Der Nordwesten Korsikas: Was man in Calvi gesehen haben sollte

Das Städtchen Calvi im Nordwesten Korsikas verzaubert mit spannenden Kontrasten und vielen regionalen Köstlichkeiten.

"Imposant!“: Das und ähnlich Enthusiastisches rufen Reisende gerne, wenn sie ein besonders attraktives Motiv vor der Linse ihrer Handykameras haben. Mächtige Berge und Burgen, einen Sonnenuntergang, eine Kathedrale. Oder eine Zitadelle. Instagrammable. Die korsische Stadt Calvi in der Region Balagne punktet diesbezüglich gleich doppelt – mit der Kathedrale Saint Jean Baptiste und der ockerfarbenen Zitadelle in der Oberstadt, die vom 13. bis 15. Jahrhundert mit Unterstützung der Genuesen zur Verteidigung erbaut wurde. Dazu der Gouverneurs-Palast und die Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Serra, die die Stadt und ihre Fischer beschützen soll. Was will man mehr?  Von hier aus eröffnet sich ein atemberaubender Ausblick auf die Bucht von Calvi und das schneebedeckte Cinto-Massiv im nordwestlichen Hochgebirge, mit dem Monte Cinto (2.706 m) als höchsten Berg Korsikas. Mehr Gegensatz geht kaum.
 

Aus der Zeit gefallen. Aber noch einmal zurück zur mächtigen Festung: Ein Must-see, das aber sowieso nicht zu übersehen ist. Wuchtig thront sie auf einem Granitfelsen, vor allem für jene augenfällig, die sich der  Insel mit dem Schiff nähern. Sie scheint mit dem Gestein verwachsen zu sein, ebenso wie die Häuser rundherum, durch die ein enges Labyrinth aus gepflasterten und steilen Gassen nach oben führt. 

Wer hier abseits der Hochsaison und des sommerlichen Getriebes innehält, hat für Sekunden das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben. Dazu passt ganz gut, dass sich hinter den Mauern der Zitadelle eine Kaserne der französischen Fremdenlegion verbirgt. Zirka 1.300 Männer des Zweiten Fallschirmjäger-Regiments leben hier. Das hat ein bisschen was Geheimnisumwobenes – nicht für die Menschen in Calvi, die sind längst daran gewöhnt, sondern für jene, denen die Fremdenlegion irgendwie fremd erscheint. 

Typisch korsische Olivensorten auf dem Markt von L’Île-Rousse  

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Wurde Kolumbus hier geboren?

Wer schließlich den höchsten Punkt der Festung erreicht hat, wird nicht nur mit einem fantastischen Rundum-Blick auf die Insel und das weite Meer belohnt, sondern kann auch über die Legionäre staunen, wie sie im Rahmen ihres Trainings mit ihren Fallschirmen als kleine schwarze Punkte im blauen Wasser landen. Ein martialisches Spektakel, umrahmt vom Brummen der Propellermaschinen. 

Blick auf den Yachthafen, der in der Unterstadt von Calvi liegt, ebenso wie der Marktplatz. Die Oberstadt  wird vom Gouverneurspalast und der Zitadelle dominiert

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Unübersehbar, am Eingang zur Festung: die übergroße Büste von Christoph Kolumbus. Der Legende nach soll er hier das Licht der Welt erblickt haben, um eines Tages als berühmter Seefahrer die Welt zu entdecken. Klingt lauschig, erwiesen ist jedoch gar nichts. Wo sich doch viele  Orte und Gemeinden um den Titel „Geburtsstadt“ reißen – in Spanien und Italien, sogar in Armenien oder Norwegen. Sein angebliches Geburtshaus in der „Carrughju Di U Filu“, im Zitadellenviertel, ist trotzdem einen kurzen Besuch wert, auch wenn es sich nur um ein paar Überreste davon handelt und man schon sehr viel Fantasie spielen lassen muss, eine Behausung darin zu erkennen. Aber vielleicht ist gerade das der Reiz.

