Kanufahrt auf dem Neusiedler See

Neuer und alter Seewinkel: Von Mexiko bis zur Hölle

Die Region östlich des Neusiedler Sees wird als Seewinkel bezeichnet, auch wenn im engen Sinn nur die Flächen von Illmitz und Apetlon gemeint sind. Auch abseits vom Meer der Wiener gibt es hier viel zu erkunden.

Für Martin Steiner und viele andere Pamhagner war der Neusiedler See lange vor allem eines: uninteressant. In den 1950er-Jahren verbrachte man die spärliche Freizeit lieber am Zicksee in St. Andrä. „Alle Medien waren da, als der See 2022 ausgetrocknet ist. Jetzt hat er wieder Wasser – ein Naturschauspiel mit unzähligen Vogelarten – und keiner berichtet“, bemerkt der 81-jährige Wirt kritisch.

Alte Klassiker wie Bauernleber

Das „Wirtshaus zum Türkenturm“ im Grenzdorf Pamhagen wird inzwischen von Sohn Martin junior geführt, doch der Senior steht nach wie vor täglich in der Küche. Jahrzehntelang war er hier Chefkoch. Was er früher servierte, ist bei heutigen Radtouristen weniger gefragt: Beuschel, Gulasch und geröstete Leber galten einst an Markttagen und zum Kirtag als Delikatessen. 

Fogosch auf Speisekarte

Seit Anfang der 2000er und mit dem Aufkommen des Tourismus im 1.500-Einwohner-Dorf hat sich die Küche auf Cordon bleu und den viel gelobten Zander spezialisiert – auf Ungarisch „Fogosch“, so steht er auf der Speisekarte. 

Die Klassiker wie Bauernleber – mit Schweinsleber, Bauchfleisch, Zwiebeln und Kartoffeln – oder saure Lebersuppe gibt es heute aber immerhin noch als Tagesmenü. „Das Rezept ist von meiner Mutter und wird originalgetreu gekocht“, sagt Steiner. Nur das Schmalz wurde längst durch Öl ersetzt.

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 Der Zicksee ist nicht mehr ausgetrocknet (Foto: 7. Mai 2025), unzählige Gänse und andere Vögel sind hier zu beobachten. Ein Naturschauspiel

©Christina Michlits

Die Mexikopuszta 

Auch Szegediner Gulasch zählt zu seinen Favoriten – der ungarische Einfluss ist spürbar. Kein Wunder, gehörte doch das benachbarte Fertőújlak bis 1922 zu Pamhagen. Das kleine ungarische Dorf und das Gebiet herum hieß übrigens auch schon einmal Mekszikópuszta (Mexikopuszta)

Laut Steiner „weil sich ein Gutsherr dort angesiedelt hat und ihn die Landschaft an Mexiko erinnerte.“ Heute führt ein pittoresker Radweg dorthin – durch ehemalige Sumpfgebiete und die charakteristische Steppenlandschaft der Region. Wer davor Lust auf ein besonderes Picknick verspürt, sollte bei Michael Andert Halt machen. 

Wildes Lerchenfeld

Der vielseitige Bio-Bauer bewirtschaftet ein „wildes“ Grundstück inmitten der Ackerlandschaft nahe der Puszta. Nach Wein, Brot, Wurst und Lequa (ungarisch für Marmelade) bietet er auf Wunsch auch eine Garten- und Kräuterführung an. 

Vor zwanzig Jahren galt der heute 58-Jährige noch als „kompletter Spinner“ (wie er selbst sagt), als er sich dem biodynamischen Gemüse- und Weinbau verschrieb. Heute ist er Liebling der Gourmet-Szene – dennoch will er nicht expandieren. Sein Hofladen (13. Juni und 5. Juli, Lerchenweg 16) findet ganz ungezwungen in der Garage statt.

Größer dimensioniert ist das Weingut Meinklang, ebenfalls in Pamhagen beheimatet. Es hat sich demebenfalls Naturwein verschrieben, produziert aber jährlich 350.000 Liter und exportiert 90 Prozent. Am Ortsrand steht der stilvoll neu errichtete Hof mit Verkostungsraum; in Wien gibt es einen Hofladen dazu.

