Ja, gerade viele Langzeit-Paare finden dann tatsächlich wieder zusammen. Das passiert in letzter Zeit öfter. Ich habe versucht, zu analysieren, woran das liegt.
Und, woran liegt es?
Ich bin oft erstaunt, wie wertschätzend sie, trotz der Absicht sich trennen zu wollen, miteinander umgehen. Sie wirken dann auf mich nicht wie ein Paar, dass sich wirklich trennen will. Ich spreche das dann durchaus auch vorsichtig an. Und in Gesprächen stellt sich heraus, dass es der emotionale Austausch ist, der fehlt. Was einen tiefinnerlich beschäftigt, hat keinen Raum mehr, es fehlt die Zeit dafür.
Ist auch Thema, was nach der Trennung auf die Paare zukommen könnte?
Ja, viele sind sich dessen bewusst, dass der schnelle Ersatz des Partners, der Partnerin nicht immer zu Besserem führt. Eigene Erfahrungen und jene aus dem Umfeld zeigen, dass aus der anfänglichen „Scheidungsparty“, der neu gewonnenen Freiheit und Aktivität, irgendwann wieder Alltag einkehrt. Und plötzlich fehlt der vertraute Partner, die vertraute Partnerin. Gerade Gefühle wie Trauer, Wut und Angst bespricht man nicht mit jedem. Und man hat auch keine Lust so zu tun, als wäre man wieder zwanzig, will nicht seine Schwächen und Altlasten überspielen.
Ist es aber nicht doch eher die Furcht davor, alleine zu bleiben?
Nein, da ist nicht der Gedanke, am Single-Markt nicht bestehen zu können. Die Menschen, von denen ich spreche, stehen mitten im Leben, sind kultiviert, keine Mitt-Vierziger oder -Fünfziger mit weißen Socken in Sandalen. Vielmehr höre ich den Satz: „Ich weiß nicht, wann wir uns das letzte Mal so richtig füreinander Zeit genommen haben.“ Sobald der Austausch in der Beziehung dann plötzlich wieder da ist, sind auch die Emotionen da.
Wo sehen Sie die Chance, dass man wieder zueinander findet?
Ein Klient sagte einmal zu mir: „Wir wollen uns trennen, keine Paartherapie!“ Paartherapie sei ja nur Trennung auf Raten. Ich würde gerne in die Welt hinausrufen: Wem die Trennung in den Kopf kommt, der sollte sich an jemand Drittes wenden. Nicht erst dann, wenn es ernst wird.
Aber wenn die Krise schon längst da ist?
Ein Paar kann so viel aus Krisen und Veränderungen für sich selbst mitnehmen, daran wachsen und stärker werden. Wenn man das mal miteinander geschafft hat, kann einem dieses Gemeinschaftsgefühl keiner nehmen. Es gibt nichts Besseres, um die Beziehung zu stärken, als gemeinsam da rauszukommen.
Sie sagten zu Beginn, viele Paare leiden darunter nur zu „funktionieren“. Was raten Sie ihnen?
Der erste Schritt ist, sich Termine miteinander auszumachen wie mit einem ganz wichtigen Kooperationspartner. Das klingt auf den ersten Blick paradox und ebenso „arbeitstechnisch“. Aber so nimmt man sich wieder mehr Zeit füreinander. Sind Paare beispielsweise gemeinsamen eingeladen, hilft es, darauf zu schauen, dass man sich nicht erst dort trifft, als wäre man Solo. Als Paar dort anzukommen, gibt ein besseres Gefühl, denn es geht auch um das Paar-Erlebnis. Am besten ist es, sich kurz vorher zu treffen, so dass man die Gelegenheit hat, sich noch auszutauschen. Auch wenn es nur darum geht, gar keine Lust auf die Einladung zu haben. Darüber kann man gemeinsam witzeln, und schon teilt man miteinander ein kleines Geheimnis.
Hilft das so einfach?
Man muss dort beginnen, wo es am einfachsten ist. Wir sind alle gewohnt, ständig Termine auszumachen. Also macht man welche miteinander, aber auch für sich selbst, um den Blick wieder zu schärfen. Das gehört ein wenig trainiert und kann wirklich helfen. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, in der wir so schnell ins Strudeln kommen können.
Und was hat man davon, wenn man so lange zusammenbleibt?
Nun, gerade erst kam die Langzeitstudie (Anm.: „The Good Life von Robert Waldinger & Marc Schulz) heraus, was Menschen glücklich macht. Und die Zufriedensten sind jene 80-Jährigen, die in einer Partnerschaft sind, in der sie sich emotional aufgehoben fühlen.
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