Malerisch. Das wäre wohl das nächste passende Attribut für diesen Ort, der als einer der meistbesuchten von Korsika gilt. Die Stadt Calvi an der Nordwestküste hat mit ihren zirka 5.700 Einwohnern vieles, was Reisende mit maritimer Idylle und Fröhlichkeit verknüpfen. Italienisch-Romantisches, verwinkelte und enge Gassen sowie einen fünf Kilometer langen abfallend-flachen Sandstrand, ideal für Familien mit Kindern und Wassersportler. Und im Sommer Feste und Festivals, wie Ende Juni das Electronic-Festival „On The Rocks“.  Dann wird im Sand getanzt  – getrunken, gegessen, genossen.
 

Duft nach Thymian

Oder flaniert. Zum Beispiel im Yachthafen und auf der Hafenpromenade, Quai Landry. Oder in der Rue Clémenceau, die sich im Sommer in eine flirrende Fußgängerzone verwandelt, mit bunten Geschäften, Bars, Lokalen. Dort, bei Annie Traiteur, einem entzückenden Laden, gibt es die besten Würste der Umgebung und typische, lokale Produkte wie etwa „Tapenade“. Eine intensiv schmeckende Paste aus korsischen Oliven, dazu herrlich duftende, getrocknete Macchia-Kräuter, Lonzu, mild geräuchertes, hauchdünn geschnittenes Schweinsfilet. 

Zwischen L'Île-Rousse und Calvi fährt die malerische „Tramway de Balagne“ durch Pinienhaine

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Oder hauchdünn geschnittener Prisuttu, der landestypische Schinken, idealerweise mit frischen Feigen serviert. Und selbstverständlich Käse – vor allem „Casgiu casanu“, ein Bauernkäse vom Schaf, der als „Brocciu“ bekannt ist und herrlich zu einem Stück Baguette passt. Ganz im Sinne des legendären Comicbands „Asterix auf Korsika“, in dem Osolemirnix korsischen Käse preist: hauchzarter Duft nach Thymian und Mandeln, Feigen und Kastanien, ein Hauch von Kiefer, leichte Andeutung von Beifuß, eine Ahnung von Rosmarin und Lavendel. 

Die gelb blühende  Immortelle, auch Mittelmeerstrohblume oder Currykraut, hat einen unverwechselbaren Duft. Ihrem Öl wird große Heilwirkung zugesprochen

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Noch ein Tipp für Gourmets: der überdachte Markt in Calvi, wo vormittags Produkte der Region Balagne angeboten werden. Jenes Gebiet zwischen Küste und Bergen, das auch „Garten Korsikas“ genannt wird, und auf dessen fruchtbaren Hügeln Orangen, Clementinen, Wein, Kastanien und Oliven wachsen. Da lohnt sich ein Tagesausflug ins nahe Hafenstädtchen L’Île-Rousse, wo man älteren Herren auf dem Place Pascal Paoli beim Boulespielen zuschauen kann, um sich wenig später in der Markthalle mit mächtigen Säulen staunend zu verlieren, wo morgens nicht nur frisches Obst und Gemüse angeboten werden, sondern allerlei korsische Spezialitäten – Meeresgetier, Schinken, Wurst, Käse, Olivenöl. Ohne die eine oder andere Kostprobe sollte man hier keinesfalls weg – samt einem kühlen Glas Wein aus der Region Calvi-Balagne

Bei „Annie Traiteur“ in Calvi gibt’s die besten Würste der Umgebung und regionale Produkte 

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Campen unter Olivenbäumen

Apropos Öl: Wer gerne campt und gut isst, sollte seine Zelte unbedingt im 50 ha großen Olivenhain der sympathischen Korsin Stéphanie Bouyrie, auf ihrer Landwirtschaft „Ernaghju“ aufschlagen. Mit etwas Glück bekommt man dort nicht nur einen schattigen Zeltplatz unter mächtigen Olivenbäumen, sondern auch ein Picknick – mit selbst produziertem Öl der Olivensorten Sabine und Germaine, Strudel mit Ziegenkäse, Feigenmarmelade oder Schinken vom schwarzen Schwein. Die vielen Kalorien werden beim Wandern verbraucht. Wo, wenn nicht hier  – bieten sich jede Menge wunderbare Gelegenheiten in atemberaubender Natur zu gehen, zu verweilen und zu staunen. 
 