Wanderung Lange Lacke

Nach Speis und Trank lädt das nahe gelegene Naturschutzgebiet Lange Lacke zu einem Spaziergang ein. Sie ist die größte der über 40 Salzlacken im Seewinkel. Der Rundweg erstreckt sich über knapp zehn Kilometer und führt durch die ältesten Wiesen Österreichs. Derzeit lassen sich zahlreiche Enten, Watvögel, Möwen und Seeschwalben beobachten.

 Ein Fernglas ist hier unverzichtbar – in der Nähe des tiefsten Punkt des Landes (auf 114 Meter Seehöhe). „Wir kommen jedes Jahr aus der Steiermark, gerade jetzt ist es fantastisch – so viele Vogelarten sieht man wirklich selten“, berichtet ein Paar aus der Steiermark, das vor fünf Jahren seine Liebe zum Birdwatching entdeckt hat.

Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass ...

… Balasn eine traditionelle Süßspeise aus mürbem Teig und einer  Apfelfülle ist? Pamhagen beansprucht das Originalrezept ebenso für sich wie  Illmitz.

… auch bezüglich der legendären Stru(d)l und Bui'l (gesottene Grießstrudel mit Bohnenzuspeise) gestritten wird, aus welchem Dorf das Gericht stammt? 

… Jede Ortschaft östlich des Sees einen eigenen Dialekt hat. Apetloner werden wegen ihrer  eigenwilligen Wortfindungen auch Franzosen genannt. 

Kutschenfahrt und ab in die Hölle

Wer es bequemer mag, erkundet den Nationalpark in Illmitz mit der Kutsche. Die Kutscher erzählen spannende Anekdoten über die Region, während man in der Kernzone weiße Esel bewundern kann.

Sportlicher geht es danach mit dem Rad durch die sogenannte Hölle – ein Gebiet zwischen Illmitz und Podersdorf mit kleinen Seen. Geheimtipp entlang der Strecke: Der urige Heurige der Familie Klein. Nur wenige Kilometer entfernt bietet der Heurigen "Zur Hölle" neue Speisen, die Familie Lentsch (Dankbarkeit in Podersdorf) hat den Gastrobetrieb kürzlich übernommen.

Kinder freuen sich danach auch auf den riesigen Spielplatz "Podo Play" am See in Podersdorf – das aussichtsreichste Ziel des Nachwuchses auf der Tour.

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Spargelsalat im neu übernommenen "Zur Hölle" Heurigen

©Privat, michlits

Das schönste Stück Radweg

Noch ein Stück weiter liegt aber der vielleicht schönste Abschnitt des Neusiedler See-Radwegs, zwischen Podersdorf und Weiden. Dort steht Barbara Pittnauers mobiler Heuriger: Ein Wohnwagen, aus dem Spritzer und Traubensaft ausgeschenkt werden. Kurz vor Podersdorf lockt „Tschisti's Saftladen“ mit üppig belegten Broten – und Preisen, die ebenso saftig sind.

Weingüter als Gastrotipp

Abseits des Neusiedler Sees gibt es im Seewinkel – zu dem sich auch Dörfer östlich des Sees wie Andau, Frauenkirchen oder St. Andrä zählen, der aber im engen Sinn nur Illmitz und Apetlon und Teile von Podersdorf beschreibt – auch allerhand zu erkunden. Etwa das Dorfmuseum in Mönchhof mit einer der herzigsten Kapellen weit und breit. 

Geniale Blumenarrangements und Deko gibt es in „Natürlich verbunden“ bei den Floristinnen Elke und Julia und in der „Netzwerkschmiede Schlossahaus“ regionale Souvenirs und ausgezeichneten Kaffee in einem gemütlichen Gastgarten.

Weinbauern als Gastroprofis

Einen kulinarischen Stellenwert erhalten im Nordburgenland in den letzten Jahren auch Weingüter. Dass immer weniger Alkohol getrunken wird, bekommen sie langsam zu spüren.

