Juliette Binoche im Interview: "Kochen ist Kunst"

Schauspielstar Juliette Binoche über ihren neuen Film "Geliebte Köchin", die Magie des Kochens und wie es war, mit ihrem Ex-Partner ein Liebespaar darstellen zu müssen.

Mit dem Kochen ist es wie mit der Liebe: Es appelliert an die Sinne, benötigt Hingabe und Leidenschaft, um seine Magie zu entfalten und es ist eine Kunst. Der Film "Geliebte Köchin" ist eine Liebeserklärung daran und macht das auf höchst verführerische Weise spürbar. 

1885 arbeitet in Frankreich die von Juliette Binoche gespielte Spitzenköchin Eugénie für den berühmten Gourmet Dodin (Benoît Magimel), zusammen zaubern sie köstlichste Gerichte. Auch ein Liebespaar sind sie, doch heiraten möchte Eugénie nicht, ihre Freiheit will sie behalten. Um ihr Herz zu gewinnen, wagt er, was er nie getan hat: Er kocht für sie. Das zärtlich-poetische Meisterwerk von Tran Anh Hùng gewann beim Filmfestival Cannes für die beste Regie. Die New York Times schrieb: "Schon jetzt ein Klassiker".

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Juliette Binoche gehört zu Europas großen Filmstars, gewann den Oscar für "Der englische Patient" und drehte mit wichtigen Regisseuren wie Leos Carax, André Téchiné oder Michael Haneke. Ihr beim Kochen zuzusehen ist ein Fest. Auch spannend: Ihr Partner im Film war es einst auch im Leben, zusammen haben sie eine Tochter.

Frau Binoche, Ihr neuer Film macht es deutlich – Essen und Liebe hängen unmittelbar miteinander zusammen, richtig? 

Es ist erst dann echtes Essen, wenn es mit Liebe und Sorgfalt angebaut, gekocht und gegessen wird! Es ist die Absicht, die dahinter steckt und zu etwas Besonderem macht, ein Gefühl des Bewusstseins dafür. Das kann man "Respekt" oder Liebe nennen, auf jeden Fall geht es darum, es zu etwas Besonderem zu machen.

Was macht die Magie des Kochens für Sie aus?

Eltern, die jeden Tag für ihre Kinder kochen, das finde ich sehr mutig. Meistens sind es Frauen, die kochen, ihnen muss eine Art Magie innewohnen, um das jeden Tag tun zu können.

Gibt es ein Gericht aus Ihrer Kindheit, an das Sie sich besonders gern erinnern?

Alles, was meine Mutter gekocht hat, habe ich geliebt. Sie hat allem stets ein paar Kräuter oder Knoblauch hinzugefügt. Und sie hat immer etwas Neues gefunden, um es interessant zu machen. Sogar einen Salat hat sie mit Curry gewürzt.

Was ist das Beste, das Sie je gegessen haben?

Eine Frucht, direkt vom Baum. Ich erinnere mich, wie ich in Italien Orangen von den Bäumen gepflückt und zu Saft verarbeitet habe. Das sorgt für ein ganz anderes Gefühl und hat eine ganz andere Bedeutung.

Der Geschmack von Juliette Binoches Kindheit? „Alles, was meine Mutter gekocht hat, habe ich geliebt“

©carole bethuel

Essen und Beziehung, das sorgt mitunter auch für Konflikte. Etwa wenn sich Vorlieben und Geschmäcker gravierend voneinander unterscheiden. Warum ist dieses Thema in einer Partnerschaft so wichtig?

Die jeweilige Geschmackserziehung kann sehr unterschiedlich ausfallen, aber gleichzeitig ist es das, worum es in der Liebe geht, nämlich Brücken der Toleranz zum anderen hin zu schlagen. Und mit Geduld kann man erklären, warum man ein bestimmtes Gericht einem anderen vorzieht. Sich geschmacklich zu etwas anderem zu erziehen, das geht auch im Erwachsenenalter.

Essen wird heute ja teilweise zur Religion erhoben. Ob Veganer oder Fleischesser, das ist eine streitbare Glaubensfrage geworden. Wie nehmen Sie das wahr?

