Mann und Frau nebeneinander, er am Handy

Dating-Apps werden unbeliebter: Was Österreicher bei der Partnersuche wollen

Dating-Apps leiden nun selbst bei den Jüngeren unter einem Imageproblem. Eine Soziologin erklärt, wie Österreicher mittlerweile daten.

Heute lernt man sich nur noch auf Dating-Apps kennen – eine beliebte These, vor allem zu jüngeren Generationen. Das Klischee lautet: Man möchte weniger Verpflichtungen, weniger soziale Interaktionen, die vielleicht auf irgendeine Art und Weise unangenehm sein könnten. Tatsächlich lässt sich aber mittlerweile das Gegenteil beobachten. Online-Dating wird unbeliebter und immer weniger Menschen laden sich Dating-Apps herunter. Die Soziologin Dr. Barbara Rothmüller weiß, wie Österreicher stattdessen daten. 

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Keine Lust auf Dating-Apps: Rückgang nach Boom in der Pandemie?

Jüngere verwenden mittlerweile weniger gerne Apps zum Dating. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus den USA. Für die repräsentative Umfrage befragte Generation Lab im Auftrag von Axios insgesamt 978 Studierende, die als eine der Hauptzielgruppen von Dating-Apps gelten. Das Ergebnis? Ganze 79 Prozent daten gar nicht online. Unter denen, die es tun, ist Tinder am stärksten vertreten (12 %). 

Dabei schienen während der Pandemie die Apps zu boomen. Zumindest erzielte Tinder laut der Los Angeles Times im Jahr 2020 das erste Mal mehr als drei Milliarden Swipes. Allerdings hat sich das mittlerweile gewandelt. Laut der Financial Times erreichten Dating-Apps letztes Jahr die niedrigste Downloadrate seit vier Jahren. 

Die Soziologin Rothmüller weist allerdings darauf hin, dass man die Zahlen differenziert betrachten sollte. Einen so großen Unterschied zur Pandemie kann man zumindest im deutschsprachigen Raum nicht erkennen. Vielmehr war der Anteil der Menschen, die Dating-Apps benutzen, nie so groß wie man glauben mag. Laut Statista gaben in einer Umfrage beispielsweise ganze 62 Prozent der Teilnehmenden aus Deutschland an, dass sie noch nie eine Online-Plattform für die Partnersuche genutzt haben und es auch nicht vorhaben. "Dadurch, dass viele Studien über das Dating von App-Anbietern stammen, entsteht häufig der Eindruck, dass alle über Apps daten. Dem ist allerdings nicht so", meint Rothmüller. "In Österreich verwendet die Hälfte der Menschen, die auf Partnersuche sind, gar keine Dating-Apps." Und das ist nicht etwa nur bei den älteren Generationen der Fall, der Trend zieht sich vielmehr durch alle Altersgruppen. Das hat sich in den letzten Jahren laut der Expertin auch nicht geändert. 

Imageprobleme von Dating-Apps: Worauf Nutzer wert legen

Dating-Apps sind nicht für alle geeignet. Laut Rothmüller halten sie besonders Vorteile für bestimmte Gesellschaftsgruppen parat. So können Menschen, die etwas abgeschiedener am Land leben, durchaus vom Online-Dating profitieren. Auch Minderheiten, die einen kleinen Dating-Pool aufgrund der sexuellen Orientierung oder Religion haben, finden online vielleicht eher ein Match, als wenn sie in eine Bar gehen. Dass Dating-Apps unbeliebter werden, kann man allerdings sehr einfach an mehreren Gründen festmachen. Barbara Rothmüller sieht den Unmut gegenüber Online-Dating in der Unpersönlichkeit. "Viele haben den Eindruck, dass man über eine App wenig über die Menschen dahinter erfährt“, sagte sie. "Die Bilder sind doch meist sehr ähnlich, häufig auch stereotypisch. Wenn man länger auf Dating-Apps unterwegs ist, merkt man, dass Individualität fehlt und die Erfahrungen sich schnell abnutzen."

Den Trend, innere Werte und tiefere Verbindungen mehr zu schätzen, kann man auch in der Umfrage von Axios erkennen. Die Befragten sahen die Überzeugungen und Werte der Dating-Partner als am wichtigsten (37 %), noch vor den professionellen Erfolgen und dem Aussehen. Letzteres steht oftmals auf Dating-Apps im Vordergrund. 

Diese Tendenz wirkt sich auch auf die einzelnen Apps aus. Lange Zeit galt Tinder als das Nonplusultra der Dating-Szene. Doch mittlerweile werden Anwendungen wie Bumble und Hinge immer beliebter, auch wenn Tinder vergleichsweise noch immer die meisten Nutzer verzeichnet. Ein Imageproblem? Tinder ist bekannt für seine Hook-up-Kultur, Hinge wirbt dagegen mit dem Slogan "Designed to be deleted“ – nach dem Motto, einen Partner zu finden, um die App dann wieder zu löschen. Tinder versucht mittlerweile ebenfalls, Offenheit und Verletzlichkeit zu fördern. Im Mai dieses Jahres passte die App ihre Gemeinschaftsrichtlinien an, um "Authentizität, Respekt und Inklusivität zwischen Matches zu bestärken“.

Bumble ist sich der Vorstellungen seiner Nutzer ebenso bewusst: Für die Datingtrends im Jahr 2024 prognostiziert das Unternehmen, dass tiefgehende Verbindungen ganz oben auf der Liste stehen. Lucille McCart, Bumbles Kommunikationsdirektor, erklärte gegenüber Body+Soul: "Die Menschen blicken mehr als je zuvor nach innen, akzeptieren häufiger, wer sie sind, und zeigen ihre Dating-Erfahrung als eine verletzlichere und authentischere Version ihrer selbst.“ 

In Verbindung damit werden auch Langzeitbeziehungen hoch geschätzt. "Häufig suchen die Menschen etwas Langfristiges, haben aber auf dem Weg dorthin nichts gegen kurzfristige Hook-ups. Unverbindliche Liebschaften gelten heute gesellschaftlich größtenteils als etwas Normales“, sagt Rothmüller. Daten aus einer repräsentativen Umfrage von Bitkom aus dem deutschsprachigen Raum zeigen, dass 54 Prozent der Befragten dieses Jahr nach einer langfristigen Beziehung suchen. Dagegen sind 33 Prozent auf lockere Flirts aus und 26 Prozent auf One-Night-Stands. Ob man nun also Dating-Apps nutzt oder nicht: Eine Entfernung von der Hook-up-Kultur ist zumindest für heterosexuelle Singles deutlich sichtbar. 

Jennifer Sandhagen

Über Jennifer Sandhagen

Redakteurin bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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