Stadtflucht im November: Wo es Sonne trotz Nebel gibt

Wenn sich zäher Nebel in die Stadt schiebt, gibt es einen Ausweg. Denn in Österreich scheint die Sonne einfach nur woanders.

Selbst der schönste goldene Oktober hat irgendwann ein Ende. Vor allem, wenn man im Wiener Becken zu Hause ist – und einem die Decke im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf fällt. Und zwar die Nebeldecke. Sie löst gemeinsam mit den immer kürzer und dunkler  werdenden Tagen und der feuchten Kälte Fluchtgedanken aus: Bloß. Weg. Hier.

Auf die Höhe kommt's an

Wer sich bei Hochnebel aus der Wiener City auf den Weg zum Bisamberg oder Leopoldsberg begibt, denkt fast in die richtige Richtung. Aber nur fast. 358 und 425 Meter hoch sind diese beiden Hügel. Und im November kann die Hochnebeldecke rund 1.200 Meter –  im Extremfall sogar bis zu 2.000 Meter – dick sein, so Klimatologe Alexander Orlik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Das ist erst einmal keine gute Nachricht für alle, die kurze Wege bevorzugen. Hügelchen Bisamberg (zur Webcam) wird bei Hochnebel dann um ein Vielfaches von einer dicken Schicht überragt. Dort wird unsere Welt also nicht unbedingt heller. Zumindest nicht an diesen speziellen Tagen, an denen man nicht erkennen kann, ob es sich hier um Nebel oder Wolken handelt. Ist ja auch im Endeffekt das Gleiche. Beides besteht aus feuchter Luft, aus feinsten Wassertröpfchen, nur dass   Nebel meist entsteht, wenn es in Spätherbstnächten ordentlich kalt wird.  

Wichtige Tipps: Webcam. Wetter, Sicherheit

Wetter: Ist die Rede von zähem Hochnebel im Wiener Becken und Sonne in den Bergen, lohnt sich ein Blick auf Webcams und Wetter-Apps. Die Wetter-Hotline auf der Hohen Warte in Wien ist von 0 bis 24 Uhr besetzt und gibt auch Auskunft zum Bergwetter 0900 566 5660 (3,64 €/Min.)

Webcams: Berg raussuchen und checken. Z.B. auf schneeberg.tv, bergfex.at und feratel.com kann man sich das Ziel anschauen. Ist der Berg doch in Nebel gehüllt? Und ist der Startpunkt schon außerhalb der Nebelzone?

Ausrüstung: Handy aufladen (Notruf Bergrettung einspeichern 140), gutes Schuhwerk und Kleidung wählen (Achtung: Wind in hohen Lagen). An Proviant und Wasser denken. Im November haben nicht alle Hütten offen.

Dunkelheit: Auch wenn es am Berg noch so sonnig ist, der Sonnenuntergang sicher toll ist, rechtzeitig auf den Weg zurück machen: Um 17 Uhr ist’s finster.

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„Je länger und kühler die Nächte werden, desto leichter bildet sich der Nebel“, sagt Orlik. Voraussetzungen sind dafür auch Hochdruckwetter und wenig Wind. Der Wetterexperte verrät auch die Regel, wie man jetzt am besten vorgeht, damit das Tageslicht angeknipst wird: „Je weiter oben wir uns befinden, desto besser ist es, desto weniger Nebel haben wir.“
Deshalb ist der erste Gedanke für viele, einen Ausflug auf die Wiener Hausberge Rax, Schneeberg, Semmering und Hohe Wand zu starten. Sogar im November, wenn viele es sich lieber hyggelig auf dem Sofa machen. Die Flucht in die  Berge ist auch für Orlik der beste Weg: „Man merkt das oft schon ab Wiener Neustadt, wenn man Richtung Semmering oder Wechselgebiet fährt. Da hellt es sich recht schnell auf.“ 

Wer  gerade in den Herbstferien auf dem Skywalk der Hohen Wand in rund 1.000 Meter Höhe oder auf dem Hochplateau spazieren war, hat vielleicht erlebt, was es heißt, über dem Nebelmeer zu schweben – über dem Kopf nur ein paar Wolkenschleier oder sogar blitzblauer Himmel. Dieses Phänomen entsteht bei der so genannten Inversionswetterlage, kurz gesagt heißt das: oben ist es wärmer als unter der Nebelschicht; oben ist Sonne, unten herrscht Dunkelheit. Wie ein Himmel-und-Hölle-Spiel, das sich die Natur für uns ausgedacht hat. Die Hohe Wand ist dabei beispielhaft für die Vielfalt an Wandermöglichkeiten. 

