Weg des Salzes: Die Traun und ihre Seen waren einst wichtige Transportwege

Ausflüge auf dem Bergsee: Ein unbekanntes Kulturgut des Salzkammerguts

Sie sind so etwas wie das Gegenstück zu den glanzpolierten Gondeln in Venedig: Warum die einfachen lang gezogenen Holzkähne des Salzkammerguts trotzdem schützenswert sind.

von Belinda Fiebiger

Während das Boot seine Bugwelle vor sich herschiebt, platschen Regentropfen auf die Wasseroberfläche. Am bewaldeten Berghang hängen die Nebelschleier wie auf Grund gelaufene Wolken. Das Wetter meint es an diesem Tag nicht gut mit den Passagieren, die unter der gelben  Regenplane  auf den  Holzbänken Platz genommen haben. Das originalgetreu nachgebaute Salzschiff Navia und seinen hinten auf der Backbordseite platzierten Kapitän scheint der  Regen weniger zu beeindrucken, sie bleiben auch an diesem Tag ihren jeweils 15-minütigen Pendelfahrten zwischen Obertraun und Hallstatt treu.

Die  flachen, unverwüstlichen  Holzschiffe mit spitz zusammenlaufenden Rumpfenden und den geraden Seitenwänden tragen unterschiedliche Namen. Sie sind dem Bootstyp der Zille zuzuordnen, im steirischen Salzkammergut kennt man sie  als „Plätte“, im oberösterreichischen Teil – und   vor allem am Hallstätter See – heißen sie „Fuhre“.  Lange vor dem   modernen Straßen- und Schienenbau waren sie das wohl effizienteste Transportmittel in den Alpen. Mit ihnen konnte man  große Lasten  über Flüsse, Seen  und in den Donauraum  transportieren und so  den Handel vorantreiben. 

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2020 wurden speziell die Fuhren des Hallstätter Sees von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen. Heute baut immer noch eine Handvoll Menschen derartige Lastkähne; weitgehend in Handarbeit, nach mündlicher Überlieferung oder anhand alter Handskizzen. Was nach Nostalgie klingt, hat für die Gegenwart  durchaus  Bedeutung. Denn so bleibt nicht nur ein  über Generationen entwickeltes und adaptiertes Wissen  samt den damit   verbundenen Handwerkskompetenzen erhalten. Die Kähne haben auch eine wesentliche identitätsstiftende Komponente  für die Region. Und die Aufnahme der Hallstätter Fuhren in das nationale Verzeichnis der UNESCO unterstreicht, wie wichtig die Pflege von altem Kulturgut ist.  Denn in den  unprätentiösen Booten steckt  mehr, als man meinen könnte.    

IM SOG DER GESCHICHTE. Der Abbau von Steinsalz in der Römerzeit lag bereits lange zurück, als die Salzproduktion in Hallstatt im 13. Jahrhundert wieder aufgenommen worden ist. Um das gewonnene Salz möglichst effizient über den See und weiter über die Traun flussabwärts zu befördern, benötigte es aber geeignete Lastkähne. Zudem sollten sie am Rückweg  mit Waren und Gütern beladen werden können, die die Menschen im abgeschiedenen und sonst nur zu Fuß erreichbaren Hallstatt benötigten.  

Die Fronleichnamsprozession in Hallstatt zeigt Fuhren blumengeschmückt und in allen Größen

©PRESSEFOTO MARION & REINHARD HÖR

Es entwickelten sich die Fuhren, die sich stets gondelartig in die Länge zogen, aber unterschiedlich groß sein konnten. Sie  hatten  einen geringen Tiefgang  und wurden mithilfe eines Ruders bewegt. Die größten Fuhren erreichten eine Länge von 30 Metern und konnten 2,7 Tonnen Salz transportieren.  Damit trugen sie wesentlich dazu bei, dass sich die Region zu einem bedeutenden Zentrum für die Salzproduktion entwickeln konnte. Das für die Boote verwendete Holz stammte aus den  umgebenden Wäldern  – allen voran Fichte und Tanne, manchmal auch Lärche. Im Lauf der Jahrhunderte verlor der Salzabbau aber wieder an Bedeutung und der   ursprüngliche Zweck  der Fuhren  ging verloren. Sie wurden immer mehr zum Nostalgieobjekt und traten fast nur mehr  im Zusammenhang mit kirchlichen und weltlichen Festen groß  in Erscheinung.

