Guter Sex bedeutet für jeden Menschen etwas anderes. Dennoch gibt es auch Gemeinsamkeiten bei den Vorstellungen.

Neues aus der Sexualforschung: Die Top-3-Gründe für großartigen Sex

Was macht den Geschlechtsakt zum elektrisierenden Erlebnis? Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben drei Schlüsselfaktoren ermittelt.

Wenn es im Bett nicht läuft, ist das Rätselraten groß. Zu den Ursachen – etwa sexuellen Funktionsstörungen – wird intensiv geforscht. Weitaus weniger wissenschaftliches Interesse gibt es am gelungenen Geschlechtsakt.

Soziologinnen und Soziologen der Missouri State University haben sich dieser Forschungslücke gewidmet – und ihre Ergebnisse kürzlich im Fachblatt Sexuality & Culture veröffentlicht.

"Ein Freund fragte mich einmal: 'Was ist überhaupt toller Sex?‘ Was macht guten Sex aus? Gibt es dafür einen Standard?'", beschreibt Hauptautorin Alicia M. Walker die Hintergründe ihrer Forschungen. Walker begann sich zu fragen, ob Menschen eine kollektive Definition von großartigem Sex haben. "Ob das, was ich für großartigen Sex halte, auch großartiger Sex für jemand anderen ist." Sie beschloss, es herauszufinden.

Intime Fragen stellen

Zunächst rekrutierte das Team um Walker sexuell aktive Erwachsene für Online-Interviews zu ihren sexuellen Gewohnheiten. Die Erhebungsmethode wurde bewusst gewählt: Menschen sprechen in virtuellen Befragungen tendenziell offener über sexuelle Vorlieben und Bedürfnisse. Von den 78 Teilnehmenden identifizierten sich 49 als Frauen, 28 als Männer und eine Person als genderfluid. 52 Personen gaben an, heterosexuell zu sein, 24 gaben eine andere sexuelle Orientierung an.

Bei der Analyse der Interviews kristallisierten sich schließlich drei Hauptfaktoren für guten Sex heraus.

    1. Der Orgasmus: 49 Befragte identifizierten den Höhepunkt als wesentlichen Bestandteil sexueller Befriedigung. Dabei wurde der eigene Orgasmus in etwa so häufig angeführt wie der des Partners oder der Partnerin. Dass beide beim Sex zum Höhepunkt kommen, stufte das Gros der Teilnehmenden als fundamentales Element ein. Für einige Frauen waren multiple Orgasmen besonders wichtig. Immerhin zwanzig Teilnehmende behaupteten jedoch, dass ein Orgasmus kein notwendiger Faktor für großartigen Sex sei.
    2. Die emotionale Verbundenheit: Weiters wurden emotionale Aspekte betont. 52 Teilnehmende meinten, dass eine emotionale Verbindung entscheidend für guten Sex sei. Sie unterschieden zwischen emotionaler Verbindung und romantischer Liebe. Eine emotionale Verbindung müsse demnach nicht zwingend romantische Liebe bedeuten. Beim Faktor Gefühle offenbarten sich auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Bei Frauen scheint die emotionale Verbindung Vorrang vor körperlicher Zufriedenheit zu haben. 16 Teilnehmende waren unterdessen der Meinung, dass für guten Sex keine emotionale Komponente erforderlich ist.
    3. Die Chemie: Wenn sich zwei Menschen zueinander hingezogen fühlen, spricht man von der perfekten Chemie. Auch diese emotional-sexuelle Anziehungskraft ist laut der neuen Studie essenziell für Glücksgefühle im Bett. 36 Teilnehmende sehen sie als Herzstück. Die Chemie stimmt den Befragten zufolge, wenn zwei Menschen spontan und ohne, dass sie wirklich etwas dagegen tun können, ein ernsthaftes und intensives romantisches Interesse füreinander entwickeln, sich mögen, einander vertrauen und sich beim Sex fallen lassen können.

    Obwohl die Forschenden diese drei Hauptkomponenten ermitteln konnten, war das "schiere Spektrum an Antworten faszinierend", summiert Walker im Interview mit der Plattform PsyPost. Die Ergebnisse würden verdeutlichen, dass es neben gewissen Überlappungen höchst individuelle Vorstellungen von großartigem Sex gibt. Mitunter auch in Partnerschaften, sagt Walker: "Ihre Vorstellung davon, was Sex großartig macht, unterscheidet sich möglicherweise von der Ihres Partners. Der Sex, der für Sie großartig ist, kann für Ihren Partner mittelmäßig oder sogar schlecht sein", sagt Walker und plädiert für Offenheit im Umgang mit sexuellen Vorlieben.

    Viel zu verstehen

    Die Studie hat – wie viele Forschungsarbeiten – eine begrenzte Aussagekraft. So erlaubt etwa die Zusammensetzung Stichprobe keine Verallgemeinerung der Ergebnisse. "Es gibt noch so viele Fragen zu beantworten", weiß Walker. "Es gibt immer noch so viel, was wir nicht verstehen. Wir reden schnell über sexuelle Gesundheit, ignorieren dabei aber oft das sexuelle Vergnügen, das ein wichtiger Aspekt unseres Liebes- und Sexuallebens ist."

    Marlene Patsalidis

    Über Marlene Patsalidis

    Gebürtige Linzerin, 2007 fürs Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft nach Wien gekommen – und geblieben. Nach Stationen bei der Tageszeitung Heute und dem Frauenmagazin miss seit 2016 beim KURIER tätig. Schwerpunktmäßig mit Gesundheits- und Wissenschaftsthemen befasst. Ausgeprägtes Interesse für den Menschen und was die Wissenschaft über ihn zutage fördert.

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