 Vor allem kräftige Rote wie Blaufränkisch haben es schwer. Früher war Wein in burgenländischen Gasthäusern omnipräsent. „Morgens gab’s statt Kaffee oft Blaufränkisch“, erinnert sich Steiner. „Grüner Veltliner, Welschriesling und ein Muskat, den wir „Spezi“ nannten – das war unsere Karte.“ 

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Winzer als Gastroprofis: Langos, Schweinsbraten, Heurigenjause und süße Mehlspeisen gibt es beim ausgedehnten Brunch auf dem Weingut von Hannes Reeh in Andau.

©Weingut Hannes Reeh

Weinbauern wie Hannes Reeh in Andau reagieren auf die neue Situation, er hat auch Verjus (Saft von unreifen Trauben) und andere alkoholfreie Varianten im Repertoire. 

Daneben lädt der Top-Winzer mit einem Brunch ein, (fast) den ganzen Tag auf seinem schmucken Hof zu verbringen. Die neue in Schwarz gehaltene Vinothek vom Andauer Michael Schwarz bietet ebenfalls üppige Jausen-Optionen zu Weinen.

Therme mit kühlem Teich

Nach so viel lukullischen Genüssen geht es zur Entspannung am besten auf den nahe gelegenen Badesee in Andau, ins Scheiblhofer Resort oder in die St. Martins Therme nach Frauenkirchen, die durch einen riesigen Teich auch im Sommer ein kühles Plätzchen zu bieten hat.

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Auch im Sommer passend: St. Martins Therme & Lodge

©Rudy Dellinger, St Martins Therme und Lodge

Gute Aussichten

Wer eine unschlagbare Aussicht auf den See und die Weingärten genießen will, wandert oder radelt den Weidener Weinwanderweg entlang, gesäumt von alten Weinkellern. Oder man begibt sich auf den GolserWeinWeg – auf eigene Faust oder mit einer geführten Tour ab der Golser Vinothek.

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Ein unschlagbarer Blick auf den Neusiedler See  und die Zitzmannsdorfer Wiesenvom Weinwanderweg in Weiden am See aus.

©mauritius images / Dietmar Najak/Dietmar Najak/mauritius images

Neuer Eventbereit im "Nils am See"

Den Abschluss (oder auch Start, siehe Tipps) macht ein Tag im „hohen Norden“ in Weiden am See, ein Dörfchen, dass sich zum Touristen-Hotspot mauserte.

Das Frühstück im „Das Fritz“ ist weiterhin unschlagbar – das beste Lokal direkt am See, neben der Takeria in Neusiedl. Eine „Adults Only“-Option ist 2025 das Boutique-Hotel „Nils am See“ geworden, auch Champagner-Nachmittage gibt es.

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Hell und offen: Das Hotel „Nils am See“ eröffnet im Juli seinen neuen Eventbereich.

©nils am see

Strandbar Weiden neu übernommen

Der Abend klingt nirgends besser als in der Strandbar Weiden aus – die neu von Lena Mattson und Baptist Niessl übernommen wurde. Nach dem prämierten Burger-Lokal „Neusiedler“ bespielen sie auch den Strandzugang mit Bar hinter der „Blauen Gans“.

 Burger gibt es keine, dafür Salate, Fish and Chips oder Wraps – und das perfekte Urlaubsfeeling auf dem Neusiedler See. Auch Martin Steiner verschlägt es mittlerweile manchmal an den Steppensee – lieber geht er aber noch immer rund um den Zicksee spazieren.

Ich packe in meinen Koffer ...

 … ein Fernglas, das man am besten bei jeder Tour zur Hand hat, auch wenn man kein Bird Watcher ist  – vielleicht wird man ja noch einer.

...  ein Gelsenspray, weil die Region durch Lacken und See als Gelsenmagnet gilt. Die letzten Jahre brachten allerdings keine Mückeninvasion mit sich.

… einen Korkenzieher und Gläser. Man weiß ja nie, welches Weinflascherl man sich spontan kauft und dann auf einer Picknickdecke verkosten will.

Christina Michlits

Über Christina Michlits

Hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Nach Kennenlernen des Redaktionsalltags bei Profil und IQ Style, ging es unter anderem zu Volume und dem BKF. Seit 2010 bei KURIER für die Ressorts Lebensart und Freizeit tätig. Schwerpunkte: Mode, Design und Lifestyle-Trends.

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