Die Alte Donau in Wien

Warum es viele Wiener im Sommer an die Alte Donau zieht

Die Alte Donau in Wien: ein Refugium an Sommertagen seit knapp 150 Jahren.

"Drei Meter war der locker, des glaubt’s ned!" Hobbyangler Wickerl sitzt unseren Kajaks gegenüber in seiner Zille und gestikuliert so wild mit den Armen, dass diese arg ins Schwanken gerät. 

In klassischer Anglermanier geht bei unserem kleinen Smalltalk am Wasser über die Riesenfische der Alten Donau die Fantasie mit ihm ein wenig durch. Doch diesmal hat er dennoch recht: Wir glauben ihm nicht. "Hier steht: ‚Die größten je in der Alten Donau gefangenen Welse maßen zweieinhalb Meter‘", liest Verena nach kurzer Googlesuche am Handy vor. "Na, sog i jo eh, es Obergscheidn!" grinst er.

Wickerl ist gut gelaunt, er hat gerade Besuch von seiner Freundin, der Krähe Kraxi. Sie besucht ihn jeden Tag auf seinem Boot und unterhält sich mit ihm. Es ist ein Junimorgen und noch gehört die Alte Donau, zumindest vormittags und unter der Woche, den Hobbyanglern und den vielen Sport-Ruderern. 

Wenn man gemütlich im Kajak nach schönen Motiven Ausschau haltend unterwegs ist und sich daher im unberechenbaren Schlingerkurs befindet, dann versucht man Letzteren besser nicht im Weg zu sein. Es ist durchaus Respekt einflößend, wie scheinbar laut- und mühelos und doch mit enormem Speed diese schlanken Boote durch das spiegelglatte Wasser schneiden. Die Tatsache, dass die Ruderer mit dem Rücken zur Fahrtrichtung unterwegs sind, lässt uns lieber am Ufer entlangschippern.

Das Freizeitparadies gefällt auch Hunden, ob am Boot oder am Hundestrand neben dem Angelibad.

©popp-hackner photography og

Dort sieht man ohnehin mehr. In den Schilfzonen verstecken sich zum Beispiel Zwergdommeln, die kleinste Reiherart Europas. Unter der Oberfläche entdeckt man gelegentlich einen großen Hecht, still und perfekt getarnt zwischen den Wasserpflanzen schweben. Schildkröten sonnen sich auf den von Bibern gefällten Baumstämmen, kleine Fische suchen unter bunten Seerosen nach Schutz – es ist eine faszinierende Unterwasserwelt und man vergisst sehr rasch, dass man hier keine zwanzig U-Bahn Minuten vom Stephansplatz entfernt ist.

Einst hat hier der legendäre Hans Hass seine ersten Versuche in Sachen Tauchsport- und Unterwasser-Fotografie unternommen, bevor er damit die Welt eroberte. Er ist einer von vielen besonderen Persönlichkeiten und Besonderheiten, die die Geschichte der Alten Donau geprägt haben.

"Ommm" an der Donau

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Badesee statt trübe Suppe 

Wie viel Natur hat sich bis in die erste Hälfte des 21. Jahrhundert hinüberretten können. Wie viel vom Flair der kleinen Hütten und dem Lifestyle (wenn man es damals je so nennen konnte) ist geblieben? Wer das "Heute" verstehen will, der muss eben auch ein wenig zurückblicken. Denn manches hat sich vielleicht – unvermeidlich im Lauf der Zeit – zum Schlechten, vieles jedoch zum Guten gewendet. So ist aus einer trüben, gelben Suppe im Jahr 1990, als das Wasser der Alten Donau vollends zu kippen drohte, ein von der Städtischen Abteilung Wiener Gewässer sorgfältig betreuter See mit hoher Wasserqualität geworden.

Die so wichtigen Wasserpflanzen werden für Badende von hochmodernen Mähbooten kurz gehalten und neue Wasserpflanzen von Tauchern sogar händisch nachgesetzt. Aus einer einst nahezu fischbefreiten Zone, wo man Angler als "Wurmbader" belächelte, ist ein Fischparadies geworden.