Leuchtturm Piétra in L’Île-Rousse, nahe Calvi, dessen  Signalfeuer erstmals im Jahr 1857 entzündet wurde

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Zumal Korsika „die Schönste“ bedeutet. Tiefblaues Meer, tiefgrüne Wildnis. Freunde der Botanik finden hier an die 80 endemische Pflanzen, eine Vielzahl an Orchideenarten und eine besonders dichte, duftende Macchia. Napoleon, naturgemäß, war es, der behauptete, er würde seine Heimatinsel nur an ihrem Geruch erkennen. Ginster, Zistrose, Myrte, Baumheide, Erdbeerbaum betören. Oder die italienische Strohblume Immortelle, die Unsterbliche – auch Currykraut genannt – als prägendste Pflanze der Macchia. Sie blüht bis Mitte Juni gelb und verleiht der Insel ihren viel besagten Duft. Daraus wird ätherisches Öl gewonnen, aus dem  Kosmetika hergestellt werden, aber auch wundheilende Cremes. 

Die barocke Kathedrale Saint-Jean-Baptiste ist Teil der Zitadelle von Calvi

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Baden in Gumpen

Abseits vom Badetourismus am Meer lohnt es sich, durch den 22 km entfernten „Forêt de Bonifatu“ zu streifen. Ein Wald mit riesigen Lariciokiefern und Steineichen, der eigentlich ein Gebirge ist, und den man von Calvi aus gut mit dem Auto erreichen kann. Hier finden sich jede Menge Wanderungen, teilweise sehr anstrengend. Doch dafür wird man auch belohnt: mit einem Bad in einer der zahlreichen Gumpen des Flusses Figarella. Kinder lieben es, sollten aber ein bisschen Ausdauer mitbringen. Viel zu entdecken gibt’s allemal: atemberaubende Aussichten auf rote Felswände aus Porphyr  oder die Spasimata-Hängebrücke. 
Herrlich wandern lässt es sich außerdem auf der  Halbinsel Scandola, UNESCO-Welkulturerbe und 1.900 Hektar großes Naturschutzgebiet, teils Land, teils Meer. Man erreicht es von Calvi aus per Boot (in der Hauptsaison vorreservieren!), an Klippen, bizarren Felsformationen und Höhlen vorbei. Vielleicht sieht man  einen Fischadler, als  hier beheimateten Vogel. Zu guter Letzt ein Tipp von Kennern: Verlassen Sie Calvi niemals, ohne den „Pointe de la Revellata“ mit seiner wilden Küste besucht zu haben. Vom Leuchtturm aus hat man nicht nur einen tollen Blick auf die Stadt, sondern erlebt atemberaubende Sonnenuntergänge.  Imposant, oder?

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Anreise

Direktflüge ein Mal pro Woche, sonntags,  von Wien, Graz, Innsbruck, Altenrhein und Salzburg, aircorsica.com; ca. 500 €. 
 

Alternative

Der Weg ist das Ziel – und ein Abenteuer: 29 Stunden und 30 Minuten von Wien mit dem Railjet nach Genua, von dort mit der Fähre nach Bastia (2 Mal täglich, dauert 7 h), dann mit dem Bus – oder doch  besser – Mietauto nach Calvi.  oebb.at, raileurope.com, corsica-ferries.de

Hoteltipps

La Villa Calvi: elegantes Relais & Château-Hotel in Zentrumsnähe mit der Anmutung eines korsischen Klosters, mehreren Pools und   Blick auf die Bucht und Zitadelle.  
Zimmer mit Meerblick ab 470 €; Info: lavilla.fr, rhomberg-reisen.com

Feriendorf zum störrischen Esel: Lage in einem sieben Hektar großen, schattigen Naturpark einige  Gehminuten von Calvi entfernt. Mit flach abfallendem Badestrand  in unmittelbarer Nähe. Info: 
stoerrischeresel.com; Bungalow ab 500 € pro Woche

Camping in Ernaghju: schön flache und schattige Stellplätze für Zelt oder IVan/Wohnmobil. Sowie drei möblierte Inuit-Zelte für 2-5 Personen mit Betten Möbeln und Strom. Zelte für 2, 3 oder 5 Personen, jedes schön dekoriert. Info: campingalafermecorse.fr

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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