Paradies der Blicke

„Wer die Möglichkeit hat und die Sonne sehen möchte, soll auf den Berg gehen oder fahren. Wer trotzdem unten bleibt, ist selber schuld“, sagt Peter Groß. „Man kann ja über jeden Sonnenstrahl froh sein.“  Wenn der Berg- und Skilehrer bei sich daheim in Puchberg am Schneeberg morgens aus dem Fenster schaut, weiß er natürlich schon mehr über die Wetterlage weiter oben als wir. Dennoch checkt er die Wetter-Apps und Webcams, um sich ein Bild zu machen. 

Er hat es gut, denn das „Paradies der Blicke“, wie die eineinhalbstündige leichte Wanderrunde von der Bergstation Hochschneeberg genannt wird, ist mit der Zahnradbahn, dem Salamander, gerade mal vierzig Minuten entfernt. „Ist es im Tal neblig, bringt einen die Höhe schnell da raus. Und das geht sogar mit Kinderwagen, einfach ein bisschen bis zum Damböckhaus (Achtung, Proviant mitnehmen) spazieren und Sonne einfangen. Auch eine Möglichkeit sei es, mit dem Bus bis Losenheim zu fahren und dort von der Talstation der Sesselbahn zur Edelweißhütte oder zum Almreserlhaus zu gehen. Fährt die Sesselbahn, kann man auch gleich von der Bergstation paradiesisch schön weiterwandern. Wichtig ist Peter Groß, dass Wanderer und Spaziergänger nicht vergessen, dass es jetzt immer schneller dunkler werde. Also für Anfänger lieber erst einmal kleine Runden einplanen. Wetternachrichten sind wichtig, am Schneeberg ist es auch gerne mal windig.
 

Auch das Mostviertel kann's

Es kommt nicht immer nur auf absolute Höhenlagen an. So sind zwar die Ybbstaler Alpen mit Hochkar und Ötscher bei Hochnebel im Vorteil siehe Webcams), wenn es um  Sonnenstrahlen geht, Alexander Orlik von der  ZAMG sieht aber auch weniger hohe Gebiete in der Gegend gut geschützt vor Südostwetterlagen, die ja den Nebel nach Österreich bringen. Das gilt übrigens auch für die Südoststeiermark, die sowieso ein Sonneneck ist. 

„Das Mostviertel ist bei gutem Wetter nicht so stark vom zähen Hochnebel betroffen.“ Von der Donau bis zum Alpenvorland sei der Hochnebel zwar auch hier noch recht hartnäckig. Aber in weiten Tälern und Höhen sind die Sonnenverhältnisse im Spätherbst hier meist gut. Und Nebelfelder im Tal kann man eben leichter hinter sich lassen. Das nutzt Christa Strametz aus Sankt Aegyd am Neuwalde in Niederösterreich. „Was den Wienern der Schneeberg und die Hohe Wand, ist für mich der Göller.“ Ihr ganz persönlicher Hausberg. Für die Mastertrainerin für Nordic Walken ist der Herbst die beste Zeit zum Wandern. Und ja, das bis weit in den November hinein. „Das alpine Mostviertel ist in dieser Zeit zu 95 Prozent nebelfrei“, sagt sie. Dazu gehört natürlich der Ötscher, aber so weit müsse man gar nicht hinauf. Wenn es unten im Tal nebelig ist, macht sie sich auf den Weg zu ihrem Hausberg. „Mit jedem Höhenmeter lichtet sich der Nebel mehr.“ Das bietet auch unvergessliche Natur-Erlebnisse: So erinnert sich Christa Strametz an einen Novembertag im vergangenen Jahr, als sie sich bei leichtem Nebel auf den Weg machte. „Die Äste und Wiesen waren von Raureif bedeckt. Als ich schon einige Meter nach oben gestiegen bin, kam plötzlich die Sonne durch, so dass die Landschaft glitzerte. Das war eine besondere Stimmung an diesem wunderschönen Tag.“ 

Ein Erlebnis, dass man übrigens auch auf Wiener Hügelchen Leopoldsberg und Bisamberg haben kann. Wenn man sehr großes Glück hat, ist der Nebel nicht ganz so dick, so dass die Sonne zumindest für zehn Minuten durch die spätherbstliche Wolkendecke blinzelt, kurz bevor sie weit vor 17 Uhr untergeht. An manchen Tagen lohnt sich jeder Höhenmeter, der ein kleines bisschen mehr Licht ins Leben bringt

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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