Oben: eine Spitzschlammschnecke verköstigt sich an der Wasserlinse

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So immens alt ist die Alte Donau übrigens gar nicht. Als am 15. Februar 1867 der weltberühmte Walzer "An der schönen blauen Donau", komponiert von Johann Strauss (Sohn), uraufgeführt wurde, floss in Wien der wilde Hauptstrom der Donau noch mit voller Wucht durch den sogenannten Floridsdorfer Arm. 

In jenem Flussbett also, das wir heute als Alte Donau kennen. Erst ab 1875, nach der Donauregulierung, wurde daraus ein stehendes Gewässer. Angesichts all der Veränderungen seither – vom wilden Auwald fernab der Großstadt und dem frei fließenden Donaustrom bis zum heutigen Status quo als innerstädtischer Badesee – schiene es doch eher so, als wären Hunderte Jahre vergangen. Es sind nur knapp 150.

Die Alte Donau ist für alle da: Stockente trifft Bootfahrerin. 

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Erinnerungen an die Kindheit

Zurück am Wasser. Wir haben unseren Anglerfreund Wickerl hinter uns gelassen und sind mit den Kajaks mittlerweile beim Gänsehäufel angekommen. Zwei Biber sitzen auf einem halb versunkenen Baum und putzen sich genüsslich ihr Fell. Wenn irgendein Teil der Alten Donau als Synonym für Badespaß, Natur, Erholung und natürlich an Geschichte, Kindheitserinnerungen von Sommer, Sonne, Freizeit, Freiheit und all das steht, dann ist es das Gänsehäufel. Oft besungen, oft beschrieben und noch öfter gelobt – die Geschichte des Gänsehäufels ist quasi die kompakte Geschichte der Alten Donau. 

Was heute das berühmteste Wiener Freibad ist, war einst eine wilde Geschiebeinsel im Donaustrom, dicht mit Auwald bewachsen, bewohnt von Reh, Fuchs oder Hase und weit, weit weg von der Stadt. Der Begriff "Häufel" rührt von "Haufen" und bezeichnet eine von der Strömung und von Hochwasser aufgehäufte Sandinsel im Fluss, die, zumindest in diesem speziellen Fall, wohl irgendwann für die Zucht von Gänsen genutzt wurde.

Seerosen unter blauem Himmel – so schön ist der Sommer! Hier beim Bundesbad in der Arbeiterstrandbadstraße

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Um 1900 wurde die Insel von Florian Berndl entdeckt, der hier die ersten zögerlichen Versuche unternahm, in einer stockkonservativen Epoche eine freie Körper- und Badekultur zu verwirklichen. Und auch wenn Berndl selber am Ende scheiterte, so hat er doch eine unaufhaltsame Erfolgsgeschichte in Gang gesetzt. Am 5. August 1907 wurde seitens der Stadt Wien das "Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel" eröffnet. Ein voller Erfolg, der Ansturm war von Tag eins an enorm. Heute fahren mehrere U-Bahnen an die Alte Donau, von fast überall aus in Wien ist sie bequem erreichbar.

Zu Beginn des Freibades Gänsehäufel sah das etwas anders aus: Weil das Gänsehäufel eben eine Insel war und es noch keine Brücke gab (ein schwimmender Übergangssteg kam 1910, die Brücke erst 1926), wurde eine Art Fährdienst auf schwimmenden Plattformen geschaffen. 

Von einer Straßenbahnlinie, die bis ins Dorf Kagran führte, ging es einige Zeit zu Fuß auf einem Schotterweg entlang, danach per Kahn über einen Seitenarm der Donau, weiter durch urwüchsigen Auwald, bis man endlich am ersehnten Sandstrand angekommen war. Aber selbst die Strecke der Straßenbahnlinie war für den Großteil der Bevölkerung schon zu teuer und wurde oftmals zu Fuß bewältigt. 

