Nachhilfe für die Liebe: Paartherapie auf der Wohnzimmercouch
Wie funktioniert das bloß mit dem Liebesglück? Zwei neue Bücher helfen dabei, es rauszufinden.
Wer sein Liebesglück mit jemand anderem gefunden hat, ist sich anfangs meist sicher: Bei uns wird das halten, die Leichtigkeit, das Verlangen, die Schmetterlinge im Bauch. Der Glaube daran scheint unerschütterlich, obwohl wir wissen, dass mit der Zeit der Blick auf das Gegenüber sich verändern wird: Denn mit der Zeit hält der Alltag Einzug, und damit schlechte Angewohnheiten, Eigenarten und unterschiedliche Standpunkte. Wie mit dieser Ernüchterung umgehen und die Leichtigkeit des Beginns in die Realität retten?
„Zwei vollkommen individuelle Welten prallen aufeinander“, schreibt Anna-Lena Neumann in dem Buch „Paartherapie to go“. „Und die Aufgabe bestehe nun darin, diese beiden Welten nicht voneinander abprallen zu lassen, sondern sie so miteinander zu vereinen, dass „eine dritte gemeinsame Welt entsteht“.
Um das zu schaffen, muss man nicht gleich in therapeutische Beratung gehen, aber wer seine Liebe erfrischen oder neu sortieren möchte, kann sich Anregungen in Büchern wie dem von Anna-Lena Neumann holen. Oder in jenem von Linda Mitterweger, die mit „Paartherapie für zu Hause“ ein „Workbook“ geschrieben hat, „um Beziehungskonflikte zu lösen und wieder miteinander glücklich zu werden“.
Diese Bücher ersetzen keine Therapie, bieten aber die Chance für mehr Selbst-Akzeptanz und eine hilfreiche Auseinandersetzung mit der Liebe. Die freizeit stellt beide Bücher vor und hat sich dabei auf die Suche nach Aspekten gemacht, die der Liebe helfen.
Es beginnt bei einem selbst
Gleich 97 Werkzeuge verspricht „Paartherapie to go. Für eine bessere Kommunikation und mehr Glück & Harmonie in der Beziehung“. Das erste Werkzeug dient der Auseinandersetzung mit sich selbst. Und das hat seinen Grund: Nur wer seine eigenen Grenzen kennt, kann auch jene des anderen verstehen. Das ist auch eine Voraussetzung für eine gesunde Partnerschaft: Diese “kann nur dann entstehen und halten, wenn sich beide Parteien gegenseitig Raum geben und einander so akzeptieren, wie sie eben sind.“ Leicht gesagt, aber wie gelingt einem das? Anna-Lena Neumann empfiehlt, sich zum Beispiel folgende Fragen zu stellen: "Wann brauche ich am meisten Ruhe? Wie viel bin ich bereit, für andere zu tun und wann ist genug? Welche Dinge geben mir Kraft?"
Was uns prägt
Dass die Liebe bei einem selbst anfängt, kommt bei Linda Mitterweger in andere Form zur Sprache. Nämlich indem man über Folgendes reflektiert: „Was denkst du über Beziehungen?“ Um das zu analysieren, erklärt sie, wie sehr unser Denken und Fühlen, was Beziehungen betrifft, von unseren Bezugspersonen geprägt sind. Welche Rolle spielen die Erfahrungen der Eltern, die wir miterlebt haben? Und wie gelingt es uns, eigene Erfahrungen zu machen, die mehr mit uns und unseren Bedürfnissen und Wünschen zu tun haben? „Wenn du verstehst, woher deine alten Verhaltensweisen kommen, kann es dir helfen, erfolgreich neues Verhalten zu integrieren“, schreibt Mitterweger. Dazu stellt sie elf Fragen, wie „Was hast du in deiner Herkunftsfamilie über Partnerschaften gelernt? Oder „Welche positiven Erfahrungen hast du in Partnerschaften gemacht?“
Schon alleine darüber nachzudenken und mit dem Partner darüber zu sprechen, kann einem die Augen und die Gefühlswelt öffnen. Wie die beiden Bücher ja fast im Titel empfehlen, kann das auf der Couch sein („Paartherapie für zu Hause“) oder beim Spazierengehen („Paartherapie to go“).
Von großen und kleinen Lügen
Was steht noch an, außer sich selbst erst einmal klar und bewusst über sich selbst, die eigenen Denkweisen, Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu werden? Ohne Vertrauen und Ehrlichkeit geht es in einer Beziehung nicht. Doch vom Selbstbetrug bis zur kleinen Notlüge - jeder tut es. „Oftmals lügen wir auch nur aus aufrichtigen Gründen heraus, zum Beispiel um unseren Partner zu beschützen und nicht zu verletzen“, so Neumann. Das ist nett gemeint, wird jedoch über kurz oder lang nicht zu Vertrauen führen, das unabdingbar für die Liebe ist. Darum ist es so wichtiger, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. „Teilen Sie Ihrem Partner mit, wenn Sie einen Fehler begangen haben – trotz Ihrer Angst vor Konsequenzen“ und „gehen Sie offen und ehrlich mit Ihren eigenen Gefühlen um und leugnen Sie diese nicht“, rät Neumann.
