Weekender Lappland: Nordlichter, Rentiere und ein Weihnachtsmanndorf
Im hohen Norden von Finnland und Schweden hinterlassen außergewöhnliche Erlebnisse vor der dunklen Kulisse der Polarnacht bleibende Erinnerungen.
Überblick
AUA im Winter per Direktflug von Wien nach Rovaniemi oder Kittilä (Flugdauer: ab 3 h 15)
Kittilä-Flughafen liegt etwas näher an Kiruna (ca. 300 Kilometer). Nach Kiruna bzw. von dort zurück nach Wien per Zwischenstopp in Stockholm.
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Von Lisa Arnold
"Fragen Sie einen Rentierzüchter niemals nach der Größe seiner Herde. Das wäre so, als würde ich Sie nach Ihrem Kontostand fragen", sagt Janne Mustonen, der nördlich von Rovaniemi selbst Rentierhaltung betreibt.
Man geht davon aus, dass die systematische Rentiernutzung in Lappland eine tausendjährige Geschichte hat. Und obwohl es nicht mehr der bedeutendste Wirtschaftszweig der Region ist – mit Tourismus, Bergbau, Forstwirtschaft und Energiegewinnung wird mittlerweile weit mehr verdient –, so ist er doch für die Kultur und Identität der Einwohner weiterhin bedeutsam.
Im hohen Norden Europas liegt Lappland – eine Region der Extreme, von der die meisten gehört, aber die die wenigsten bereist haben. Der Begriff bezeichnet je nach Definition die Gebiete Fennoskandinaviens nördlich des Polarkreises oder das Siedlungsgebiet des indigenen Volkes der Samen. Ihr Kulturraum, genannt Sápmi, reicht von der russischen Kola-Halbinsel im Osten bis in die schwedische Provinz Dalarna im Westen.
Wussten Sie, dass die Samen das Jahr nicht in vier, sondern acht Jahreszeiten unterteilen? Neben Frühling, Sommer, Herbst und Winter unterscheiden sie zusätzlich Früh- und Spätsommer sowie Früh- und Spätwinter. Frühling und Herbst, die unmittelbar auf die Tag- und Nachtgleiche folgen, werden nur als flüchtige Perioden wahrgenommen. Im Gegensatz dazu dauert der Winter ("dálvve" in der indigenen Sprache) als längste der acht Jahreszeiten von Dezember bis März.
Die Natur Lapplands ist von ständiger Veränderung geprägt, insbesondere durch die außergewöhnlichen Lichtverhältnisse. Innerhalb von jeweils sechs Monaten wechselt die Umgebung von völliger Dunkelheit zu ununterbrochenem Tageslicht – und wieder zurück.
Interessanterweise verfügt jeder Ort der Erde im Jahresverlauf über dieselbe Anzahl an Lichtstunden – nur unterschiedlich verteilt. Während in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, die am Äquator liegt, die Sonne jeden Tag gegen 6 Uhr auf- und um 18 Uhr untergeht, verschieben sich in der Arktis diese Zeiten täglich um mehrere Minuten. Das beeinflusst den Rhythmus der Natur und des Lebens erheblich, und nirgendwo sonst in Europa ist der Winter so … winterlich.
Die Rentier-Stadt am Polarkreis
Wie geht man vor, um diese besondere, aber wenig erschlossene Region kennenzulernen? Die schwedische Provinz Norrbotten ist nicht nur die nördlichste des Landes, sondern auch die größte (sie macht fast ein Viertel der Landesfläche aus) und die am dünnsten besiedelte (2,5 Einwohner pro Quadratkilometer).
Ähnlich sieht es auf der finnischen Seite aus: Dort umfasst die nördlichste Landschaft Lappi fast 100.000 Quadratkilometer, hat aber nur knapp 180.000 Einwohner. Über ein Drittel davon lebt in der Stadt Rovaniemi, die Lapplands größtes Ballungszentrum ausmacht. Mit ihrem internationalen Flughafen direkt am Polarkreis, der von Wien aus bedient wird, ist diese arktische Metropole ein guter Ausgangspunkt.
Ich packe in meinen Koffer …
- … eine Thermoskanne: Beim Warten auf das Nordlicht hält Kaffee wach.
- … ein Stativ: In der Dunkelheit brauchen Fotos eine längere Belichtungszeit.
- … Gesichtscreme mit Kälteschutz: Bienenwachs schützt die Haut vor Minusgraden.
In Rovaniemi – übrigens eine Partnergemeinde von St. Johann in Tirol – vermischen sich moderne urbane Kultur und nordischer Winterzauber auf einzigartige Weise. Zum einen gibt es dort das 1992 eröffnete Museum Arktikum, das die Geschichte der Region und ihrer Bewohner illustriert. Sein auffälliges Glasgewölbe ist von Weitem sichtbar.
Architektonisch interessant ist auch der Rest der Stadt: Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg leitete der bekannte finnische Architekt und Designer Alvar Aalto (1898-1976) den Wiederaufbau. Dieser entwarf für das neue Rovaniemi einen Grundriss, der einem Rentierkopf nachempfunden wurde: Die Hauptstraßen bilden das Geweih und die Kontur; das Zentralstadion markiert das Auge. Er gestaltete außerdem das Rathaus, die Stadtbibliothek und die Lappia-Halle für Konzerte und Konferenzen.
Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass …
- … es in Lappland Rentier-Rennen gibt? Beim Wintermarkt in Jokkmokk messen sich jedes Jahr die schnellsten Schlittenfahrer.
- … die Saunakultur in Finnisch Lappland ungeahnte Züge annimmt? Es gibt zum Beispiel aus Eis gebaute Saunen (im Apukka Resort) sowie die weltweit erste Sauna in einer schwebenden Gondel (im Skiresort Ylläs).
- … die größte Wildnis Europas in Schwedisch Lappland liegt? Der Nationalpark Sarek stellt – ganz ohne Hütten, markierte Wege und Handyempfang – selbst Naturprofis vor eine Herausforderung.
Wo der Weihnachtsmann wohnt
Seit hundert Jahren hält sich außerdem die Legende, dass der Weihnachtsmann in Finnland wohnt. In Rovaniemi kann man ihm persönlich begegnen. Dort gibt es nämlich seit 1985 das Santa Claus Village, wo – das ganze Jahr über – festliche Stimmung herrscht. Der bärtige Mann in Rot ist in seinem Büro und im Weihnachtshaus anzutreffen und steht sowohl für Fotos als auch für Gespräche zur Verfügung – Kinder können also ihre Wünsche persönlich vorbringen.
Viel Betrieb ist immer im Postamt: Jedes Jahr trudeln dort eine halbe Million Briefe aus aller Welt ein. Besucher können auch Post verschicken, die mit einer besonderen Briefmarke versehen wird und entweder gleich oder erst kurz vor dem nächsten Weihnachtsfest zugestellt wird. Und was wäre der Weihnachtsmann ohne seine Helfer? Im Dorf wimmelt es nicht nur von freundlichen Elfen, sondern es gibt auch einen Rentierpark. Besucher können im Schlitten mitfahren und die zahmen Tiere mit Moos füttern.
Gleich im Anschluss an das Weihnachtsmanndorf gibt es mehrere Übernachtungsmöglichkeiten. Etwas Außergewöhnliches ist das Glass Resort mit Ferienhäuschen, die an einer Seite und oben verglast sind, sodass die Gäste vom Bett aus die Aurora Borealis bewundern können.
Wenn es mit den Polarlichtern in Rovaniemi nicht klappt, gibt es einen Ort in Schweden mit noch höheren Chancen: im Nationalpark Abisko, etwa 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. Es ist wissenschaftlich belegt, dass dort – genauer gesagt in der Aurora Sky Station am Berg Nuolja – die besten Voraussetzungen für Sichtungen auf der ganzen Welt herrschen. Das liegt nicht nur an der nördlichen Lage, sondern auch an den Wetterbedingungen: In den meisten Nächten ist der Himmel über dem Aussichtspunkt wolkenlos.
Die Entfernung zwischen Rovaniemi und Abisko beträgt je nach Route 500 bis 700 Kilometer. Die Fahrt erfordert also einiges an Sitzfleisch, doch die Ausdauer wird mit einigen arktischen Erlebnissen belohnt. Der "Abstecher" nach Abisko lässt sich nämlich mit einem Besuch von Jokkmokk kombinieren. Das ist die inoffizielle Sami-Hauptstadt, denn dort findet jeden Februar ein großer Markt statt, bei dem Samen aus allen Ländern zusammenkommen – und das bereits seit über 400 Jahren.
Das Museum Ájtte (samisch für "Vorratsspeicher") gibt Einblicke in ihre Lebensweise, und das dazugehörige Restaurant serviert Spezialitäten wie Suovas, also geräuchertes Rentierfleisch.
Auch das Dorf Harads liegt an der Strecke, welches durch das 2010 gegründete Tree Hotel weltbekannt geworden ist: Dieses besteht aus acht luxuriösen Baumhäusern, gestaltet von hochkarätigen Architekten aus Skandinavien. Die Kombination aus abgeschiedener Lage und hohem Wohnkomfort hat schon einige Prominente nach Schwedisch Lappland gelockt, darunter Kate Moss, Justin Bieber und Elijah Wood. Die Übernachtungspreise beginnen bei rund 500 Euro, doch tagsüber kann man sich schon für 22 Euro einer Führung anschließen.
Eine Stadt zieht um Kurz vor Abisko liegt Schwedens nördlichste Stadt Kiruna, wo seit 1900 Eisenerz abgebaut wird und wo im vergangenen Jahr Europas größte Lagerstätte mit Seltenen Erden entdeckt wurde.
Um nicht von der weltweit größten unterirdischen Mine verschluckt zu werden, muss die gesamte Siedlung mit immerhin fast 16.500 Einwohnern umziehen: Bis 2040 wird die Stadt um fünf Kilometer nach Westen verlegt – eine enorme Herausforderung, aber auch die Chance, sich neu zu erfinden. Das neue Rathaus namens Kristallen, das ein Kunstmuseum beherbergt, ist schon in Betrieb, außerdem hat die Stadt mit dem Scandic Kiruna 2022 ein neues, architektonisch auffälliges Hotel bekommen.
Wie die arktische Landschaft sind auch Lapplands Städte im ständigen Wandel – eingebettet in ein Winterwunderland, in dem Rentiere nach Futter suchen, über dem Polarlichter tanzen und wo so mancher Weihnachtswunsch wahr wird.
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