Mumbai: Die Megacity zwischen Slums und Wolkenkratzern
In der Welt der Gegensätze: In Mumbai sind Bollywood, Artdéco-Häuser, Megareiche, Slums und kulinarische Vielfalt mit den schnellsten Essenszulieferern zu Hause.
Überblick
Von Wien mit Lufthansa über Frankfurt/Main nach Mumbai
ab ca. 450 Euro
indische Rupien
ca. 10 Std
von Lisa Rieger
"Er besucht uns jeden Tag in der Früh, hält kurz inne auf unserem Balkon. Ich habe ihn Oscar genannt", sagt Soraya Postel über den Schwarzmilan auf ihrem Balkon und sieht ihm begeistert zu. Die 65-Jährige lebt seit 40 Jahren in Mumbai: "Diese Stadt macht etwas mit allen, die sie besuchen. Sie hat ihren eigenen Rhythmus und seit ich mich in ihm bewege, kann ich mir keinen anderen Ort mehr vorstellen."
Der Greifvogel breitet seine Flügel wieder aus, hebt ab und schwebt über die Stadt. Eine Stadt in der je nach Zählweise 18 bis 30 Millionen Menschen leben, von bitterarm bis superreich. Eine Stadt, die für Bollywood, die Finanz- und Modewelt, Slums, die teuersten Wohnviertel überhaupt und die größte Dichte an Art-déco-Häusern Heimat ist. Eine Stadt, die pulsierend und aufregend ist, einen aber nicht, wie manche anderen indischen Städte, auffrisst und dann wieder unzerkaut ausspuckt.
Die Milliardärsstraße
Mumbai hat Poesie, etwa wenn das dunkelgelbe Licht abends lange Schatten wirft, wenn die Wellen sanft Richtung Promenade rollen und die Fischer ihre Netze auswerfen, wenn am Strand Kinder spielen und die Erwachsenen frische Kokosnüsse kaufen. Mumbai ist eine Stadt der Superlative. Und dazu trägt auch der reichste Bewohner bei: Mukesh Ambani. Neben Greifvögeln durchstreift auch regelmäßig einer seiner Hubschrauber den Luftraum, wenn der Öl-Magnat von A nach B muss und den nie enden wollenden Verkehr der Stadt übertrumpfen möchte. Abends kehrt er dann in sein Privathaus "Antilia" zurück.
Es ist das teuerste Privathaus der Welt und steht in der Altamount Road, der Milliardärsstraße Mumbais. Von außen bewachen Polizei und Militär das Anwesen. Das 173 Meter hohe Gebäude ist bedeckt mit hängenden Gärten, die als moderne Version jener Babylons gelten und die es auch von außen attraktiv für Besuche machen. 37.000 Quadratmeter Wohnfläche stehen den Ambanis zur Verfügung und rund 600 Angestellte sorgen für das Wohl der Familie.
In großer Armut
Während die Ambanis im Überfluss leben und etwa für die Verlobungsfeier der Kinder Stars wie Beyoncé oder Rihanna engagieren, lebt ein beachtlicher Teil der Mumbaiker, wie sich die Bewohner selbst nennen, in Armut. So befindet sich der größte Slum der Welt in der Megastadt – Dharavi, wo auch der oscargekrönte Film Slumdog Millionär gedreht wurde. Einer seiner echten Bewohner ist Shankar Dhumal. Er wohnt gemeinsam mit seiner Mutter, seinem großen Bruder, dessen Frau und den gemeinsamen drei Kindern auf rund 30 Quadratmetern.
Untertags ist Dhumal Teil einer der umweltfreundlichsten und schnellsten Lieferdienstsysteme der Welt – die Dabbawalla liefern täglich 200.000 Lunchboxen mit Rad, Zug und zu Fuß innerhalb von vier Stunden aus. Das Prinzip funktioniert so: Zu Hause wird frisch gekocht, die Dabbawalla holen das in die Lunchboxen liebevoll gepackte Essen und bringen es zum arbeitenden Teil der Familie.
"Manche erhalten seit über 20 Jahren täglich ihr frisches Essen auf diese Weise an ihren Schreibtisch", sagt Dhumal. Er selbst übt den Beruf seit zehn Jahren aus. "Und das in vierter Generation", wie er nicht ohne stolz erklärt. Wer den Dabbawalla zusehen möchte, hat die beste Chance täglich kurz vor 12 Uhr beim Knotenpunkt Churchgate. Denn da sortieren sie die Boxen neu.
Nur wenige Stationen weiter bei "Mahalakshm" befindet sich Dhobi Ghat, eine gigantische Freiluftwäscherei. Täglich waschen, trocknen und bügeln hier Mitarbeiter rund 100.000 Wäschestücke. Jene, die zum Trocknen aufgehängt werden, flattern dann in all ihren Farben durch den Wind. Dhobi Ghat bei der Station Mahalakshmi lässt sich gut mit dem Local Train erreichen.
Überhaupt – wer Indien besucht, ist verpflichtet mit dem Zug zu fahren, um ein Gespür für das Land zu bekommen. Das Gleiche gilt für den Local Train in Mumbai. Eine Fahrt in eine Richtung kostet fünf Rupien (umgerechnet fünf Cent). Die Waggons sind in Männer- und Frauenabteile unterteilt. Über den Köpfen surren die Ventilatoren, Fenster und Türen sind stets offen.
