Melissa Naschenweng: "Ich bin ein resches Mäderl, mich kränkt nichts schnell"
Schlagerstar Melissa Naschenweng singt von Bergbauern-Buam und Traktorliebe. So erfolgreich, dass männliche Verehrer sogar vor ihrem Haus zelten.
Ihr Markenzeichen ist die Lederhose. Pink ist die, wie ihre Ziehharmonika. Beim Interview trägt Melissa Naschenweng zwar Jogginghose, dennoch ist ihr das Wildromantische keineswegs vergangen. Im Interview ist sie wie auf der Bühne: ein Energiebündel, das mit ihren Emotionen nicht hinterm Berg hält.
Zumal die Schlagersängerin genau von dort herkommt: aus dem Kärntner Lesachtal, von einem Bauernhof auf 1.100 Meter Höhe. Musikalisch geprägt wurde sie vom Vater, selbst bei einer Band, und ihrem Großvater, einem Hüttenbesitzer. Seit sie ein Kind ist, spielt Naschenweng auf der Ziehharmonika und gab Geburtstagsständchen für ihre Familie. Heute klatschen ihre Fans bei Liedern wie „I steh auf Bergbauernbuam“ oder „Traktorführerschein“ – saftige Alpenromantik inklusive anbandelndem Augenzwinkern.
Den Schlagerfans gefällt’s: Für ihre Alben „Wirbelwind“ und „LederHosenRock“ wurde Naschenweng mit Platin ausgezeichnet, den österreichischen Musikpreis Amadeus hat sie mittlerweile dreimal bekommen. Da darf ein Konzertalbum nicht fehlen: Anfang Dezember erscheint „Bergbauernshow Live“.
Ich bin nun mal ein Familienmensch. Am liebsten sitze ich mit meiner 95-jährigen Oma auf einen Kaffee zusammen, ich wohne ja tatsächlich auf einem Bergbauernhof, das ist nicht gespielt. Wegen meinem Heimweh wäre ja auch meine Karriere beinahe nicht zustande gekommen.
Sobald ich ein Konzert geben sollte und ich keinen Berg mehr gesehen habe, habe ich es nicht mehr ausgehalten. Da musste ich mich sehr überwinden. Auch jetzt fahre ich zwischen den Konzerten so oft es geht nach Hause.
Mein Opa war Wirt einer Hütte am Wolayer See, das ist ein Gebirgssee auf 2.000 Meter in den Karnischen Alpen. Als kleines Kind habe ich meinen Papa begleitet, als er mit dem Traktor die Lieferungen hinaufgebracht hat. Auf der Hütte war immer Rambazamba. Der Opa hat auf der Ziehharmonika gespielt, die Leute haben getanzt und gefeiert. Das hat mir getaugt. Ich wollte ebenso Ziehharmonika lernen, was aber sehr untypisch war für ein Mädel. Alle Seiten haben mir davon abgeraten. Es hieß, das wäre ein Instrument für Buben.
Deswegen ist meine auch rosarot. Ich habe mir gedacht: Wenn man etwas pink anmalt, ist es für Frauen automatisch auch geeignet (lacht).
Mir ging es vor allem um die Ziehharmonika, ich wollte damit aussagen, dass Mädels sich die zu spielen ruhig trauen dürfen. Die rosa Lederhose kam erst später. Ich mag die Farbe Pink einfach. Ich habe die Fingernägel pink lackiert, mein Kinderzimmer war rosarot, das war kein Kalkül. Sogar mein Wasserkocher ist rosarot, weil er mir so gefällt. Das Schöne ist: In der Musikschule in meiner Nähe melden sich mittlerweile hauptsächlich Mädchen an, Ziehharmonika zu lernen.
Vor zehn Jahren habe ich zwar weniger Platten verkauft, da waren allerdings nicht nur die Fotos von mir schlechter, sondern auch die Lieder (lacht). So ganz brav war ich nie, so ganz schlimm auch nicht. Ich positioniere mich irgendwo dazwischen. Es jedem recht zu machen, das ist unmöglich.
