesenkt und den grünen Panzer in die Sonne streckend – so wie es Touristen in Kailua-Kona tun.
Kailua-Kona liegt im Westen der Insel und zeigt sich im Gegensatz zum feuchten Osten trocken und sonnig. Bekannt wurde der Ort, weil sich dort Start und Ziel des „Ironman“, des härtesten Triathlons der Welt, befinden. Jeden Oktober, springen Sportler aus aller Welt in Kailua-Kona frühmorgens ins Meer, schwimmen 3,86 km, schwingen sich danach aufs Rad, preschen über Lavafelder und den „Queen K Highway“ und kehren nach 180,2 km zum Ausgangsort zurück. Zu guter Letzt steht noch mehr oder weniger lockeres Laufen über 42,195 Kilometer am Programm. Der Deutsche Jan Frodeno benötigte letzten Oktober 7:51:13 Stunden dafür, bei den Damen siegte Landsfrau Anne Haug in 8:40:10 Stunden. Zu der Zeit hat es auf Big Island bis zu 30 Grad. „Aloha“ kann man da nur sagen. Das ist nicht nur ein hawaiianischer Gruß: Es bedeutet auch Mitgefühl.
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