Gemeinsam, aber doch verschieden
In der erste Phase der Liebe scheint alles perfekt. Man ist zufrieden mit sich, dem anderen der Welt, dem Wir-Gefühl. Wir sehen das Verbindende, man hat ja so viel gemeinsam! Erst mit der Zeit erkennen wir, dass wir nicht immer und bei allem auf einer Welle tanzen. Das bietet aber genau die Chancen, die zwei Partner haben, um miteinander zu wachsen. Linda Mitterweger: „Menschen treten in Beziehung zueinander auf Grundlage ihrer Gemeinsamkeiten und wachsen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit!“
Manchmal empfindet man die Unterschiede nur als trennend. „Dass ihr unterschiedlich seid, könnt ihr weder beeinflussen noch verändern. Aber du hast die Wahl, wie du mit den Unterschieden umgehst“, erklärt die Psychologin und erläutert, welche Zugänge es da gibt. Es ist auch eine Frage der Perspektive. Wer den Fokus darauf legt, immer nur das Trennende zu sehen, könne stattdessen überlegen, ob es sogar etwas vom Partner zu lernen gibt. Was kann er besonders gut? Wie geht er mit bestimmten Situationen um? Hat er gute Strategien? Vielleicht sogar bessere als man selbst? Mitterweger: „Indem du das anerkennst, verbindet ihr euch in diesem Unterschied. Dein Partner wird sich freuen (…) Dass dir seine Lösungsstrategie gefällt. (…) Vielleicht zeigt er dir sein Geheimnis. (…) Lässt dich an seinen Erfahrungen teilhaben. Und verbindet sich so mit dir.“
Sex und Lustlosigkeit
„Haben Sie jemals daran gedacht, dass Ihnen das passieren könnte?“, fragte David Schnarch, Pionier der Sexualtherapie einst. Und meinte damit das sexuelle Verlangen. Denn das betrifft früher oder später die meisten Paare. Zu Beginn kann man nicht voneinander lassen und irgendwann schleicht sich plötzlich Lustlosigkeit ein.
„Kaum ein Bereich des Leben ist mit derart vielen Unsicherheiten und Hemmungen verknüpft“, so Anna-Lena Neumann in „Paartherapie to go“. Dabei ist das Empfinden, sind die Bedürfnisse sehr individuell. „Viele Menschen machen den Fehler, ehrfürchtig vor der Sexualität zu knien und zu glauben, sie sei immens wichtig, obwohl sie selbst das gar nicht so empfinden.“ Neumann empfiehlt auch hier, die eigenen Bedürfnisse zu erforschen. „Wissen Sie, was Ihnen gefällt? Ja? Schön für Sie! Nein? Da sind Sie nicht allein.“ Denn Sexualität sei für viele Menschen mit Scham behaftet. Aber man kann sich herantasten. Im wahrsten Sinn des Wortes. Allein oder als Paar. Mit Kuscheln, Baden, Massagen. „Niemand erwartet, dass Sie aus Ihrer Unsicherheit den Geschlechtsakt vollziehen.“ Es heißt, sich Zeit zu lassen, mit dem Ziel, immer besser loszulassen. Nur einer von vielen Werkzeugen für mehr Intimität in dem Buch.
Die Sexualität ist natürlich auch Thema bei Linda Mitterweger. Dabei ist ihr wichtig, festzuhalten, dass nicht jedem Paar die Sexualität gleich wichtig sei. Sie bietet in ihrem Workbook „Paartherapie für zu Hause“ an, herauszufinden, wie „ihr als Paar für euch reflektiert, wie ihr Sexualität und Intimität in eurer Partnerschaft leben möchtet.“ Zudem bietet sie einen Reflexionskatalog, der helfen soll, die Zufriedenheit erst einmal einzuordnen. Die erste Frage lautet passenderweise: „Wie zufrieden bist du mit der Qualität eures Sexuallebens?“ Um das besser zu ergründen, hilft die zweite Frage „Wie hat sich eure Sexualität und Intimität seit dem Kennenlernen entwickelt?“ Dabei werden bei Mitterweger nicht nur Antworten gesucht, sondern auch Skalen erstellt, wie wichtig einem der jeweilige Bereich ist.
Trennung auf Zeit
Beide Bücher bieten auch Werkzeuge und Reflexionsfragen zum Thema Streit und Trennung. Wurde schon mit Trennung gedroht oder kam der erste Gedanke auf, sich zu trennen? „Nehmt ihr die Bedrohung ähnlich stark wahr oder wägt sich ein Partner in Sicherheit, während der andere schon Trennung erwartet?“, heißt es etwa bei Mitterweger. Und bei Neumann kann die Trennung auf Zeit aus einer Sackgasse retten, etwa, indem man Folgendes zu beantworten versucht: „Vermisse ich meinen Partner? Warum vermisse ich meinen Partner? Was wünsche ich mir für die Zukunft?“
Beide Bücher bieten unterschiedliche Aspekte und Fragen zur Selbstreflexion – entweder für einen alleine oder als Paar. Denn eines ist klar, wer sich mit der Liebe auseinandersetzt, hat auch die besseren Chancen sie zu finden.
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