Während der Rushhour ist es nicht möglich, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Im Gegenteil: Viele hängen halb zur Tür hinaus und klammern sich nur noch mit einer Hand innen fest. In ruhigeren Stunden steigen auch Verkäufer ein und aus, die von Fächern bis Haarspangen alles Mögliche anbieten. Endpunkt des Local Trains ist abermals Churchgate – auch ein perfekter Ausgangspunkt für einen Spaziergang durch das viktorianisch-gotische und Art-Déco-Viertel, das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Bollywood und Kulinarik
Schön ist es, eine Runde rund um den Oval Maidan zu spazieren. Saßen früher Lords und Ladys dort, um beim Cricket zuzusehen, ist der fast neun Hektar große Platz auch heute ein Erholungsort, an dem fleißig Sport ausgeübt und am Rande darüber gefachsimpelt wird. Außen rundherum reihen sich die Prachtbauten. Was fehlt noch, um ein Gespür für Mumbai zu bekommen? Kulinarik und Bollywood natürlich! Mumbai verfügt über eine ganze Palette an kulinarischen Highlights.
Eines davon ist das Pancham Puriwala, das älteste Restaurant der Stadt. 1848 als kleiner Straßenstand entstanden, der die Arbeitenden mit Frühstück versorgte, gehört es jetzt zu den beliebtesten Lokalen der Mumbaiker.
Serviert werden traditionell fünf Puris, in Öl ausgebackene Fladenbrote, mit fünf verschiedenen Sabzis, Gemüsegerichten in kleinen Schalen. Wer Kinofan ist oder einfach ganz tief in den Bollywood-Hype eintauchen möchte, der ist im Maratha Mandir Theatre richtig. Seit 29 Jahren wird hier jeden einzelnen Tag am Vormittag der gleiche Film gezeigt: "Wer zuerst kommt, kriegt die Braut". In den Hauptrollen, wie könnte es anders sein: Shah Rukh Khan und Kajol.
Der Film ist Kult, die Lieder sind Kult. "Am Wochenende oder an Feiertagen ist das Kino bis heute fast bis zum letzten Platz voll", sagt Manoj Pandey, der Manager. Kino in Indien ist ein Erlebnis – die Besucher klatschen, singen und tanzen mit. "Das Schöne ist, dass hier alle Klassen zusammenkommen, von Ober- bis Unterschicht", sagt Kanika, eine 28-jährige Journalistin, die Freunde, die sie in Mumbai besuchen, gerne am Wochenende mit ins Kino nimmt. Wer Lust auf noch mehr Shah Rukh Khan hat, stattet seiner Villa im Stadtteil Bandra einen Besuch ab. Da thront sein Anwesen "Mannat" über dem Meer und zu jeder Tages- und Nachtzeit versammeln sich Fans davor, machen Selfies und hoffen, einen Blick auf ihren Lieblingsstar zu erhaschen.
Scharfer Snack
Mumbai lässt sich am besten durch sein Streetfood entdecken. Und was für New York Hotdogs und für London Fish and Chips sind, das ist Vada Pav für Mumbai. Seinen Ursprung hat der Snack als schnelle und füllende Mahlzeit in der Arbeiterklasse genommen. Schnell entwickelte er sich aber weiter und ist als kulinarischer Bestandteil der Stadt nicht mehr wegzudenken.
Das Herzstück ist das Patty, das aus gekochten und pürierten Erdäpfeln sowie einer Kichererbsenmasse geformt und dann frittiert wird. Dieses liegt dann in einem Brötchen, dem Pav, das an der Innenseite mit grünem Chutney aus Koriander und Minze sowie Tamarindenchutney bestrichen wird. Niemals Fehlen darf grüner Chili, der in das Brötchen wird und bei so manch ungeübtem Esser von Scharfem für Schweißausbrüche sorgen kann. In Mumbai gibt es Vada Pavs an jeder Straßenecke. Ein Stand sticht besonders hervor. Das ist jener beim Chhatrapati Shivaji Maharaj Terminus, wo immer viele Menschen aus nah und fern darauf warten, ihre Zähne in einem der zarten Brötchen versenken zu dürfen. Nidi, Meghan und Vishva sind etwa aus Gujarat und machen in Mumbai Urlaub.
"Ein Besuch hier darf nicht fehlen. Der Stand ist weit über die Grenzen Mumbais hinaus bekannt. Wir wollten testen, wie gut sie sind", erzählt Nidi. "Wir sind begeistert, die Vada Pavs hier sind erfüllender als normale", ergänzt Meghan und Vishva sagt: "Wir haben uns gerade schon die zweite Runde geholt." Serviert werden die Vada Pavs mit einem Spezial-Knoblauch-Chutney. Besonders deliziös ist jenes mit frittierten grünen Chilis. Das teuerste Vada Pav kommt auf 80 Rupien (knapp 90 Cent).
Tipps
Hotels
- Taj Mahal Palace & Tower: Direkt neben dem Gateway of India liegt das 1903 erbaute Prachthotel, das zu den Leading Hotels of the World zählt und in dem bereits Legenden wie Mick Jagger übernachtet haben – tajhotels.com
- Residency Hotel: Im Stadtteil Fort gelegen lässt das Hotel vor allem die Herzen in den oberen Stockwerken höher schlagen: ein atemberaubender Blick über die Stadt – residencyhotel.com
- Regent Hotel: Dieses Hotel im arabischen Stil mit viel Marmor und Pastellfarben liegt direkt in Colaba, dem Herzen Mumbais, von wo aus die gesamte Stadt erkundet werden kann.
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