Auch war die Kapazität des Freibads anfangs mit nur 600 Personen sehr gering. Sie wurde dann einige Male in den Jahren nach der Eröffnung erweitert, doch die große blaue Fahne – sie zeigte von Weitem die Überfüllung des Bads an – wurde oft gehisst. So wurde man davor bewahrt, die ganze Mühsal des Anmarsches völlig umsonst auf sich zu nehmen. 

Seit dem Jahr 2000 kann das denkmalgeschützte Bad täglich von 30.000 Badegästen, verteilt auf 270.000 Quadratmeter Fläche, besucht werden. Es besitzt eine eigene FKK-Bucht und mehrere Badestrände mit einer Gesamtlänge von fast zwei Kilometern sowie zahlreiche Sport- und Freizeiteinrichtungen.

Sommerferien in Sicht!

Still und leise gleiten wir mit den Kajaks vorbei am Polizeibad zurück zur Strombucht und beenden unseren Paddelausflug. Obwohl die Verleiher schon längst geöffnet haben, ist kaum ein Boot auf dem Wasser. Doch nicht mehr lange und es ist mit der Beschaulichkeit vorbei.

Verena Popp-Hackner und Georg Popp haben für ihr Buch "Alte Donau" fast drei Jahre fotografiert und Informationen über die Geschichte des Wiener Badesees zusammengetragen. Es gehört zur Reihe Wiener Wildnis. Mehr dazu: wienerwildnis.at; facebook.com/WienerWildnis

©Freytag & berndt

Spätestens jetzt mit den hohen Temperaturen und dem Sommerferienbeginn geht der Besucheransturm auf die Alte Donau los. Offiziell kommen pro Jahr von Mai bis Ende September eine Million Besucher zum Baden hierher. Aber das ist nur die offizielle Zahl, sprich jene der zahlenden Badegäste. 

Wie viele es tatsächlich sind, kann man wohl nur schätzen. Auf der Wasseroberfläche wimmelt es dann manchmal nur so von E- und Tretbooten, von Luftmatratzen oder SUP-Boards, man könnte fast die Alte Donau überqueren, in dem man einfach von Boot zu Boot hüpft.

Tipps

Bootstour: E-Boot oder Tretbootfahrten kann man bis in den Oktober hinein. In den Ferien  am besten  unter der Woche in der Früh. eppel-boote.at oder kukla.at (auch Kajaks)

Erfrischung für alle: Oberhalb des Angelibades befindet sich eine große, frei zugängliche Lagerwiese, die auch für Hunde als Badestrand vorgesehen ist. Hundefreies, doch ebenso kostenloses Badevergnügen findet sich (u. a.) unterhalb des Angelibades auf der Romawiese, aber auch an der Unteren Alten Donau bei der Lagerwiese Rehlacke.

Genuss an lauen Sommerabenden: Die vielen Uferrestaurants  machen das Flair der Alten Donau erst so richtig aus. Das Angebot ist groß: z. B. kaisermuehle.at, ufertaverne.at, dasbootshaus.at, gasthausbirner.at, lacreperie.at. Tipp: Fürs Abendessen am Wasser an einem lauen Sommerabend rechtzeitig reservieren!

Okay, das ist vielleicht übertrieben, doch zumindest am Tag des "Lichterfestes" kulminiert das sommerliche Remmidemmi, da könnte man es tatsächlich versuchen. Würde das Lichterfest heuer nicht abgesagt sein (aus budgetären Gründen, wie verlautet wurde), wir hätten es gewagt. Großes Anglerehrenwort! 

So mancher Alte-Donau-Anrainer wird sich über die Absage vielleicht freuen, doch ein Gutes hatte der Trubel doch in jedem Fall immer gehabt: In den Tagen danach geht der Sommer zwar wieder in seinen normalen Rhythmus über, doch jenen, die wirklich beim Lichterfest dabei waren, denen kommen alle weiteren Sommerwochen von nun an irgendwie angenehm still vor…

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