Nur das Ruder plätschert im Wasser: Heute werden die Fuhren gerne zum Angeln benutzt

©Oberösterreich Tourismus GmbH/Robert Maybach

Neuer Auftrieb. Da zu dem  Zeitpunkt  nur mehr wenige  Personen diese traditionelle Schiffbauweise beherrschten, wurde 2020  gegengesteuert: An der HTBLA Hallstatt startete  ein  schulautonomer Bootsbau-Ausbildungszweig, bei dem auch das Wissen über den Neubau und die Restaurierung von Fuhren weitergeben werden sollte. Zum Auftakt des Schuljahrs wurden   damals die aus anderen Regionen im Zug anreisenden Schüler stilgerecht empfangen: Sie wurden mit dem Mutzen – einer groß dimensionierten Fuhre, die potenziell nicht nur großen Salzmengen, sondern auch einer ganzen Musikkapelle Platz geben könnte – zu ihrer Schule nach Hallstatt gebracht. Die lernfreudigen Menschen sollten sich damit willkommen und   vom ersten Tag  zugehörig fühlen. Handwerk und Identität hängen eben zusammen. 

Damals wie heute gilt: Um eine Zille mit dem langen Ruder zu bewegen, braucht es Übung 

©Österreich Werbung / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com/Österreich Werbung/ÖNB-Bildarchiv/picturedesk.com

Heute steht der Großteil der  Fuhren im Privatbesitz, wo sie gerne auch für Angelfahrten genutzt werden, um etwa Renken, Bachforellen, Aalrutten, Hechte oder auch Flussbarsche aus dem  Wasser zu holen. Manchmal ersetzt ein Elektromotor die gar nicht so einfache Ruderarbeit.  

Festlich herausgeputzt sieht man die Boote am Hallstätter See immer noch bei Veranstaltungen, wie der Seeprozession zu Fronleichnam, aber auch bei Hochzeiten. Eine andere  Tradition findet mehrmals im Sommer  mit dem einstündigen Echo- und Weisenblasen am  Seeufer von Obertraun statt.  Von einer Fuhre aus sorgen Musiker der Ortsmusikkapelle mit  Weisen und volkstümlichen Stücken für Stimmung. Die nächste   Gelegenheit bietet sich zum Beispiel im Rahmen des „Obertrauner Bergerlebnisses 2024“ am 10. Juli.  Am Abend, wenn die Sonne hinter dem Plassen verschwindet und es still wird am See, setzen die Musikanten an.  
Ob Bug- oder  Musikwelle: Österreichs Fuhren werden   sie wohl auch weiterhin   sicher zum Ufer tragen.

Mitten im Fahrwasser: Ausflüge mit der Zille

Jahrhundertelang beförderten die  Boote  Salz aus Hallstatt.   Heute  sind die Zillen eher mit  gemütlichen  Sitzbänken und  Rückenlehnen ausgestattet und werden  v.a. in der  Freizeit genutzt. Besucher von auswärts können ebenfalls in eines der flachen Boote steigen, zum Beispiel:

Rundfahrten und Linienfahrten am Hallstätter See mit der Navia-Linienfahrt

Große Zillen pendeln auf der Linienroute (L1) zwischen   Obertraun und Hallstatt (aktuellen Fahrplan beachten). Eine halb- stündige Hallstattrunde (C1) und Themen- fahrten mit Frühstück oder Wein und Käse  sind ebenfalls möglich. Infos: navia.at

Drei Stunden über den  See gleiten und an einer schönen Stelle den bereitgestellten Picknick-Korb auspacken. Mit Austria Camp können Zillenfahrten für zwei bis drei Personen am Mondsee gebucht werden.  Mehr Infos: AustriaCamp Mondsee in St. Lorenz, austriacamp.at

In Freizell kann man eine  Zille mieten und einen der schönsten Abschnitte der Donau – nämlich den mit der berühmten Schlögener Schlinge – erkunden.  Verschiedene Boote stehen zur Auswahl.  Die 5-PS- bzw. Elektrozille kann auch ohne  Schiffsführerpatent gemietet werden. Verleihdauer: mind. zwei Stunden, aber auch  für mehrere Tage möglich. Mehr Infos: Zillenvermietung Freizell, witti.co.at

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