Ich glaube, Männer stehen eher auf Röcke – ich trage dennoch Lederhose. Eine steirische Harmonika und ein Rock, das verträgt sich einfach nicht. Ich bin grundsätzlich keine, die sich über die Maßen auftakelt. Ich benötige bei Konzerten auch keine Visagistin. Ein Lied lang sehe ich zwar wie aus dem Ei gepellt aus. Doch dann geb ich Gas auf der Bühne und es spielt ohnehin keine Rolle mehr.
Ich bin eine echte Wirtshaustochter, das Lokal hat meinem Papa gehört. Es war immer voll, ob nun die Jäger zu Gast waren oder die Kapelle, die nach der Probe ein Bier getrunken hat. Und immer hat es geheißen: Komm, spiel einmal an. Ich habe mich damals bei solchen Auftritten stets sehr geschämt, weil ich als Mädel zur Ziehharmonika greife, vor Scham hatte ich den Blick immer auf den Boden gerichtet. Es war ein Gefallen für den Papa, ich war eher schüchtern. Auch später, auf der richtigen Bühne, litt ich lange unter extremem Lampenfieber.
Ja, geblieben ist einzig eine gesunde Anspannung. Man weiß ja nie, was einen erwartet. Meine Konzerte folgen auch keinem festen Programmablauf – ich hoffe, das Publikum macht mit. Oft singen die Leute die Texte auswendig mit. Vor fünf Jahren noch war das noch völlig anders. In den Discos haben sie mir nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, es war schwer. Ich musste mich durchbeißen, mir wurde nichts geschenkt. Jetzt genieße ich den Erfolg.
Wenn du in den Discos nicht „Atemlos durch die Nacht“ oder „I sing a Liad für di“ spielst, sondern eigene Lieder präsentieren willst, hören dir die Leute nicht zu. So bin ich zur Kämpferin geworden. Zehn Mal hat mir kaum einer zugehört, aber beim elften Mal, als „I steh’ auf Bergbauernbuam“ zum Hit geworden ist, war die Disco ausverkauft. So bin ich zur Kämpferin geworden. Es ist kein Fehler, wenn man so einen langen Weg geht. Ich musste mir jeden Fan erspielen.
Ich wollte eigentlich Richterin werden. Dabei wäre ich für diesen Beruf viel zu sensibel! In Graz habe ich Jus studiert, den ersten Studienabschnitt fertiggemacht. Mit den Auftritten ließ sich das jedoch nicht vereinbaren. Also ließ ich das Studium sein, was ich nicht jedem empfehlen würde, weil es hoch gepokert war. Mein Opa hat mir beigestanden. Er hat gesagt, wenn ich es wirklich durchziehen will, unterstützt er mich. Ich darf mich allerdings nicht verbiegen lassen, das musste ich ihm versprechen.
Er ist ehrgeizig, und anfangs wurde er dafür ausgelacht bei uns im Tal. Von hier aus die große Karriere starten und dafür sogar das Studium abbrechen? Was für ein Fauxpas! Mein Papa ist da zum Glück drübergestanden, und mich selber hat die Rederei motiviert. Mir hat das Musikmachen einfach Freude gemacht. Bei uns daheim wurde immer gesungen und gespielt, bei jedem Kirtag, jedem Maibaumaufstellen, jedem Geburtstag in der Familie.
Meine Oma hat elf Kinder, es gibt ungefähr 30 Enkel, auch Urenkel sind bereits auf der Welt. Eine riesengroße Familie und ich habe für fast jeden von ihnen schon aufgespielt. Nachmittag gab es Kaffee und Kuchen – und ich war quasi das Geschenk.