Essen hat mit Gesundheit zu tun, ich verstehe, dass das viele Fragen aufwirft. Die Gewohnheit, sich von industriell hergestellten Lebensmitteln zu ernähren, hat unsere Gesundheit auf den Kopf gestellt. Die Landwirtschaft hat uns ein Vermächtnis mitgegeben, aber wir haben uns darin verirrt. Der Schlüssel zu einem guten Essen oder einer guten Gesundheit ist die Qualität der Zutaten. Ich bin froh, dass die junge Generation die Älteren in Frage stellt, dass sie eine andere Art zu essen in Frage stellt. Ich bin kein Veganer, aber ich kann eine vegane Mahlzeit zu schätzen wissen.

Ihr Film basiert auf einem Roman. Waren Sie Fan des Buches, hat es Ihnen Lust auf eine Verfilmung gemacht?

Der Roman ist nicht sehr berühmt. Ich habe ihn zufällig vor 30 Jahren gelesen, aber es hat mich nicht überrascht, dass Regisseur Tran Anh Hùng ihn verfilmen wollte, denn er hat eine Vorliebe für Sinnlichkeit.

Sie spielen im Film mit ihrem ehemaligen Partner im echten Leben, was ungewöhnlich erscheinen mag. Wie kam es dazu und wie war das für Sie?

Für mich war das ein Geschenk. Ich hatte nicht erwartet, dass er die männliche Rolle spielen würde, da ein anderer Schauspieler dafür vorgesehen war. Vor Beginn der Dreharbeiten war ich ein wenig nervös, aber dann genoss ich seine Gesellschaft und war erleichtert, dass wir mit Freude einen Film zusammen machen konnten.

Juliette Binoche und Ex-Partner Benoît Magimel in "Geliebte Köchin": "Vor Beginn der Dreharbeiten war ich ein wenig nervös"

©stephanie branchu

Es gibt so etwas wie das Mikro-Genre Food-Filme, mit "Chocolat" haben Sie selbst einmal einen gedreht. Üben Filme über das Kochen, Genuss und Verzehr einen besonderen Reiz auf Sie aus?

Ich habe diese Filme nicht wegen des Essens ausgewählt, sondern vor allem weil ich mit diesen Regisseuren arbeiten wollte. Ich habe mich mit den Geschichten verbunden gefühlt, mit der Schokoladenherstellerin, die mit ihrer Tochter reist, und der Köchin, die mit ihrem Partner kreiert. Ich denke, es sind inspirierende Geschichten für unser Leben.

Ist Kochen eine Kunst, kann man gute Köche mit Künstlern gleichsetzen?

Ich denke, Kochen hat etwas von Kunst, nennen wir es kulinarische Kunst. Ich denke, dass alles, jeder Ausdruck, in den man sein Herz investiert und hinter dem eine Absicht steckt, als Kunst bezeichnet werden kann. Sie verändert die Welt, sie hat Auswirkungen auf ihr Handeln.

Juliette Binoche

Juliette Binoche

Juliette Binoche wurde 1964 in Paris geboren. Bekannte Filme sind u. a. "Die Nacht ist jung", "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", "Der Husar auf dem Dach", "Chocolat" und "Caché“ von Michael Haneke. Für "Der englische Patient" gewann sie 1996 den Oscar. Zwei Kinder, davon eines mit Ex-Partner Benoît Magimel. 

Und was kochen Sie, wenn Gäste zu Besuch kommen?

Ich habe eine Mappe für salzige Gerichte und eine andere für Desserts. Je nachdem, wie viel Zeit ich habe, koche ich unterschiedliche Sachen. Aber ich bin da nicht streng und wiederhole mich auch gern, denn wenn ein Gericht gut ist, will man es immer wieder essen!

Was ist das Wichtigste, um beim Kochen eine Speise gelingen zu lassen?

Ich habe von einem Koch gelernt, dass man sich selbst nie die Schuld geben sollte, wenn ein Gericht nicht so gut geworden ist, wie man es wollte, sondern dass man sich einfach nicht zu sehr darum kümmern sollte. Diese Idee hat mir gefallen. Es ist einfach nicht so wichtig ... Wenn du ein Koch bist, sieht das allerdings vielleicht anders aus!

Sie erlauben mir die Frage: Was gab es heute bei Ihnen zum Mittagessen?

Ich habe gerade ausgiebig gefrühstückt, da ich in New York bin und heute Abend eine Premiere habe. In den USA gibt es eine gute Frühstücksauswahl!

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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