Dieser Moment war der Auslöser dafür, dass ich damals aufhören wollte mit der Musik. Ich war eben der Dramaturgie des Fernsehens ausgeliefert – ich durfte mir das Lied, mit dem ich aufgetreten bin, nicht selbst aussuchen, zudem hatte meine Ziehharmonika die falsche Tonart. Die Kritik, ich wäre sozusagen zwar nett anzuschauen, aber es würde nichts dahinter stecken, hat mich hart getroffen. Den Auftritt habe ich wirklich bereut. In einer Castingshow wird man mich nie wieder auftreten sehen.
Ich finde die Buam schon fesch, das ist nicht gelogen (lacht). Die Songs schreibt hauptsächlich Anita, die mittlerweile eine sehr gute Freundin von mir geworden ist. Sie kennt mich, ist wie meine innere Stimme.
Für einen Freund fehlt mir leider die Zeit! Mittlerweile mache ich schon meine Firma dafür verantwortlich, dass mir der Richtige noch nicht über den Weg gelaufen ist (lacht). Ich bin leider nur drei, vier Tage im Monat zu Hause. Die andere Zeit über heißt es Koffer einpacken, auspacken, erneut einpacken.
Das weiß ich nicht, meistens werde ich ja nach Showende gleich verfrachtet, wie ein Paket, das von A nach B transportiert wird. Aber sicher, über Instagram etwa erreicht mich die eine oder andere Kontaktaufnahme. Und bei einer Autogrammstunde hat ein 17-Jähriger zu mir gesagt: „War das jetzt Liebe auf den ersten Blick – oder soll ich mich noch mal anstellen?“ Das fand ich sehr witzig. Das sind alles nette Buam und solche Situationen sind immer mit Schmäh unterlegt und nie unangenehm. Es gab allerdings auch schon den Fall, dass jemand bei mir vor dem Haus gezeltet hat. Da muss ich dann streng sein und rufe meine Cousine an, die ist Polizistin.
Die Oma meines Halbbruders hat ihn gefragt, was er da mache. Da meinte er, er wartet hier bis die Melissa kommt. Auf ihre Aussage, dass ich diese Woche nicht mehr anzutreffen bin, antwortete er, das sei ihm egal, immerhin sei er jetzt extra aus Deutschland hierher getrampt und er bleibe jetzt da. Ich akzeptiere wirklich viel, aber da wurde für mich eine Grenze überschritten. Das ging zu weit, es muss einen Ort geben, an dem ich unbehelligt Ruhe finden kann.
Eine Handvoll. Ein Fan etwa reist mir überall hin nach. Heute in die Schweiz, am nächsten Tag nach Österreich, am übernächsten nach Deutschland – er ist immer schon da, steht beim Hotel in der Kälte und freut sich über ein gemeinsames Foto. Ich freue mich, wenn er da ist. Ich bin zwar selbst früher ein extremer Hermann-Maier-Fan gewesen und habe einige Stunden im Schnee gewartet, bis ich ihn endlich treffen konnte. Diese Anstrengungen würde ich mir allerdings nicht zumuten.
Ich bin durchaus ein rescheres Mäderl, mich kränkt nichts so schnell. Ich kann auch immer darauf zählen, dass meine Familie mich auffängt. Es ist schon ein brutal hartes Geschäft. Ich würde lügen, wenn ich das Gegenteil behaupte.
Es erfordert viel mehr als bloß den Auftritt auf der Bühne. Von der Vorbereitung darauf bis zum Instagram-Posting. Ich mache da alles selbst. Setzt es dann Kritik, fällt es mir schwer, sie mir nicht zu Herzen zu nehmen. Hass im Netz, das tut mir weh. Selbst wenn nur zehn von hundert Kommentaren gemein sind. Manche Kommentare zielen sehr unter die Gürtellinie. Was habe ich denen denn getan? Die Leute vergessen oft, dass ein Mensch hinter all dem steckt. Leben und leben lassen, das ist mein Motto.
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